Anmietung erneut vertagt - Geplante Flüchtlingsunterkunft im Westend droht zu scheitern
In der Soorstraße im Berliner Westend soll ein leerstehendes Bürogebäude zur Flüchtlingsunterkunft umgebaut werden. Die Entscheidung über die Anmietung ist nun aber erneut verschoben worden. Wie es weitergehen wird, ist unklar. Von Sebastian Schöbel
Der Aufbau einer neuen Unterkunft für Geflüchtete im Berliner Westend droht zu scheitern. Wie der rbb aus Kreisen der schwarz-roten Koalition erfuhr, wird der Hauptausschuss am Mittwoch nicht wie geplant über die Anmietung eines leerstehenden Bürokomplexes in der Soorstraße entscheiden. Eine entsprechende Vorlage wurde erneut vertagt und kann damit frühestens im neuen Jahr behandelt werden.
In einem Schreiben, das dem rbb vorliegt, hat ein Anwalt der beiden Gebäudeeigentümer jedoch schon erklärt, dass damit das gesamte Geschäft scheitern könne. Das Gebäude gehört zu 60 Prozent dem Immobilienentwickler Aroundtown und zu 40 Prozent einem südkoreanischen Unternehmen. Ob letzteres bereit für neue Verhandlungen ist, sei "völlig offen und kann von unserer Seite nicht gewährleistet werden", heißt es in dem Schreiben.
Streit zwischen CDU und SPD
Das Bürogebäude in der Soorstraße 80-82 sollte laut Plänen der SPD-geführten Sozialverwaltung zu einer Flüchtlingsunterkunft mit rund 950 Plätzen umgebaut und ab 1. Januar 2026 zehn Jahre lange genutzt werden. Ziel von Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) ist es, mit dieser und weiteren dezentralen Unterkünften in ganz Berlin die Zeltstadt auf dem Gelände des früheren Flughafens Tegel langfristig abbauen zu können. Das aber stößt beim Koalitionspartner CDU immer wieder auf Ablehnung. Die Kapazitäten in Tegel werde Berlin "auf gar keinen Fall abbauen können", hatte CDU-Fraktionschef Dirk Stettner dem rbb gesagt: "Wir werden nicht 30, 40, 50 weitere Unterkünfte auf das Stadtgebiet verteilen." Kiziltepe kritisierte auf rbb-Nachfrage den Kurs des Koalitionspartners: "Aus den Augen, aus dem Sinn ist keine verantwortungsvolle Politik. Das führt dazu, dass wir die Menschen nicht gut integrieren können."
Zunächst waren in der Soorstraße bis zu 1.500 Plätze geplant. Die CDU schlug eine Reduzierung der Plätze und eine Mischnutzung mit Wohnungen für Studierende vor. Kiziltepes Verwaltung passte die Pläne entsprechend an. Die Kosten des Projekts wurden auf insgesamt knapp 160 Millionen Euro bis 2035 geschätzt, zuzüglich der Umbaukosten von rund 30 Millionen Euro. Laut internen Unterlagen, die dem rbb vorliegen, hätten die monatlichen Kosten bei rund 1,2 Millionen Euro gelegen - so viel, wie die Großunterkunft in Tegel laut Senatsangaben pro Tag kostet.
Medialer und lokaler Widerstand gegen Unterkunft
Eine Anwohnerinitiative und mehrere Boulevardmedien, darunter die rechtspopulistische Nachrichtenwebseite von Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt, hatten gegen das Projekt mobil gemacht. Die Initiative bezeichnete die Unterkunft als unwirtschaftlich, schlecht für die Integration und verwies auf die hohe Belastung des Westends bei der Unterbringung von Geflüchteten.
Laut Angaben des Bezirks Charlottenburg-Wilmersdorf beherbergt das Westend aktuell circa 352 Menschen in Unterkünften. Berlinweit bringt der Bezirk knapp sieben Prozent aller Geflüchteten unter - in nur vier Bezirken ist die Zahl niedriger. Lichtenberg, wo gerade erst eine neue Unterkunft mit mehr als 1.000 Plätzen eröffnet hat, sowie Marzahn-Hellersdorf, Pankow und Tempelhof-Schöneberg beherbergen gemeinsam mehr als die Hälfte aller Geflüchteten in Berlin. Vor allem die Ost-Bezirke Berlins beschweren sich immer wieder darüber, die Hauptlast bei der Unterbringung der Geflüchteten tragen zu müssen. Im Westend plant die Sozialverwaltung in den kommenden Jahren rund 3.000 weitere Unterkunftsplätze, von denen die Unterkunft in der Soorstraße allerdings fast die Hälfte ausgemacht hätte.
Sendung: rbb24 Inforadio, 11.12.2024, 14:00 Uhr