Drei-Milliarden-Defizit - Tag der Wahrheit: Berliner Koalition will am Abend Sparpläne festzurren

Mo 18.11.24 | 12:22 Uhr | Von Jan Menzel
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Archivbild:Rathaus der Stadt Berlin und Sitz der Senatskanzlei des Landes Berlin am 05.08.2024.(Quelle:picture alliance/D.Kalker)
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Seit Monaten berät die Koalition in Berlin hinter verschlossenen Türen darüber, wie das Haushaltsloch im nächsten Jahr zu stopfen ist. Nun steht fest, dass kaum ein Bereich verschont bleibt. Letzte Streitpunkte soll der Koalitionsausschuss nun klären. Von Jan Menzel

  • Berliner Senat muss im kommenden Jahr drei Milliarden Euro sparen
  • Koalitionsausschuss berät am Montag, Ergebnis soll am Dienstag verkündet werden
  • Erhebliche Einsparungen vor allem beim ÖPNV und der Kultur
  • Kürzungen im Sozialen weniger erheblich als in anderen Bereichen

Für Illusionen ist ein Finanzsenator schon qua Amt nicht zuständig. Daran hat sich der Christdemokrat Stefan Evers auch gehalten und in den letzten Monaten keinerlei Hoffnung verbreitet, dass der Sparhammer die Stadt vielleicht mit weniger Wucht treffen könnte und sich das Haushaltsloch quasi auf wundersame Weise noch verflüchtigen würde.

"Natürlich wird es Träume geben, die am Horizont zerplatzen. Die muss es geben“, führte der Finanzsenator in der jüngsten Sitzung des Hauptausschusses wortreich aus. Und um zu illustrieren, worum es geht, bemühte Evers auch das Bild eines Baumes, der nun zurückgeschnitten werde, um später wieder kraftvoll auszuschlagen.

"Drei Milliarden Euro atmet man nicht so einfach weg"

Dass Berlins Haushalt hoffnungslos überbucht und künstlich aufgebläht ist, dürfte ihm wie der gesamten Koalition durchaus länger bewusst gewesen sein. Schon als das Zahlenwerk vor anderthalb Jahren vom Senat beschlossen wurde, war klar, dass drei Milliarden Euro an Ausgaben nicht gedeckt sind und nachträglich herausgekürzt werden müssen.

"Das ist kein leichter Weg. Drei Milliarden Euro atmet man nicht so einfach weg“, erklärte der Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) in der Sommerpause. Wegner war es auch, der einen ersten Testballon startete und eine Diskussion darüber auslöste, ob Berlin aus Spargründen auch auf Prestige-Projekte wie die Sanierung der Komischen Oper verzichten müsse.

Große Sorgen im Kultur- und Sozialbereich

Nach Informationen des rbb ist sich die Koalition einig, dass die Opernstiftung im nächsten Jahr 15 Millionen Euro weniger vom Land bekommen soll. Was die Sanierung der Komischen Oper betrifft, so sind zehn Millionen Euro, die für 2025 eingeplant waren, nun erst einmal gestrichen. Aber auch Theater, Museen, Projekte und damit auch die Freie Szene sollen zum Teil erhebliche Sparbeiträge leisten. Insgesamt muss der mit rund 1,1 Milliarden Euro relativ kleine Kulturetat mit voraussichtlichen Kürzungen von 11,6 Prozent besonders viel einsparen.

Mindestens genauso groß wie in der Kultur waren die Befürchtungen im Sozialbereich und hier besonders bei den freien Trägern, die um die Finanzierung von Beratungs- und Betreuungsangeboten bangen. "Dieser Haushalt schwebt wie ein Damoklesschwert über der Stadt. Wenn es der Koalition nicht gelingt, ihren eigenen aufgeblähten Haushalt in den Griff zu bekommen und sinnvoll zu sparen, dann weiß ich nicht, wo wir landen werden. Aber eines ist klar: Dann wird es zu Lasten der Schwächsten und der Armen in dieser Stadt gehen“, so die düstere Prognose von Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch.

Millionen-Streichungen beim Verkehr erwartet

Die Unsicherheit rührt auch daher, dass der Regierende Bürgermeister angekündigt hat, dass es beim Sparen keine "Denkverbote" geben werde. Der Koalitionspartner SPD in Person von Fraktionschef Raed Saleh wiederum hatte versprochen, einen "sozialen Kahlschlag" zu verhindern. "Deswegen werbe ich auch sehr dafür, dass wir nicht das Rasenmäher-Prinzip mit zehn Prozent pro Verwaltung machen, sondern dass wir tatsächlich gucken, wo können wir strukturell einsparen können", sagte Bausenator Christian Gaebler (SPD) kürzlich nach der Senatssitzung.

Dass Schwarz-Rot Schwerpunkte gesetzt hat, wird am Etat von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) besonders deutlich. Sie muss "nur" rund 75 Millionen zu den Einsparungen beisteuern. Das entspricht lediglich 3,8 Prozent ihres Budgets im kommenden Jahr. Entsprechend mehr müssen andere Senatsverwaltungen beitragen, um das Haushaltsloch zu stopfen.

Wie erwartet trifft es die großen Ausgabe-Blöcke des Landes im Bildungs- und vor allem den Verkehrsbereich besonders hart. Gerade die Ausgaben für Verkehrswende, Umwelt-, und Klimaschutz waren in den vergangenen Jahren unter grünen Senatorinnen stark angewachsen. Schwarz-Rot streicht hier jetzt hunderte Millionen Euro für Busse, Bahnen und Radwege zusammen.

Damit sind die ehrgeizigen Pläne der BVG, ihre Busse bis 2030 komplett zu elektrifizieren, fürs erste ausgebremst. Das Aus für das 29-Euro-Ticket sickerte schon am Montagmittag durch. Zuletzt tauchte noch die Variante auf, dass es doch gerettet werden könnte, wenn der Preis auf 39 Euro steigt. Die größtmögliche Entlastung von 300 Millionen Euro brächte aber das vollständige Ticket-Aus.

Sozialticket wird wohl teurer, Wohnraumförderung sink deutlich

Klar ist dagegen, dass das bisher mit neun Euro sehr günstige Sozialticket teurer wird. 19 Euro wäre ein möglicher Kompromisspreis der Koalitionspartner, aber auch 29 Euro finden sich als Variante in den Kalkulationen von CDU und SPD. Beim kostenlosen Schülerticket soll es dagegen bleiben. Dieses Angebot war der SPD besonders wichtig.

Um etwa 150 Millionen absenken will die Koalition die Wohnraumförderung im Landeshaushalt. Als Kompensation sollen Bürgschaften und Darlehen gewährt werden. Hier dürfte die landeseigene Investitionsbank IBB ins Spiel kommen. Relevante Abstriche soll es bei der Wirtschaftsförderung und der Digitalisierung geben. So ist eine Halbierung der Mittel für die E-Akte um 20 Millionen Euro geplant.

Unstrittig war zwischen den Koalitionspartnern, dass Berlin neben den Kürzungen auch seine Einnahmen verbessern muss. Eine Anhebung der Vergnügungssteuer von 20 auf 25 Prozent könnte schätzungsweise neun Millionen Euro einbringen. Von einer Erhöhung der Zweitwohnsteuer erhoffen sich CDU und SPD zehn Millionen Euro zusätzlich.

Weitere Optionen sind eine höhere Übernachtungssteuer, die Anhebung der Grunderwerbsteuer oder höhere Parkgebühren, insbesondere für Anwohner-Vignetten. Die finale Entscheidung über beides - Steuererhöhungen als auch Kürzungen - soll der Koalitionsausschuss am Montag Abend treffen.

Sendung: rbb24, 17.11.2024, 21:45 Uhr

Beitrag von Jan Menzel

Kommentar

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61 Kommentare

  1. 61.

    Ick sach ma: Erst abwarten, wat rauskommt, denn meckern. Spart Zeit. Nur so als Tipp.

  2. 59.

    Wiederum bestätigen Sie Ihre geringen Kenntnisse. Hertha hat die Kohle überwiegend für untaugliche Spielertransfers verbraten. Ferner ist es völlig egal, ob privates oder öffentliches Geld in disfunktionalen Strukturen verheizt wird - das Prinzip ist das gleiche.

  3. 58.

    Es geht nicht generell darum keine Busse zu kaufen.
    Sondern sie müssen wirtschaftlich sein. Und genau hier hatten die Grünen vollkommen die Augen verschlossen.
    Wenn Batteriebusse über 10 Jahre mehrfach teuer sind als Dieselbusse, dann hätten diese nicht gekauft werden dürfen.

  4. 55.

    Wie wäre es wenn die Senatsmitglieder mal bei sich anfangen zu sparen und ihre Diäten mal halbieren würden, wäre doch gut um mit gutem Beispiel voran zu gehen.
    Danach könnte man auch begründen wieso man Geld einsparen muss.

  5. 54.

    Nun sind wir in den Nachrichten immerhin den Schritt weiter, lesen zu können, dass die Etatlücke mit eingeplant wurde. Andererseits sollte diese gemäß rbb-Berichterstattung von 2023 mit Rücklagen der Stadt Berlin ausgeglichen werden. Was ist mit diesem Ansatz passiert?

  6. 53.

    „In wirtschaftlich schwachen Zeiten als Staat zu sparen ist falsch“
    Es wird nicht gespart. Jedenfalls im Sinne des Wortes. Denn dann würden Schulden abgebaut werden können.
    Und,
    wenn von einer Milliarde Euro 1000€ nicht zu Verfügung stehen, dann ist der Topf etwas kleiner aber gespart wird nicht. Auch ist es dann kein sozialer Kahlschlag. Das wäre etwas ganz anderes...

  7. 52.

    "Mit dem Anwohnerparkausweis parkt man aktuell für nicht mal 3 Cent pro Tag." ist doch angemessen, ging früher schließlich auch ganz ohne.
    Würde auch 5 Cent pro Tag füf den ÖPNV berappen.
    Ach und was waren das noch für Zeiten wo ein Döner maximal 4 D-Mark kostete, gar noch zur Jahrtausendwende!

  8. 51.

    Das wird jetzt mal eben so hopplahopp beschlossen? Das ist also die tolle Demokratie?

  9. 50.

    da hier privates Geld verbraten wurde. Und verbraten ist auch das falsche Wort, es wurden überwiegend Schulden und Hypotheken bedient.

  10. 49.

    Es ist ein Irrweg, die Beschaffung neuer Busse zu streichen. Der bessere Ansatz ist es IMHO, Berliner Sonderwege entfallen zu lassen.

  11. 48.

    Wieder einmal fehlen in dem Artikel grundlegende Informationen. Wie hoch sind die Einnahmen und wie viel soll der Haushalt betragen? Wie verhält es sich im Verhältnis zu den letzten Jahren? Sind die Einnahmen gesunken oder die Ausgaben gestiegen?

    Vor einigen Jahren konnte Berlin noch Schulden abtragen.

    In wirtschaftlich schwachen Zeiten als Staat zu sparen ist falsch.

  12. 47.

    jeden Monat hart am Dispolimit zu leben, aber eben nicht unmöglich, wie von ihnen propagiert. Aber das ist auch nicht das Thema des Artikels.

  13. 45.

    Es ist alles eine Frage dessen, was man glaubt, dass einen glücklich macht und was nicht und natürlich auch eine Frage der Anspruchshaltung. Ich kann mit weniger Geld leben und bin glücklich. Sind Sie es auch?

  14. 44.

    Das wirklich Dumme ist, dass sich für jedes Ressort und jedes Projekt ganz sicher mind. 10 gute Argumente finden, warum gerade dort nicht gespart werden kann. Doch die langjährig bewährte Methode, schwelenden Konflikten einfach mit Geld auszuweichen, ist am Ende.
    Und das beste Beispiel dafür, dass selbst Unsummen an Geld keine strukturellen Fehlentwicklungen auflösen, finden wir direkt vor der Haustür - Hertha BSC.

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