Anmietung erneut vertagt - Geplante Flüchtlingsunterkunft im Westend droht zu scheitern

Mi 11.12.24 | 11:22 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Symolbild: Wartebereich für Geflüchtete auf dem ehemaligen Flughafengelände Berlin Tegel. Ukrainische Kriegsflüchtlinge werden nach dem Koenigsberger Schluessel auf die Bundeslaender verteilt am 01.04.202. (Quelle: picture alliance/Caro/Trappe)
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Audio: rbb24 Inforadio | 11.12.2024 | Jonas Ziegler/Ute Schuhmacher | Bild: picture alliance/Caro/Trappe

In der Soorstraße im Berliner Westend soll ein leerstehendes Bürogebäude zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden. Die Entscheidung über die Anmietung ist nun aber erneut verschoben worden. Wie es weitergehen wird, ist unklar. Von Sebastian Schöbel

Der Aufbau einer neuen Unterkunft für Geflüchtete im Berliner Westend droht zu scheitern. Wie der rbb aus Kreisen der schwarz-roten Koalition erfuhr, wird der Hauptausschuss am Mittwoch nicht wie geplant über die Anmietung eines leerstehenden Bürokomplexes in der Soorstraße entscheiden. Eine entsprechende Vorlage wurde erneut vertagt und kann damit frühestens im neuen Jahr behandelt werden.

In einem Schreiben, das dem rbb vorliegt, hat ein Anwalt der beiden Gebäudeeigentümer jedoch schon erklärt, dass damit das gesamte Geschäft scheitern könne. Das Gebäude gehört zu 60 Prozent dem Immobilienentwickler Aroundtown und zu 40 Prozent einem südkoreanischen Unternehmen. Ob letzteres bereit für neue Verhandlungen ist, sei "völlig offen und kann von unserer Seite nicht gewährleistet werden", heißt es in dem Schreiben.

Streit zwischen CDU und SPD

Das Bürogebäude in der Soorstraße 80-82 sollte laut Plänen der SPD-geführten Sozialverwaltung zu einer Flüchtlingsunterkunft mit rund 950 Plätzen umgebaut und ab 1. Januar 2026 zehn Jahre lange genutzt werden. Ziel von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) ist es, mit dieser und weiteren dezentralen Unterkünften in ganz Berlin die Zeltstadt auf dem Gelände des früheren Flughafens Tegel langfristig abbauen zu können. Das aber stößt beim Koalitionspartner CDU immer wieder auf Ablehnung. Die Kapazitäten in Tegel werde Berlin "auf gar keinen Fall abbauen können", hatte CDU-Fraktionschef Dirk Stettner dem rbb gesagt: "Wir werden nicht 30, 40, 50 weitere Unterkünfte auf das Stadtgebiet verteilen." Kiziltepe kritisierte auf rbb-Nachfrage den Kurs des Koalitionspartners: "Aus den Augen, aus dem Sinn ist keine verantwortungsvolle Politik. Das führt dazu, dass wir die Menschen nicht gut integrieren können."

Zunächst waren in der Soorstraße bis zu 1.500 Plätze geplant. Die CDU schlug eine Reduzierung der Plätze und eine Mischnutzung mit Wohnungen für Studierende vor. Kiziltepes Verwaltung passte die Pläne entsprechend an. Die Kosten des Projekts wurden auf insgesamt knapp 160 Millionen Euro bis 2035 geschätzt, zuzüglich der Umbaukosten von rund 30 Millionen Euro. Laut internen Unterlagen, die dem rbb vorliegen, hätten die monatlichen Kosten bei rund 1,2 Millionen Euro gelegen - so viel, wie die Großunterkunft in Tegel laut Senatsangaben pro Tag kostet.

Medialer und lokaler Widerstand gegen Unterkunft

Eine Anwohnerinitiative und mehrere Boulevardmedien, darunter die rechtspopulistische Nachrichtenwebseite von Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, hatten gegen das Projekt mobil gemacht. Die Initiative bezeichnete die Unterkunft als unwirtschaftlich, schlecht für die Integration und verwies auf die hohe Belastung des Westends bei der Unterbringung von Geflüchteten.

Laut Angaben des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf beherbergt das Westend aktuell circa 352 Menschen in Unterkünften. Berlinweit bringt der Bezirk knapp sieben Prozent aller Geflüchteten unter - in nur vier Bezirken ist die Zahl niedriger. Lichtenberg, wo gerade erst eine neue Unterkunft mit mehr als 1.000 Plätzen eröffnet hat, sowie Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Tempelhof-Schöneberg beherbergen gemeinsam mehr als die Hälfte aller Geflüchteten in Berlin. Vor allem die Ost-Bezirke Berlins beschweren sich immer wieder darüber, die Hauptlast bei der Unterbringung der Geflüchteten tragen zu müssen. Im Westend plant die Sozialverwaltung in den kommenden Jahren rund 3.000 weitere Unterkunftsplätze, von denen die Unterkunft in der Soorstraße allerdings fast die Hälfte ausgemacht hätte.

Sendung: rbb24 Inforadio, 11.12.2024, 14:00 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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14 Kommentare

  1. 14.

    Ich arbeitete in dem Gebäude in der Soorstrasse und kann mir gar nicht vorstellen wie das innen umgebaut werden muss damit man da wohnen kann. Und warum muss das ganze dann Miettechnisch ins unermessliche steigen? Wer profitiert denn davon? Nicht die Westender und wahrscheinlich die dort einziehen erst Recht nicht. Und für alles Böse die AFD zu nennen ist undemokratisch

  2. 13.

    Man ist noch lange nicht Empathielos oder Ich bezogen, nur weil man sich freut das in seinem Umfeld kein Flüchtlingesheim gebaut wird! Ekelhaft, ist ihr Kommentar fremden Menschen gegenüber!

  3. 12.

    Für die Menschen in Tegel, aber auch für Berlin ist das eine Katastrophe. In Tegel leben14 Menschen auf 12 Quadratmeter-Abteilen mit Zeltplanen getrennt von den anderen 400 Menschen in einem Zelt. Das ist das absolute Gegenteil von Integration, fördert Sucht- und psychische Erkrankungen und sorgt dafür, dass von ihnen keiner einen Job findet oder Deutsch lernt. Ein großes Bürogebäude mit 950 Menschen in einem funktionierenden Stadtteil mit Privatsphäre, und zusätzlichen Begegnungsräumen wäre nicht nur für die Menschen allemal besser, auch für die Stadt - denn mit den Folgen der inhumanen Unterbringung in Tegel und dem Hangar in Tempelhof werden alle Berliner:innen lange zu tun haben.

  4. 11.

    Müssen alle, die berechtigte Einwände haben, AfDler sein?
    Dann müssten es ja über 63% der Bevölkerung der BRD sein, die Prozentzahl, die die Einwanderungspolitik als verfehlt ansehen und eine Änderung wünschen.
    Wenn Sie das in Ihrem Wolkenkuckucksheim anders sehen, bleibt Ihnen gelassen.
    Ich wohne zwar nicht in der Soorstraße, aber wir am Schlosspark Niederschönhausen kämpfen auf für die Verhinderung einer Flüchtlingsunterkunft mit in einem Wohngebiet.

  5. 10.

    Im elitären Westend möchte man also keinen sozialen Beitrag leisten.
    Interessant.
    Warum wundert mich dieses St. Florian - Prinzip gerade aus jener schwarzen Hochburg nicht?

  6. 9.

    Es ist sicherlich nicht sinnvoll, Anwohner, die Bedenken bei solcher Einrichtung haben, zu empathielosen Nazies zu machen. Genau das ist doch das Problem, dass es keinen differenzierten Diskurs beim Thema Migration gibt, wenn nur die AFD das Thema in ihrer radikalen Art aufgreift.

  7. 7.

    Wat denn für ,,Ängste der Anwohner''? Hä?Wat is mit den Ängsten dieser geflüchteten? Bist Du schonmal über mehrere Länder geflohen? uck Dir mal das Mädchen auf dem Foto an. Und vielleicht, wenn die Russen doch wieder kommen, wirst auch Du zum Geflüchteten!?

  8. 6.

    Wo Herr Drecoll RECHT hat, hat er RECHT! Diese sogenannte ,,AfD'', hat da nichts zu suchen, weil sie die Verursacher des größten Verbrechens der Menschheitsgeschichte als Vorbild hat. Und sie bezeichnen ja auch diese Zeit als ,,Fliegenschiss in der Geschichte der Menschheit''! Nicht zu fassen, daß wir in Deutschland solche Neuen Nazis haben.

  9. 5.

    Machen Sie einfach mal einen Sonntagsspaziergang im schönen Westend, aber bitte nicht mit GoogleMaps. Die Anwort auf Ihre Frage beginnt bereits in der Soorstraße - auf der gegenüberliegenden Straßenseite des Gebäudes und umfasst auch den Bereich vom Spandauer Damm bis rüber zur Heerstraße.

  10. 4.

    Eine gute Nachricht für uns Anwohner.

  11. 1.

    Und wieder stellt sich die Frage, warum in einem Westbezirk die Sorgen und Ängste der Anwohner erhört wurden, dagegen in Lichtenberg diese völlig uninteressant für den Senat sind und das Projekt der riesigen Flüchtlingsunterkunft an der Landsberger Allee ohne Sinn und Verstand durchgezogen wird. Gleiches Recht für alle - oder doch nicht ????

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