Rechtsruck bei jungen Menschen - "Es braucht auch Selbstkritik der Erwachsenenwelt"

Do 10.10.24 | 06:10 Uhr
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Symbolbild:Zwei Freundinnen sitzen auf einem Hügel und genießen gemeinsam den Sonnenuntergang im Landkreis Oder-Spree in Ostbrandenburg.(Quelle:picture alliance/dpa/P.Pleul)
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Die Landtagswahlen in Brandenburg haben gezeigt: Rund ein Drittel der jungen Wählerinnen und wähler stimmte für die AfD. Björn Schreiber vom Verein Landesjugendring Brandenburg analysiert im Interview die Gründe dafür.

rbb|24: Herr Schreiber, mit Blick auf die Wahl: Was macht die Generation junger Menschen in Brandenburg besonders?

Björn Schreiber: Junge Menschen sind demographisch gesehen - gerade in Brandenburg - in der Minderheit. Auch wenn sie ab 16 wählen dürfen, sind sie nicht die größte Wahlgruppe und nicht die größte Zielgruppe demokratischer Parteien. Wir sehen das auch in Umfragen. Die Jugendwahlstudie 2024 hat ergeben, dass 41 Prozent der Befragten der Aussage "Ich bin mir sicher, der Regierung sind wir einfachen Menschen egal" zustimmen oder voll zustimmen. Dieser Anstieg in der Frage sollte auch Politikerinnen und Politikern zu denken geben, inwieweit ihr Handeln an die Wünsche und Ziele der Jugendgenerationen zugeschnitten ist.

Sie betonen in Ihrer Wahlanalyse [ljr-brandenburg.de], dass alle zu sehr auf das Drittel schauen, das für die AfD gewählt hat und dabei die anderen zwei Drittel vergessen.

Zum einen ist die gesellschaftliche Sorge berechtigt, dass junge Menschen konservativer bis populistischer werden. Zum anderen vergessen wir dabei zu oft, dass eine Mehrheit junger Menschen hinter dieser Demokratie steht und demokratische Parteien gewählt hat. Sie will die Demokratie unterstützen und mitgestalten. Die steigenden Zahlen im Ehrenamt, die wir in unseren Jugendverbänden sehen, belegen das. Wir müssen im Politischen wie Gesellschaftlichen die unterschiedlichen Positionen von jungen Menschen hören und berücksichtigen. Junge Menschen sind eben keine homogene Masse, sie sind sehr unterschiedlich.

Zur Person

Björn Schreiber, Portraitfoto. (Quelle: photothek media lab)
photothek media lab

Landesjugendring Brandenburg e.V. - Björn Schreiber

Björn Schreiber ist Geschäftsführer beim Landesjugendring Brandenburg e.V., der sich aus Jugendverbänden sowie Stadt- und Kreisjugendringe gegründet hat. Der Interessensverband für junge Menschen setzt sich für demokratische Bildung und eine bessere Jugendarbeit in Brandenburg ein.

Gleichzeitig haben wir bei unseren Recherchen gemerkt, dass sich junge Menschen schwertun, sich über Politik zu äußern und sich in ihrer Meinungsfreiheit bedroht fühlen.

Ja, diese Verunsicherung besteht auf drei Ebenen. Erstens ist da die Dominanz von rechtpolitischen bis rechtsextremen Parteien in den sozialen Medien. Da werden Minderheitenmeinungen gleichwertig mit den Haltungen an der gesellschaftlichen Mehrheit gestellt. Das verunsichert junge Menschen.

Zweitens hören wir von rechtspopulistischen Kräften immer wieder, man dürfe gar nichts mehr sagen, und es gäbe eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Das bleibt nicht ohne Folgen. Wir müssen Jugendlichen deshalb vermittteln, dass es auch Grenzen der Meinungsfreiheit gibt - und die haben wir im Grundgesetz verankert.

Drittens treten Rechtspopulisten betont neutral auf und beschweren sich, dass Pädagogen nicht neutral seien. Dabei müssen diese nicht neutral sein. Wo die freiheitlich-demokratische Grundordnung aufhört, enden jedoch die Grenzen der Neutralität. Gegen jede Aussage, die diese freiheitlich-demokratische Grundordnung mit den Füßen tritt, müssen auch Pädagogen aktiv aufstehen.

In unseren Interviews haben Jugendliche in Brandenburg Narrative aus dem Rechtspopulistischen übernommen, ohne sich dem Lager zuzuordnen, sprechen zum Beispiel von "Altparteien". Wie erklären Sie sich das?

In der schon erwähnten Jugendwahlstudie 2024 haben sich 33 Prozent der Befragten der politischen Mitte zugeordnet. Aber 17 Prozent davon haben die AfD gewählt. Das heißt, wir haben auch eine Normalisierung von rechtspopulistischen Aussagen und wir sollten darüber diskutieren, welche Ursachen das hat.

Zum Beispiel ist die junge Generation aufgewachsen mit einer AfD, die in Landräten und Parlamenten sitzt. Und auch weil das Links-Rechts-Schema der Politik zunehmend aufweicht - wir sehen es an neuen Parteien wie dem Bündnis Sahra Wagenknecht -, nehmen junge Menschen fluidere Meinungen ein. Dazu gehören auch Positionen, die teilweise sogar gegeneinanderstehen und ein diffuseres Bild geben. Das müssen wir aber gesamtgesellschaftlich diskutieren, statt nur auf Jugendliche zu gucken.

Es heißt ja auch, dass junge Erwachsene von einer "Ihr müsst es besser machen"-Haltung erschlagen sind. Zusätzlich zu all den Krisen und Kriegen um sie herum. Was wäre eine gerechtere Haltung gegenüber der jungen Generation?

Die Erwartungshaltung der Erwachsenenwelt an junge Menschen, dass sie eine Kraft für gesellschaftliche Veränderungen sind, ist gar nicht so falsch. Aber ich nehme da eine Doppelmoral wahr. Es braucht auch Selbstkritik der Erwachsenenwelt, was sie selbst ändern kann. Und welche Grundlagen sie schaffen kann, damit Jugendliche die Erwartungshaltung, die an sie gestellt wird, überhaupt erfüllen können. Damit sie selbstbewusst Positionen vertreten können, die spürbar im politischen Diskurs übernommen werden. Schlicht gesagt, damit wir sie berücksichtigen.

Wie schaffen wir das?

Nach der Wahl sind viele progressive Parteien wie die Linken und die Grünen aus dem Landtag geflogen. Als Landesjugendring fordern, dass trotzdem Positionen junger Menschen, die zukunftsgewandt sind, einfließen: Stimmen, die für eine Lösung der Klimakrise sind. Und Stimmen, die für eine jugendgerechte Ausgestaltung unserer Gesellschaft sind.

Die hoffentlich bald zustande kommende Landesregierung soll die Wünsche von jungen Menschen zum zentralen Regierungsziel machen: Mehr Beteiligung, eine bessere finanzielle Ausstattung der Jugendarbeit, eine bessere politische und demokratische Bildung. Und ganz wichtig sind nachhaltige Lösungen für politische Krisen und Probleme, die eben gerade auch zu Lasten einer jungen Generation gehen. Nicht zuletzt fordern wir, dass auch Minderheiten und Minderheitsmeinungen verstärkt gesehen werden. Und wir wünschen uns mithilfe vielfältiger Positionen einen vielfältigen, demokratischen Diskurs.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Martin Schmitz.

54 Kommentare

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  1. 54.

    Könnten sie in Ihren "Überlegungen" möglicherweise mit einbeziehen, das 1983 rechte Parteien nicht wirklich ein Thema im politischen Diskurs waren sondern eher eine "spinnerte Randerscheinung". Ich frage mich auch, ob sie diese Zeit aus eigener Erfahrung kennen oder nur angelesenes Wissen zum Besten geben. Man stelle sich vor, dies war eine Zeit wo N-Küsse, M-Köpfe, Z-Schnitzel u.v.m. zum normalen Sprachgebrauch gehörten und die AfD noch nichtmal Quark im Regal war. Da waren Rastalocken keine kulturelle Aneignung und Winnetou war ein "I....". Vll. sollten Teile der Gesellschaft langsam dazu übergehen wieder etwas lockerer zu werden und verbrämtes Schönsprech einstellen. Die Umschreibung einer Sache ändert nichts an ihrer Grausamkeit. Mit dem Wissen darf man alte Parteien auch als Altparteien bezeichnen.

  2. 53.

    Den öffentlichkeitswirksamen Auftritt wollte ganz klar die rechtsextreme AFD hinlegen. Und dieser war mutmaßlich geplant. Ihre Auffassung der Vorgänge, werter "Steffen", deckt sich dann doch deutlich mit der Darstellung in vielen rechtsextremen Medien...

  3. 52.

    Der Gang vors Landesverfassungsgericht war das letzte Mittel und leider alternativlos, weil Treutler seine Kompetenzen (vermutlich wissentlich und kalkuliert) massiv überschritten hat und damit die parlamentarische Arbeit verhindert hat. Dass Sie natürlich eine andere Sichtweise haben, finde ich nach all Ihren Kommentaren, in denen Sie Rechtsextremismus verharmlosen und relativieren, aber zumindest plausibel...

  4. 51.

    "..ämlich die Änderung(smöglichkeit) der Geschäftsordnung VOR der Wahl des Landtagspräsidenten, wollte der Alterspräsident verhindern" Das ist insoweit korrekt, als das das bisher die gelebte Rechtsauffassung und gelebte parlamentarische Gepflogenheiten sind. Insofern war dies tatsächlich strittig und beide Seiten hatten durchaus Argumente dafür bzw. dagegen. Trotzdem war das Parlament zum Zeitpunkt der Anträge noch gar nicht beschlussfähig. Ein nicht beschlussfähiges Parlament kann aber nicht über Änderungen abstimmen, die in der gültigen, vom vorherigen Parlament selbst festgelegten Sitzungsordnung festgeschrieben sind. Das geht erst, wenn das Parlament konstituiert ist, also die Abstimmungsfähigkeit festgestellt wurde. So lange wollte die CDU aber schlicht nicht warten, weil sie einen öffentlichkeitswirksamen Auftritt hinlegen wollte. Wäre der Antrag direkt vor der Wahl oder nach der gescheiterten Nichtwahl gestellt worden, wäre alles korrekt verlaufen.

  5. 50.

    Es geht nicht darum, ob die AfD hier Opfer war. Ich gehe sogar davon aus, dass sie genau damit gerechnet hat und damit die CDU und das BSW hat in die Falle laufen. Das war durchaus geschickt. Aber sie hat sich an die gültige Geschäftsordnung gehalten und zwar punktgenau. Blamiert und das Parlament somit verächtlich gemacht haben CDU und BSW durch ihr aggressives Agieren, was in dieser Form nie nötig gewesen wäre. Aber man wollte eben unbedingt vors Verfassungsgericht, man wollte genau diese Machtdemonstration. Der intelligente und parlamentarisch korrekte Weg wäre gewesen, der AfD das Vorschlagsrecht zu überlassen, aber einfach sämtliche Kandidaten durchfallen zu lassen. Das war aber nicht spektakulär genug, weil man die Bilder des Eklats haben wollte.
    Die gesamte Sitzung ist im WWW zu finden, ungeschönt und ungeschnitten.

  6. 49.

    Nee, weil die Vorgänge im Thüringer Landtag ausreichend analysiert wurden, Sie die Ergebnisse aber ignorieren oder gar leugnen...

  7. 48.

    Sie wiederholen ständig dieselben Aussagen, ohne sie aber zu belegen. Kann man machen, bringt aber die Diskussion nicht weiter und hat damit auch keinen Sinn, sie fortzuführen. Schönen Tag!

  8. 47.

    "Das Gericht hat der CDU lediglich im Punkt stattgegeben, dass die Geschäftsordnung bereits vor der Wahl eines Landtagspräsidenten geändert werden kann."

    Dieses "Nur" klingt ja recht banal. Doch genau dieser Umstand ist wesentlich. Genau das, nämlich die Änderung(smöglichkeit) der Geschäftsordnung VOR der Wahl des Landtagspräsidenten, wollte der Alterspräsident verhindern. Es sollte unbedingt der Landtagspräsident noch nach der alten Geschäftsordnung gewählt und damit die parteiübergreifende Absprache ad absurdum geführt werden. Denn diese bezog sich auf die Wahl des aktuellen Landtagspräsidenten, nicht aber auf dem in der nächsten Legislaturperiode folgenden.

    Ggf. nur dort, bei Feststellung der Beschlussfähigkeit, hat die CDU zu vorzeitig reagiert.

  9. 46.

    Vor dem Hintergrund, dass die rechtsextreme AFD unsere parlamentarische Demokratie und ihre Institutionen bei jeder Gelegenheit verächtlich macht, wirkt es übrigens etwas zynisch, wenn Sie hier als Anwalt der AFD etwas von parlamentarischem Anstand zu faseln...

  10. 45.

    Einfach unglaublich, wie Sie hier Tatsachen verdrehen und die rechtsextreme AFD zum Opfer stilisieren wollen...

  11. 44.

    Dann bringen Sie doch mal Fakten und Argumente, statt dieser Schwurbelei. Ihre persönliche Empfindung und Meinung ist Ihnen zugestanden, das gehört zur politischen Diskussion dazu und ist daher zu begrüßen. Aber beschriebene Sachverhalte einfach mal so an unwahr zu bezeichnen oder sich dabei auf die persönliche Angriffsebene zu begeben, ist leider keine Diskussionsgrundlage.

  12. 43.

    Haben Sie denn das Urteil des Thüringer Verfassungsgerichtshofs überhaupt mal gelesen? Ganz offensichtlich nicht, sonst würden Sie hier nicht dermaßen daneben argumentieren. Das Gericht hat der CDU lediglich im Punkt stattgegeben, dass die Geschäftsordnung bereits vor der Wahl eines Landtagspräsidenten geändert werden kann. Das ist trotzdem noch nach der Feststellung der Beschlussfähigkeit. Der Rest der Klage wurde abgewiesen. In der berühmt-berüchtigten Sitzung ist man aber nicht mal bis zur Feststellung der Beschlussfähigkeit gekommen, weil der Alterspräsident schon während seiner Eröffnungsrede mehrfach wüst unterbrochen wurde. Was sich die CDU damit geleistet hat, wird ihr künftig noch mächtig auf die Füße fallen, denn es war unnötig, überzogen und ohne jeglichen parlamentarischen Anstand.

  13. 42.

    Aber auch bei Ihnen sehe ich eine Fähigkeitslücke. Und zwar die Fähigkeit, Dinge , die nunmal sind wie sie sind, zu akzeptieren und sich einer Selbstkritik zu unterziehen, mit dem Ziel der Reinigung Ihres Verstandes und Ihres Herzens.

  14. 41.

    Das ist eben der gravierende Unterschied: ob jemand, hier eben Petra Kelly, aus einer leider etwas vorhandenen hist. Unbedarftheit einen Begriff benutzt und er dann bei besserem Wissen darüber parteiseitig nicht mehr benutzt wird oder ob eine Partei den Begriff der Altpartei wider besseren Wissens und trotz aller Hinweise darauf dauerhaft benutzt.

    Mit der zeitübergreifenden Benutzung stellt sich die AfD auf eine Ebene mit den Nationalsozialisten, die programmatisch, plakativ und unüberhörbar von "alter Kraft" und "neuer Kraft" sprachen - sie, die NSDAP. (Von der Annahme eines quasi biologischen deutschen Volkskörpers, der vor Verunreinigung zu schützen sei, mal ganz abgesehen. Das ist der Unterschied zwischen "Volk" als Bevölkerung in ihren UNTERSCHIEDLICHSTEN Teilen und "Volk" als homogenes, was im Widerspruch zum GG steht. Deshalb wäre Af(v)D treffender bezeichnet: Alternative für ein völkisches Deutschland.

  15. 40.

    Dass Sie nicht müde werden, hier regelmäßig Rechtsextremisten zu verteidigen. Und warum sollten wir Ihnen statt dem Landesverfassungsgericht glauben? Die AFD hat die Demokratie am Nasenring durch die Manege führen wollen, und Sie verteidigen das auch noch. Einmal mehr...

  16. 39.

    Im Wiki stehts auch, nur habe ich dort keinen Hinweis auf das Buch in Verbindung mit dem Begriff gefunden. Lediglich im Artikel über Frau Kelly ist das Buch erwähnt, ohne Hinweis auf den Begriff. Auch die Zitatesammlung dort sieht schlecht aus. Vll. sollte man es doch mal lesen. Winterabende können lang sein.

  17. 38.

    Das haben Sie von Wikipedia, gell? Die meisten hier kennen aber Wiki nicht, weil sie sich nur auf TikTok und telegram rumtreiben.

  18. 36.

    Haha jetzt ist schon eine simple Frage verdächtig.
    Wahrscheinlich ist schon Kritik an den alten Parteien zu viel des Guten..

  19. 35.

    Die Jugend wurde und wird nicht ernst genommen. Alle Sorgen, die die öffentlich kundtun, sei es durch Klimastreik oder sonstige Aktionen wird kriminalisiert oder als als antisozial gebrandmarkt. Selbst ein erkämpfter Empfang beim Kanzler endet in Ratlosigkeit. Mit 16 kann man noch keine Partei gründen.

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