Interview | Ex-Hertha-Manager Dieter Hoeneß wird 70 - "Als wir gestartet sind, war der Verein völlig am Boden"

Sa 07.01.23 | 17:04 Uhr
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Dieter Hoeneß bei einem Bundesliga-Spiel des VfB Stuttgart. (Bild: IMAGO / Sportfoto Rudel)
Audio: rbb24 Inforadio | 07.01.2022 | Thomas Kroh | Bild: IMAGO / Sportfoto Rudel

Dieter Hoeneß feiert am Samstag seinen 70. Geburtstag. Im rbb|24-Interview spricht er über seine Zeit als Manager bei Hertha BSC, die unglückliche Liaison mit Investor Lars Windhorst - und Präsident Kay Bernstein, den er einst als Ultra kennenlernte.

Wie geht es Ihnen?

Mir geht es gut. Ich habe den Tag im Kreise der Familie bereits genossen. Jetzt bin ich auf dem Weg zum Tegernsee, dort machen wir eine kleine Feier mit Freunden und Familie. Darauf freue ich mich sehr.

Wie oft haben Sie Ihren Geburtstag ohne Schnee gefeiert?

Nicht sehr oft. Meistens war ich um diese Jahreszeit in Kitzbühel, da lag eigentlich immer Schnee. Dieses Jahr ist das alles nur grüne Wiese, bis auf die präparierten Pisten. Das sieht schon ein bisschen trostlos aus, wobei heute wirklich Kaiserwetter ist, dann ist auch der wenige Schnee zu ertragen.

Ab und zu sieht man Sie auf der Ehrentribüne des FC Bayern München – welche Rolle spielt der Fußball noch in Ihrem Leben?

Insofern, als dass ich ja zwei Agenturen habe, zwei kleine Firmen. Ich bin im wahrsten Sinne des Wortes noch am Ball, der Fußball spielt schon noch eine Rolle bei mir. Natürlich genieße ich die Heimspiele vom FC Bayern, weil es einfach ein toller Fußball ist, den man dort sehen kann. Das lasse ich mir nicht entgehen, wenn es zeitlich passt.

Der Verein war völlig am Boden, es war null Substanz da.

Dieter Hoeneß über den Beginn seiner Zeit bei Hertha BSC

Sie waren zwölf Jahre lang Chef bei Hertha BSC. Aus heutiger Sicht muss man beinahe von einer goldenen Ära sprechen. Es gab viele Erfolge, das Ende war nicht ganz so schön. Wie blicken Sie heute auf Ihre Zeit in Berlin?

Ich kann das nur bestätigen. Ich glaube, mittlerweile hat wirklich jeder auch verstanden, dass es wirklich eine erfolgreiche Zeit war. Es war nicht einfach, weil wir mit ganz anderen Bedingungen gestartet sind. Der Verein war völlig am Boden, es war null Substanz da. Die Jugend-Mannschaften mussten über ganz Berlin zerstreut trainieren und ihre Spiele absolvieren. Es war wirkliche Basisarbeit notwendig. Es ist uns gelungen, ein Team aufzubauen, das in der Bundesliga konkurrenzfähig war und regelmäßig um die internationalen Plätze mitgespielt hat. Ich schaue mit Stolz und auch viel Freude auf diese Zeit zurück. Das Ende war nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte, weil ich der Meinung bin, dass ich nach zwölfeinhalb Jahren einen anderen Abschied verdient gehabt hätte. Das stört mich heute aber nicht mehr, das ist längst Vergangenheit.

Was war in den Jahren bei Hertha Ihre beste Entscheidung? Und welche bereuen sie?

Das kann man nicht so einfach sagen. Ich glaube auch, dass vieles gelungen ist. Natürlich gibt es auch mal Flops - wenn man Entscheidungen trifft, gibt es auch Fehlentscheidungen. Im Nachhinein war die Entscheidung, Huub Stevens zu holen, kein Fehler, weil er kein schlechter Trainer ist. Im Gegenteil, ein fantastischer Mann. Er kam aber aus Schalke, ich habe einfach unterschätzt, dass er bei den Fans gar keinen Kredit haben würde. Das hat ihm das Leben schwer gemacht, trotzdem hat er es geschafft, das internationale Geschäft zu erreichen. Im Übrigen haben alle Trainer, die ich geholt habe, mindestens ein Mal im Europapokal gespielt.

Kay Bernstein haben Sie bereits Ende der 90er Jahre als Ultra kennengelernt. Nun ist er der Präsident von Hertha BSC. Wie finden Sie das?

Zunächst muss ich sagen, dass ich den wirklich kennengelernt habe. Dem habe ich abgenommen, dass er Hertha-Fan ist. Ich bin der Meinung, dass er es gut hinbekommen hat, es trotz weniger sportlicher Erfolge, eine Einheit herzustellen. Das ist dringend notwendig, denn sonst wäre alles noch bedenklicher. Ich finde, dass man ihm eine faire Chance geben muss. Man wird sehen, ob er diese Herausforderung bestehen wird.

So viel Geld in einen Verein zu pumpen und gleichzeitig nichts zu sagen zu haben, da muss man ein wenig blauäugig sein.

Dieter Hoeneß über Lars Windhorst

Sie haben es angedeutet, Hertha BSC steckt erneut in sportlichen und finanziellen Schwierigkeiten. 374 Millionen Euro an Investorengeldern sind weg. In den vergangenen drei Jahren hat man knapp 200 Millionen Euro an Schulden gemacht. Wie beurteilen Sie das Kapitel von Investor Lars Windhorst?

Das ist ein abendfüllendes Thema. Es ist schwierig, das in zwei bis drei Sätzen zusammenzufassen. Da sind von Beginn an viele Dinge schiefgelaufen. Einerseits auf Seiten des Investors, denn so viel Geld in einen Verein zu pumpen und gleichzeitig nichts zu sagen zu haben, da muss man ein wenig blauäugig sein. Das habe ich in der Form noch nie erlebt. Andererseits muss man ihn natürlich auch verstehen. Er hat danach gemerkt, dass es ein Fehler war und hat versucht, es zu korrigieren. Ich finde, dass er da vielleicht auch nicht vernünftig behandelt worden ist.

Apropos "abendfüllendes Thema": Lassen Sie uns noch kurz über die Weltmeisterschaft und das deutsche Abschneiden sprechen. Die Gebrüder Hoeneß, zwei Fußballer von Weltruf, gucken sich die deutsche Nationalmannschaft bei dieser WM an. Was fällt Ihnen dazu ein?

Zunächst fällt mir eins ein: die gesamte Vorberichterstattung zu dieser WM fand ich wirklich nicht gut. Menschenrechte, Homophobie etc. sind natürlich Themen, zu denen man eine Haltung haben muss. Wenn man dann aber zur WM fährt, müssen diese Themen beendet sein, weil das einfach nichts bringt. Ich fand, dass die Mannschaft hierzu überfrachtet wurde. Die Vergabe dieser WM ist höchst fragwürdig, aber sie ist nun einmal vergeben worden. Die Mannschaft ist dann mit Themen belastet worden, die nicht in Ordnung sind. Natürlich sind noch weitere Dinge dazugekommen, beispielsweise dass Hansi Flick kein besonders glückliches Händchen hatte. Die Bewertungen der Spieler fand ich auch eigenartig. Das 1:1 gegen Spanien wurde so gefeiert, obwohl ein anderes Ergebnis im Parallelspiel gereicht hätte, bereits da auszuscheiden. Ich war schon sehr enttäuscht.

Was macht Hoffnung?

Ich bin absolut sicher, dass wir in eineinhalb Jahren eine bessere Figur abgeben werden. Es ist natürlich wichtig, wieder Individualisten auszubilden, insbesondere in der Sturmmitte. Es braucht auch wieder richtige defensive Außenbahnspieler und die richtige Mischung im Abwehrzentrum. Das Potenzial ist aber da, wir haben mit beispielsweise Jamal Musiala erstklassige Kicker für die Zukunft. Da mache ich mir keine Sorgen. Jetzt müssen sie mit dem neugeschaffenen Gremium die Weichen so stellen, dass wieder erfolgreicher Fußball gespielt wird.

Wieso gibt es in Ihren Augen so wenig deutsche Mittelstürmer von internationalem Format?

Das 'Warum' ist relativ leicht zu erklären. Pep Guardiola hat beim FC Barcelona mit dem Tiki-Taka einen neuen Stil geprägt. Dabei hat er auf einen klaren Mittelstürmer verzichtet - wenn ich Lionel Messi habe, brauche ich auch keinen. Wenn ich den jedoch nicht habe, brauche ich einen Zielspieler in der Mitte. Guardiola selbst wurde belehrt, nun hat er Erling Haaland geholt. Joachim Löw ist der Fehler unterlaufen, nicht mehr auf den klassischen Mittelstürmer zu setzen. Ich bin aber überzeugt, dass das wieder kommen wird. Mit Niclas Füllkrug werden wir diese Zeit überbrücken. Er ist zwar kein Überflieger, aber er zeigt, was möglich ist, wenn man bei all den guten Vorbereitern im Team auch jemanden hat, der die Mitte besetzt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Thomas Kroh.

Sendung: rbb|24 inforadio, 07.01.2022, 17.15 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Der Verein ist nicht nur am Boden, jetzt ist er sogar noch ein Stück tiefer.

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