AfD-Klage am Verfassungsgericht - Stopp des Brandenburg-Pakets nicht ausgeschlossen

Fr 17.05.24 | 06:30 Uhr | Von Torsten Sydow
  69
Archivbild: Die Mehrheit der Abgeordneten hebt während der 101. Sitzung des Brandenburger Landtags nach der Aussprache zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Nachtragshauhalt die Hand. (Quelle: dpa/Stache)
Video: rbb24 Brandenburg aktuell | 17.05.2024 | Nico Hecht | Bild: dpa

Für die Haushalte 2023/2024 nahm das Land Brandenburg Milliardenkredite auf - und begründete sie mit Notlage, etwa durch den Krieg in der Ukraine. Die AfD klagt vor dem höchsten Brandenburger Gericht - und könnte die Finanz-Planungen auf den Kopf stellen. Von Torsten Sydow

  • Notlage-Erklärung und Milliarden-Kredite in Brandenburg aus AfD-Sicht verfassungswidrig
  • Finanzhilfen für Kommunen und Krankenhäuser auf dem Prüfstand
  • Landesverfassungsgericht verhandelt am Freitag

Von ihrer Entscheidung wird es abhängen, ob der Brandenburger Haushalt demnächst vor einer chaotischen Situation steht: Unter Vorsitz von Präsident Markus Möller kommen am Freitag die ehrenamtlichen Richter des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg in Potsdam zusammen, um öffentlich über eine Klage von 23 AfD-Landtagsabgeordneten zu verhandeln. Diese rütteln damit an nichts weniger als gewichtigen Finanzhilfen für Kommunen und Krankenhäuser, die die Landesregierung mittels Aufnahme zusätzlicher Kredite ermöglicht hatte.

Im Detail beklagen die Abgeordneten den Landtagsbeschluss vom 15. Dezember 2022, mit dem das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 festgestellt wurde, sowie das Haushaltsgesetz 2023/2024. Mit der Feststellung der Notlage wurden Kreditermächtigungen von rund zwei Milliarden Euro für das sogenannte Brandenburg-Paket bewilligt, das Vereinen, Krankenhäuser, Familien, Städte und Gemeinden bei der Überwindung der Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine unterstützen soll. Die AfD sieht in dem Vorgehen der rot-schwarz-grünen Koalition einen Verstoß gegen die Brandenburger Verfassung.

AfD stellt Notlage für das Land Brandenburg in Abrede

Die von der Landtagsmehrheit festgestellte Notlage für die Jahr 2023 und 2024 wird von den AfD-Abgeordneten angezweifelt. Eine Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entziehe, habe es nicht gegeben. In Landtagsdebatten hatte AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt mehrfach argumentiert, die selbst eingeleitete Sanktionspolitik Deutschlands gegenüber Russland habe die Energieknappheit und gestiegene Energiepreise verursacht. Von einer unverschuldeten Notlage könne keine Rede sein.

Das Verfassungsgericht wird wohl keine Entscheidung am gleichen Tag verkünden, will dies aber zeitnah tun.

In der mündlichen Verhandlung am Freitag werden nach Angaben von Verfassungsgerichtssprecherin Kathleen Heinrich-Reichow die Verfahrensbeteiligten im Detail ihre Positionen vortragen. Für die AfD wird unter anderem Fraktionschef Berndt die Klage begründen. Prozessbevollmächtigter des Landtages ist Verfassungsrechtler Rainer Wernsmann, Professor an der Universität Passau.

AfD spricht 2022 selbst von einer "Notlage"

Der Termin des Verfahrens so dicht vor Kommunal- und Europawahlen ist brisant, ein Urteil ist es erst recht. Beide Seiten versuchen, politisches Kapital aus dem Prozess zu schlagen. Mehrfach hatten die Koalitionäre, darunter auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), die AfD aufgefordert, ihre Klage zurückzunehmen - mit dem Argument, die Partei würde den Kommunen in den Rücken fallen. Die AfD wiederum hält die Konstruktion des Haushaltes für willkürlich.

Im Falle eines juristischen Erfolges der AfD könnte es sein, dass im Jahr 2024 noch nicht ausgezahltes Geld aus dem Brandenburg-Paket nicht mehr zur Auszahlung kommt und unter anderem die energetische Sanierung von Krankenhäusern nicht zu Ende geführt wird. Unklar ist auch, vor welchen Fragen dann Kämmerer der Kommunen stehen könnten. Die AfD dürfte einen Erfolg vor einem – vor ihr wiederholt kritisierten – Gericht im Landtagswahlkampf als Trumpf gegen SPD, CDU und Bündnisgrüne nutzen.

Was die AfD nicht erwähnt: Die Landtagsfraktion hatte im Dezember 2022 einen Antrag für Kredit-Ermächtigungen über drei Milliarden Euro vorgelegt - eine Milliarde Euro mehr als im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehen. Auch der AfD-Abgeordnete Andreas Galau begründete dies damals mit dem Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation.

Droht Haushalts-Chaos wie im Bund?

Im August des vergangenen Jahres war ein Eilantrag der AfD gegen eine Neuverschuldung im Haushaltsgesetz 2023/2024 gescheitert.

Im Dezember 2023 hatte der Brandenburger Landtag mit der Mehrheit von SPD, CDU und Bündnis90/Die Grünen nochmals die Notlage für 2024 festgestellt und Kreditermächtigungen von 1,06 Milliarden Euro bewilligt, unter Hinweis auf die unveränderten Folgen des Krieges Russlands gegen die Ukraine. Hintergrund war die erfolgreiche Klage der CDU gegen den Klima-Haushalt der Bundesregierung. Die chaotische Haushaltslage in den Wochen danach erinnert an die Lage jetzt in Brandenburg.

Die AfD ist auch nicht der einzige Zweifler: Vor allem die Strategie, eine Notlage gleich für mehrere Haushaltsjahre feststellen zu lassen, hatten sowohl beim Landesrechnungshof als auch beim Verfassungsgericht Zweifel geweckt an einer rechtlich einwandfreien Haushaltsgrundlage.

Sendung: rbb24 Inforadio, 17.05.2024, 6 Uhr

Die Kommentarfunktion wurde am 17.05.2024 um 21:29 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Torsten Sydow

69 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 69.

    Nochmal nachdenken bitte! Ich hab aufgrund von Krankheit 3 Jahre einen 1€Job gehabt. Ansonsten immer gearbeitet. Hab noch Umschulung gemacht usw.Wird alles nicht angerechnet. Laut Rentenbescheid werde ich also 50 Jahre arbeiten müssen. Sehr gerecht. Und weil das alles so schön ist in unserem Land, raten Sie jetzt mal welche Partei ich wählen werde! Kleiner Tip, die Einheitsparteien die nichts für Rentner tun,werden es nicht sein. Das löst zwar keine Probleme, aber: es ist mir sche...egal.

  2. 68.

    Die AfD redet Deutschland schlecht. Aber: wir haben Freiheit, kostenlose Bildung und Krankenkassen, gutes Essen, wunderschöne Städte und Landschaften, großartige und auch viele kleine Kulturstätten wie Museen, Theater, Musik...reicht das nicht?

  3. 67.

    Hat doch die CDU auf Bundesebene auch getan und die stehen in den Umfragewerten für die Bundestagswahl auch auf Platz 1 darf ich dann die CDU auch nicht wählen?

  4. 66.

    Hat doch die CDU auf Bundesebene auch getan und die stehen in den Umfragewerten für die Bundestagswahl auch auf Platz 1 darf ich dann die CDU auch nicht wählen?

  5. 65.

    Bundestagswahl 2021
    Stimmanteile der Parteien nach Bildung
    Stand: 26.09.2021 22:40 Uhr
    Stimmanteile der Parteien nach Bildung (in %)

    Grüne: Einfache Bildung 5, Hohe Bildung 23;
    SPD: Einfache Bildung 33, Hohe Bildung 22;
    Union: Einfache Bildung 32, Hohe Bildung 21;
    FDP: Einfache Bildung 8, Hohe Bildung 13;
    AfD: Einfache Bildung 13, Hohe Bildung 6;
    Linke: Einfache Bildung 3, Hohe Bildung 6;

    Quelle: Infratest dimap

  6. 64.

    Das Renteneintrittsalter ganz abschaffen ist noch gerechter und belohnt ...
    die Fleißigen.
    Erst nach 45 (Einzahl!)Jahren ist eine Rente dann möglich. Nur so ist gewährleistet, dass man sich nicht unsozial durchmogeln kann.

  7. 63.
    Antwort auf [Ach so.....] vom 17.05.2024 um 12:22

    Wenn es um Rhetorik geht würde ich mal sagen Sie lesen sich nochmal ihren Kommentar genau durch ,nämlich der eine Satz den Sie dort verwendet haben,hat es in sich, dann googeln Sie mal wann und wo er benutzt wurde und dann überlegen Sie sich nochmal welche Rhetorik Sie verwendet haben.
    Wenn man solch einen Satz in der Öffentlichkeit zum besten gibt, kann man eventuell Probleme bekommen.
    Nur mal so.

  8. 62.

    Das stimmt so nicht, aber das wissen Sie vermutlich auch. Falls nicht, lässt es sich recht einfach recherchieren.

  9. 61.

    "Die AfD nutzt die Mittel, die ihr zur Verfügung stehen schamlos aus". Aha, und die Altparteien machen das ganz anders?

  10. 60.

    Wenn ich das VG als unabhängige Kontrolle meiner politischen Tätigkeit sehe, bedeutet es, dass ich die Verfassung anerkennen, was aber nicht heißt, dass es passieren kann, das ich auch mal dagegen verstoße. Dafür habe ich eine Korrektur! Das ist unsere Demokratie.
    Wer aber dieses Korrektiv abschaffen will, hat auch vor, dann absichtlich die Verfassung nicht mehr als Grundlage seiner Politik zu nehmen.
    Das eine ist ein Fehler zu machen, und das Andere ist Verfassungsfeindlich!

  11. 59.

    Es gibt keine abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren mehr.
    Die Menschen, für die dies zutraf sind inzwischen 70 Jahre (Baujahr 1953)

    Wer 45 Jahre Beiträge gezahlt hat und 63 Jahre alt ist, kann in Rente gehen, jedoch mit Abschlägen.
    z.B. Baujahr 1962 - 2025 63 Jahre + 45 Beitragsjahre - ca. 13 Prozent Abschläge

  12. 58.

    "...und die AfD würde die Interessen der meisten Bürger vertreten?". Nein, würde sie natürlich nicht. Deswegen habe ich von Protestwählern geschrieben.

  13. 57.

    Eigentlich müsste es reichen, das Sie wissen, das die meisten der AFD-Wähler gut ausgebildet sind und aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Defizite hat jeder. Ihre interessieren mich nicht!

  14. 56.

    ......erkannt haben, daß es mit einer Politik gegen die Interessen der meisten Bürger so nicht weiter geht."

    ......und wenn man im Umkehrschluss glaubt, dass die AfD Politik für die meisten Bürger machen würde, kann diese Aussage nur funktionieren, wenn man vorher viele Millionen von Bürgern aus dieser Rechnung herausnimmt und sie nicht als Bürger wertet. Sonst kann diese Aussage so nicht funktionieren.

  15. 55.

    "Ich , 2 Berufsausbildungen und weitere Millionen von gut ausgebildeten Wählern, die erkannt haben, daß es mit einer Politik gegen die Interessen der meisten Bürger so nicht weiter geht."

    ....und die AfD würde die Interessen der meisten Bürger vertreten? Das sehe ich ja nun völlig anders. Das ist lediglich eine Geschichte, die immer wieder gerne erzählt und benutzt wird.

  16. 54.

    Die Schulden der Bundesrepublik Deutschland in Höhe von ca. 2,3 Billionen € mit steigender Tendenz, sind im Prinzip nichts anderes als Wahlversprechungen. Die Rente mit 63 ohne Abschläge ist ein gutes Beispiel. Die Rechnung der SPD ist aber nicht aufgegangen. Kein Stimmenzuwachs ! Die Menschen haben das Angebot zwar dankend angenommen, aber die SPD dafür auf Talfahrt geschickt !

  17. 53.

    .......und wenn man die AfD wählt, würden die Interessen der meisten Bürger berücksichtigt werden? Wohl kaum. Zwischen "Glauben" und "Wissen" liegen Welten. Was daran soll denn dann logisch sein, wenn man etwas nur glaubt aber nicht weiß? Wenn man gut ausgebildet ist und so Protest aussieht, dann ist das ein Spiel mit dem Feuer, sorry.

  18. 52.

    Gebildet ist also nur jemand,wenn er das wählt,was Sie akzeptieren? Das ist auch interessant......

  19. 51.

    Diese ewige Schuldenmacherei mit immer neuen Ausreden finde ich zum k.....!
    Wieviel Milliarden sollen wir denn noch erwirtschaften damit es der Politik reicht, wenn dies überhaupt möglich ist?
    Bevor neue Schulden gemacht werden, die zu Lasten der nächsten Generationen gehen, sollten erst einmal Sparprogramme für alle Ministerien erfolgen.


  20. 50.

    Sorry, aber der Unterschied zwischen verfassungswidrig und verfassungsfeindlich wird mit dieser Fliesentischargumentation überhaupt nicht erklärt.

Nächster Artikel