AfD-Klage am Verfassungsgericht - Stopp des Brandenburg-Pakets nicht ausgeschlossen
Für die Haushalte 2023/2024 nahm das Land Brandenburg Milliardenkredite auf - und begründete sie mit Notlage, etwa durch den Krieg in der Ukraine. Die AfD klagt vor dem höchsten Brandenburger Gericht - und könnte die Finanz-Planungen auf den Kopf stellen. Von Torsten Sydow
- Notlage-Erklärung und Milliarden-Kredite in Brandenburg aus AfD-Sicht verfassungswidrig
- Finanzhilfen für Kommunen und Krankenhäuser auf dem Prüfstand
- Landesverfassungsgericht verhandelt am Freitag
Von ihrer Entscheidung wird es abhängen, ob der Brandenburger Haushalt demnächst vor einer chaotischen Situation steht: Unter Vorsitz von Präsident Markus Möller kommen am Freitag die ehrenamtlichen Richter des Verfassungsgerichtes des Landes Brandenburg in Potsdam zusammen, um öffentlich über eine Klage von 23 AfD-Landtagsabgeordneten zu verhandeln. Diese rütteln damit an nichts weniger als gewichtigen Finanzhilfen für Kommunen und Krankenhäuser, die die Landesregierung mittels Aufnahme zusätzlicher Kredite ermöglicht hatte.
Im Detail beklagen die Abgeordneten den Landtagsbeschluss vom 15. Dezember 2022, mit dem das Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation gemäß Artikel 103 Absatz 2 Satz 2 festgestellt wurde, sowie das Haushaltsgesetz 2023/2024. Mit der Feststellung der Notlage wurden Kreditermächtigungen von rund zwei Milliarden Euro für das sogenannte Brandenburg-Paket bewilligt, das Vereinen, Krankenhäuser, Familien, Städte und Gemeinden bei der Überwindung der Folgen des russischen Kriegs gegen die Ukraine unterstützen soll. Die AfD sieht in dem Vorgehen der rot-schwarz-grünen Koalition einen Verstoß gegen die Brandenburger Verfassung.
AfD stellt Notlage für das Land Brandenburg in Abrede
Die von der Landtagsmehrheit festgestellte Notlage für die Jahr 2023 und 2024 wird von den AfD-Abgeordneten angezweifelt. Eine Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates entziehe, habe es nicht gegeben. In Landtagsdebatten hatte AfD-Fraktionschef Hans-Christoph Berndt mehrfach argumentiert, die selbst eingeleitete Sanktionspolitik Deutschlands gegenüber Russland habe die Energieknappheit und gestiegene Energiepreise verursacht. Von einer unverschuldeten Notlage könne keine Rede sein.
Das Verfassungsgericht wird wohl keine Entscheidung am gleichen Tag verkünden, will dies aber zeitnah tun.
In der mündlichen Verhandlung am Freitag werden nach Angaben von Verfassungsgerichtssprecherin Kathleen Heinrich-Reichow die Verfahrensbeteiligten im Detail ihre Positionen vortragen. Für die AfD wird unter anderem Fraktionschef Berndt die Klage begründen. Prozessbevollmächtigter des Landtages ist Verfassungsrechtler Rainer Wernsmann, Professor an der Universität Passau.
AfD spricht 2022 selbst von einer "Notlage"
Der Termin des Verfahrens so dicht vor Kommunal- und Europawahlen ist brisant, ein Urteil ist es erst recht. Beide Seiten versuchen, politisches Kapital aus dem Prozess zu schlagen. Mehrfach hatten die Koalitionäre, darunter auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD), die AfD aufgefordert, ihre Klage zurückzunehmen - mit dem Argument, die Partei würde den Kommunen in den Rücken fallen. Die AfD wiederum hält die Konstruktion des Haushaltes für willkürlich.
Im Falle eines juristischen Erfolges der AfD könnte es sein, dass im Jahr 2024 noch nicht ausgezahltes Geld aus dem Brandenburg-Paket nicht mehr zur Auszahlung kommt und unter anderem die energetische Sanierung von Krankenhäusern nicht zu Ende geführt wird. Unklar ist auch, vor welchen Fragen dann Kämmerer der Kommunen stehen könnten. Die AfD dürfte einen Erfolg vor einem – vor ihr wiederholt kritisierten – Gericht im Landtagswahlkampf als Trumpf gegen SPD, CDU und Bündnisgrüne nutzen.
Was die AfD nicht erwähnt: Die Landtagsfraktion hatte im Dezember 2022 einen Antrag für Kredit-Ermächtigungen über drei Milliarden Euro vorgelegt - eine Milliarde Euro mehr als im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehen. Auch der AfD-Abgeordnete Andreas Galau begründete dies damals mit dem Vorliegen einer außergewöhnlichen Notsituation.
Droht Haushalts-Chaos wie im Bund?
Im August des vergangenen Jahres war ein Eilantrag der AfD gegen eine Neuverschuldung im Haushaltsgesetz 2023/2024 gescheitert.
Im Dezember 2023 hatte der Brandenburger Landtag mit der Mehrheit von SPD, CDU und Bündnis90/Die Grünen nochmals die Notlage für 2024 festgestellt und Kreditermächtigungen von 1,06 Milliarden Euro bewilligt, unter Hinweis auf die unveränderten Folgen des Krieges Russlands gegen die Ukraine. Hintergrund war die erfolgreiche Klage der CDU gegen den Klima-Haushalt der Bundesregierung. Die chaotische Haushaltslage in den Wochen danach erinnert an die Lage jetzt in Brandenburg.
Die AfD ist auch nicht der einzige Zweifler: Vor allem die Strategie, eine Notlage gleich für mehrere Haushaltsjahre feststellen zu lassen, hatten sowohl beim Landesrechnungshof als auch beim Verfassungsgericht Zweifel geweckt an einer rechtlich einwandfreien Haushaltsgrundlage.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.05.2024, 6 Uhr
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