Bogensee-Areal in Barnim - Berlin erwägt Abriss der Goebbels-Villa in Wandlitz
Ein wenig verwunschen sieht es aus, das Gelände der früheren FDJ-Hochschule und ehemaligen Goebbels-Villa am Bogensee. Nun kommt aus Berlin die Idee, die historischen Gebäude abzureißen. Denn die kosten viel Geld. Von Dorit Knieling
Auf einem riesigen Areal rund um den Bogensee nahe der Gemeinde Wandlitz (Barnim) stehen die denkmalgeschützten Gebäude im Besitz des Landes Berlin. Hier befindet sich unter anderem das Landhaus des früheren Reichspropagandaministers Joseph Goebbels. Nach dem Ende der Nazi-Diktatur nutzten die Alliierten die Gebäude als Lazarett. 1946 übergab sie die Sowjetunion an die gerade gegründete Jugendorganisation Freie Deutsche Jugend (FDJ).
Es kamen weitere Gebäude für die Jugendhochschule "Wilhelm Pieck" dazu, um den Funktionärsnachwuchs der SED auszubilden. Architekt war Hermann Henselmann, der auch die protzige Stalin-Allee, die heutige Karl-Marx-Allee, entworfen hatte. Nach der Wiedervereinigung nutzte der "Internationale Bund für Sozialarbeit" (IB) das Areal bis 1998.
Zwischen Abriss und Zukunft
Doch seitdem steht das Ensemble leer, die Häuser verfallen. Die Natur holt sich den Lebensraum sanft zurück. Nun ist erneut eine Diskussion entfacht, wie mit dem historischen Gelände umgegangen werden soll: abreißen oder weiterentwickeln?
Am kommenden Freitag wird sich der Aufsichtsrat der Berliner Immobilienmanagementgesellschaft (BIM), der Verwalterin des Geländes, damit beschäftigen. In der BIM gibt es die Überlegung, die Gebäude abzureißen und zu renaturieren. Berlin stecke pro Jahr rund 250.000 Euro in die Bewirtschaftung der leerstehenden Gebäude. Dazu seien 4 bis 5 Millionen Euro für die Instandsetzung, unter anderem defekter Dächer gekommen, so die Geschäftsführerin der BIM, Birgit Möhring. "Wir arbeiten mit dem Geld der Berliner Steuerzahler. Wenn Berlin nicht genug Geld für Feuerwehr und Polizei hat, fragt es sich, wieso soviel Geld in Bogensee investieren."
Für eine Instandsetzung der vielen Gebäude seien rund 350 Millionen Euro nötig. Die Infrastruktur sei abgeschaltet. Es gebe weder Wasser noch Strom.
Für den Abriss seien vergleichsweise nur rund 45 Millionen Euro nötig. Dieses Geld würde die BIM jetzt versuchen anzusparen und brauche dafür Gelder aus dem Landeshaushalt. Der Denkmalschutz stehe dem Abriss nicht im Weg, so Möhring. Wenn betriebswirtschaftlich dargelegt werden könne, dass ein Erhalt des Ensembles nicht finanzierbar ist, müsse der Abriss genehmigt werden. Werde dies verweigert, müsse das gerichtlich erstritten werden. "Ein 'Weiter so' darf es nicht geben", so das Fazit der BIM-Geschäftsführerin.
Bundesbehörden als Zwischenmieter?
Möhring setzt zudem auf Gespräche mit dem Bund. Sie könne sich auch eine Zwischennutzung durch Bundesbehörden vorstellen. Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatte kürzlich ein Engagement ihrer Behörde ins Gespräch gebracht, ohne konkret zu werden. Auf Anfrage hieß es aus dem Ministerium: "Die Immobilie hat einen hohen zeitgeschichtlichen Wert und ist bautechnisch herausfordernd. Mögliche Weiterentwicklungs- und Nutzungskonzepte müssen dem gerecht werden. Als Bund können wir uns ein Engagement vorstellen, allerdings müssen dazu noch wichtige Voraussetzungen und Fragen geklärt werden."
BIM-Aufsichtsräte mit unterschiedlichen Vorstellungen
Einen Abriss sieht Steffen Zillich, Linken-Abgeordneter und BIM-Aufsichtsrat, kritisch. Weil der viel Geld kosten würde, plädiert er für eine Weiterentwicklung des geschichtsträchtigen Ortes. Zum Beispiel mit einem Mix aus verschiedenen Lösungen. "Dafür braucht es Zeit und Geld." Zudem müsse eine Lösung gemeinsam mit den Brandenburger Beteiligten und dem Bund gefunden werden.
Dagegen will Sven Heinemann, SPD-Abgeordneter und Mitglied im Aufsichtsrat der BIM, kein Geld mehr in das Areal stecken. Seit über 20 Jahren passiere nichts. Deshalb solle es schrittweise zurückgebaut werden. "Berlin hat viele Bauprojekte. Dafür könnten Ausgleichsflächen reaktiviert werden." Dass der Bund sich langfristig engagiert, bezweifelt Heinemann. Der Bund könne das Areal sofort für einen Euro haben. Es brauche keine Zwischenlösung, sondern ein nachhaltiges Konzept.
Brandenburg gegen Abriss
Der Landkreis Barnim und die Gemeinde Wandlitz sind strikt gegen einen Abriss. Sie haben in einem offenen Brief ein Abriss-Moratorium gefordert, der von zahlreichen Vertretern von Gremien wie der Architektenkammer und der Stiftung Denkmalschutz, aber auch Politikern und Bürgern unterschrieben wurde.
"Es kann doch nur richtig sein, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, nach einer klugen Nutzung zu suchen", sagte der Landrat von Barnim, Daniel Kurth (SPD). Es gebe die Idee, ob Forschung und Wissenschaft den Standort wiederbeleben könnten. "Vielleicht gibt es andere tolle Nutzungen." Deshalb soll das Abriss-Moratorium fünf Jahre lang gelten. In der Zeit soll ein Nutzungskonzept erarbeitet werden.
Auch der Bürgermeister von Wandlitz, Oliver Borchert (Freie Bürgergemeinschaft), in dessen Verantwortung die Planungshoheit über das Gelände liegt, argumentiert: "Wir haben im Flächennutzungsplan Bildung und Wissenschaft stehen." Die Gemeinde sei aber bereit, die Nutzung zu erweitern, zum Beispiel durch Wohnen. 4.000 Wohnungen, wie Berlin es ins Gespräch gebracht habe, sei aber zu viel. Dazu fehle die Infrastruktur wie Kita und Schule.
Dieser Idee steht auch der Denkmalschutz nicht im Weg. Thomas Drachenberg, Chef des Landesamtes für Denkmalpflege, erklärte, Wohnen sei kein Problem. Zum Beispiel könnten die alten Seminargebäude umgebaut werden. Aber die Gemeinde Wandlitz müsse erst einmal klären, was sie dort wolle.
Doch nicht alle Wandlitzer Gemeindevertreter teilen die Idee der Weiternutzung. Auf einer Sitzung sagte Katja Hoyer (Grüne) laut "Märkischer Oderzeitung", sie wünsche sich, dass das Gelände der Natur zurückgegeben werden sollte.
Sendung: rbb24 Abendschau, 17.04.2024, 19:30 Uhr