Neue Bundesliga-Saison - Was Union Berlin für den Angriff plant
Oliver Ruhnert baut in diesem Sommer Teile des 1. FC Union um. Die Eisernen sollen endlich auch im Angriff glänzen. Der Geschäftsführer Sport setzt dabei auf ein einfaches Erfolgsrezept der letzten Jahre. Von Till Oppermann
Manchmal sind vermeintliche Wunder ganz einfach zu erklären. Der 1. FC Union ist so ein Fall. Champions League vier Jahre nach dem Aufstieg, wie geht das denn? Blöde Frage: Union macht aus wenig viel. Natürlich könnte man über den Weg der Köpenicker ganze Bücher schreiben. Aber warum sollte man, wenn dieser kurze Satz mit fünf Wörtern irgendwie zu allem passt, was in den letzten vier Jahren im Berliner Südosten passiert ist?
Vergleichsweise wenige Zuschauer sorgen in der Alten Försterei für außergewöhnliche Stimmung. Der 1. FC Union holte in seinen ersten vier Bundesligajahren konstant die meisten Punkte pro eingesetztem Euro. Und in der letzten Saison reichte der mit 51 Toren nur neuntbeste Angriff für den vierten Platz. Um nur drei Beispiele zu nennen. Zumindest das mit den Toren soll sich jetzt aber ändern: Die jüngsten drei Neuzugänge der Eisernen waren allesamt Offensivspieler.
Leihen als finanzielle Notwendigkeit
Mit ihrer Hilfe will Geschäftsführer Oliver Ruhnert weiter aus wenig viel machen. Stürmer Mikkel Kaufmann kam für 2,7 Millionen und kennt den deutschen Fußball bisher nur aus der zweiten Liga. Angreifer David Datro Fofana und der offensive Mittelfeldspieler Brenden Aaronson wurden für ein Jahr ausgeliehen, jeweils ohne vertraglich festgelegte Kaufoption.
Obwohl Union jetzt in der Bundesliga-Fernsehgeldtabelle zu den Großen gehört und im lukrativsten Klubwettbewerb der Welt spielen darf, bleibt Ruhnert weiterhin einer Köpenicker Lieblingsbeschäftigung treu: der Tiefstapelei. "Im Vergleich zu den anderen Teams, die schon länger Champions League spielen, sind wir eine kleine Nummer", sagt er. Man könne deshalb gar nicht anders, als mit Leihen zu arbeiten.
Union kommt so günstig an Qualität, die sonst schwer bezahlbar wäre und sichert sich gleichzeitig für eine Zukunft ohne Champions League ab. Sollte sich Union nicht erneut für die Champions League qualifizieren, ist das Gehaltsniveau des Kaders nicht ungesund angehoben. Da ist es zu verkraften, dass die Eisernen nicht finanziell von der Entwicklung von Fofana und Aaronson profitieren werden.
Union will sich spielerisch verbessern
Ruhnert steht in dieser Transferphase vor der schwierigen Aufgabe, eine der besten Defensiven der Liga beisammenzuhalten und gleichzeitig die Möglichkeiten der Offensive merklich zu verbessern. Mit Aaronson, Fofana und Kaufmann sind die Transferplanungen im Angriff wohl noch nicht abgeschlossen. Der 1. FC Union will endlich die letzte große Schwäche im eigenen Spiel beseitigen.
Denn insbesondere gegen tiefstehende Gegner spielten die Eisernen alles andere als auf Champions League-Niveau. Oft wurde der Ball in solchen Fällen ratlos in einem Halbkreis vor dem Strafraum von Seitenlinie zu Seitenlinie gespielt. Die Lösung sehen die Eisernen offenbar in besseren Einzelspielern, die neue Facetten in den Kader bringen.
Die Offensive wird flexibler
"Er ist ein Spielertyp, den wir nicht haben, der unserem Offensivspiel gut tun wird", sagte Ruhnert bei der Begrüßung von Aaronson und spielte damit auf dessen Qualitäten im Dribbling an, die dem Amerikaner den Spitznamen "Medford Messi" eingebracht haben. Bei Kaufmann und Fofana betonte Ruhnert, wie flexibel beide im Angriff einsetzbar seien. Alle drei Neuzugänge können sowohl zentral als auch auf dem Flügel spielen.
Seit dem Abgang von Max Kruse vor anderthalb Jahren stellte sich der Union-Angriff oft von allein auf. Neben dem agilen Sheraldo Becker diente ein großer und wuchtiger Stürmer wie Jordan oder Kevin Behrens als Fixpunkt und Ziel für lange Bälle. "Keilspitze" nennt Oliver Ruhnert das und traut diese Rolle auch dem 1,90 großen Kaufmann zu.
Allerdings bringt der Däne noch mehr mit: Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten auf der Position ist Kaufmann schnell und kann mit Tiefenläufen Unruhe stiften. Außerdem geht er gerne ins Eins-gegen-eins, wie er vor seinem Tor im letzten Testspiel in Ungarn zeigte, als er seinen Gegenspieler mit einer Finte stehen ließ.
Auch Fofana und Aaronson sind schnell und dribbelstark: Mit den drei Neuen sind deutlich mehr verschiedene Varianten der Aufstellung möglich – etwa ein System mit zwei flinken Stürmern oder ein Mittelfeld in dem zwei Sechser einen Zehner Aaronson absichern, der sich zwischen den Linien bewegen soll. In dieser Rolle machte Kruse seine besten Spiele bei Union.
Planungen noch nicht abgeschlossen
Sollte Sheraldo Becker also seine Koffer packen und nach England wechseln, hätte Union schon jetzt diverse Möglichkeiten, den Top-Scorer zu ersetzen. Zudem ist es gut vorstellbar, dass sich Ruhnert derzeit nach einem weiteren Mittelstürmer umschaut. Da mit Jamie Leweling bereits ein Angreifer nach nur einem eher enttäuschenden Jahr abgegeben wurde, wäre Union bei einem passenden Angebot sicher auch bereit, Jordan wieder ziehen zu lassen.
Denn dass Ruhnert und Fischer, die sich bisher nie davor gescheut haben, das Gesicht der Mannschaft radikal zu verändern, ernsthaft mit ihm und Behrens in die Champions League starten werden, scheint schwer vorstellbar.
Zuletzt kursierte mit Ex-Nationalspieler Kevin Volland ein Name in der Gerüchteküche, der für einen weiteren Paradigmenwechsel im Union-Angriff stehen würde. Der spielstarke Mittelstürmer ist mit 1,79 Metern deutlich kleiner als der typische Union-Neuner. Aber in der Alten Försterei würde wahrscheinlich selbst der kleine Volland per Kopf treffen. Immer getreu dem Motto: Aus wenig viel machen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 17.07.2023, 19:15 Uhr