Gastronom wehrt sich - Erpresser drohen Berliner Restaurants mit schlechten Google-Bewertungen

Mi 13.12.23 | 17:21 Uhr
  14
Symbolbild:Blick durch die Scheibe in ein leeres Restaurant.(Quelle:picture alliance/dpa-Zentralbild/B.Pedersen)
picture alliance/dpa-Zentralbild/B.Pedersen
Video: rbb24 Abendschau | 11.12.2023 | Rainer Unruh | Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild/B.Pedersen

Ein Gastwirt wird von Unbekannten erpresst: Zahlt er ihnen per Bitcoin nicht die geforderte Summe, drohen sie ihm an, seine Google-Bewertung durch künstliche Intelligenz drastisch zu verschlechtern. Kein Einzelfall in Berlin.

Um die Bewertungen, sagt Holger Baaske, habe er es sich nie groß gekümmert. Er steht hinter dem Tresen seines Restaurants in der Karl-Marx-Allee, seit mehr als 20 Jahren betreibt er den "Alpenwirt" nahe der U-Bahn-Station Weberwiese in Friedrichshain.

Er erzählt, die Rezensionen auf Google seien immer gut gewesen, ständig über 4, auf einer Skala bis 5. Im Moment liegt der Schnitt der 918 angegebenen Bewertungen bei 4,3. Aber wenn es nach mutmaßlichen Erpressern geht, soll es dabei nicht bleiben - es sei denn, das Opfer zahlt.

Holger Basske, Besitzer des Berliner Restaurants "Alpenwirt" am 11.12.2023 in den Räumen seines Lokals (Quelle: rbb).
"Objekte können in den Ruin getrieben werden": Der Gastronom Holger Baaske hat sich für den Weg an die Öffentlichkeit entschieden. | Bild: rbb

"Wollen dir die Chance geben das dies nicht passiert"

Am Vormittag des 30. November erhielt Baaskes Restaurant eine E-Mail, sie liegt dem rbb vor. "Einer deiner Konkurrenten hat uns eine nette summe Geld gezahlt um deinen ruf zu zerstören, Weil das aber ein arschloch ist wollen wir dir die Chance geben das dies nicht passiert", schrieben der oder die anonymen Verfasser. Er soll ihnen 1.500 Euro zahlen, fordern die Erpresser von dem Gastronom.

"Solltest du dies nicht tun wird unsere Armee von Bots den ruf von Restaurant Alpenwirt komplett kaputt machen, da unsere Bots auf Künstlicher Intelligenz basieren umgehen Sie alle sicherheitsmechanismen und schreiben einzigartige Bewertung. Wir Werden Dafür sorgen das Deine Bewertung bei Google in den Keller geht", heißt es in der Mail.

1.500 Euro mit Bitcoin-Anleitung

Die Adresse der verwendeten E-Mail-Domain mit britischer URL-Endung liegt in Kassel, zeigt ein schneller Check, aber das muss nichts heißen, auch die zahllosen Schreibfehler können genauso gut Absicht sein – einen wirklichen Hinweis auf die Verfasser liefern sie nicht.

Fake-Mail-Adressen, die nur kurze Zeit funktionieren und danach gelöscht werden, lassen sich mühelos einrichten. Auch die Bezahlart macht es nicht leichter, alles zurückzuverfolgen: Baaske soll die Erpressungssumme in Bitcoins zahlen.

Er hält das erst einmal für einen Scherz, sagt er, weiß nicht, wie das geht. "Aber in der E-Mail war gleich eine Anleitung mit einem Link drin, wie man die 1.500 Euro bezahlt. Wir haben ihn nicht geklickt, weil wir nicht wussten, wo wir landen", so Baaske.

Der Besitzer des Berliner Restaurants "Alpenwirt" zeigt am 11.12.2023 in den Räumen seines Lokals auf seinem Laptop Google-Rezensionen des Restaurants (Quelle: rbb).
Inzwischen für viele Standard: Erstmal gucken, wie gut ein Restaurant auf Google bewertet wird. | Bild: rbb

Mehrere aktuelle Fälle in Berlin und Hamburg

Noch am gleichen Tag erstattet er Anzeige, auch diese liegt dem rbb vor. Die Polizei informiert auf Anfrage, dass Holger Baaske offensichtlich nicht das einzige Ziel der mutmaßlichen Erpresser war: Seit dem 30. November erhielten drei weitere Restaurants in der Nähe des Alpenwirts ähnliche Drohungen, sagt die Polizeisprecherin Anja Dierschke. Auch aus anderen Bezirken seien Fälle bekannt. Genaueres sagt sie nicht - mit dem Verweis auf die laufenden Ermittlungen.

Diese Betrugsmasche ist seit Jahren bekannt, nicht nur in Berlin. In diesem Fall zeigt eine kurze Recherche: Mails mit gleichlautendem Inhalt und der gleichen Forderung hat auch ein Gastronom aus Hamburg bekommen, noch dazu am gleichen Tag wie Holger Baaske [tageskarte.io]. Auch der Gastwirt in Eimsbüttel machte den Fall öffentlich und zahlte nicht – bislang ohne Konsequenzen. Aber auf seinen Facebook-Post hätten sich direkt zwei weitere Betroffene gemeldet, die die gleiche Mail bekommen hätten.

Polizei: "Auf keinen Fall zahlen"

Auch die Berliner Polizei empfiehlt Betroffenen, "die eingehenden E-Mails zu ignorieren, auf keinen Fall eine Zahlung vorzunehmen, den Sachverhalt bei der Polizei anzuzeigen und bei tatsächlicher Umsetzung negativer Online-Bewertungen Google zur Löschung entsprechender Einträge aufzufordern", sagt Anja Dierschke. Neben dem Tatbestand der Erpressung kann eine falsche Bewertung vor Gericht als üble Nachrede oder Verleumdung gewertet werden.

Holger Baaske hat ebenfalls nicht gezahlt und bisher auch keine schlechten manipulierten Bewertungen bekommen, wie er sagt. Er hätte aus Angst vor solchen Angriffen und möglichen Nachahmungstätern schweigen können, aber er hat bewusst den Weg in die Öffentlichkeit gewählt. "Es sollte publik gemacht werden, dass solche Machenschaften auf dem Markt stattfinden und damit natürlich Objekte auch in den Ruin getrieben werden können. Denn solche Portale sind ja schon ein Gradmesser für 'geh ich hin oder nicht' geworden", sagt er.

Gerade in Großstädten mit viel Auswahl spielen solche Bewertungen inzwischen eine riesige Rolle. Ein Beispiel: Bei einer Umfrage durch das Tischbuchungssystem "Open Table" von 2019 gaben zwei Drittel der 2.000 Befragten an, Bewertungen anderer Gäste zu lesen, um sich für ein bestimmtes Restaurant zu entscheiden [food-service.de].

"Rezensionen werden nicht von Google überprüft"

Eigentlich müsste der multinationale Konzern Google bei Bedrohungen durch Fake-Bewertungen von sich aus aktiv werden und den Fall prüfen, im Fall des "Alpenwirt" hat er es bisher nicht getan. Neben dem Feld "Rezensionen schreiben" auf der Google-Seite solcher Restaurants steht ganz offen: "Rezensionen werden nicht von Google überprüft. Google sucht aber gezielt nach gefälschten Inhalten, um sie zu entfernen." Wie genau das Unternehmen das tut, bleibt offen.

Holger Baaske hat sich erkundigt, was er außerdem gegen solche böswillig erfundenen Rezensionen tun kann. Inzwischen verdienen auch Anwälte gut daran, solche Einträge im Auftrag von Mandanten löschen zu lassen, zeigen Angebotsseiten mehrerer Kanzleien im Netz. Eine berechnet beispielsweise 48 Euro pro eingereichter Bewertung, plus Mehrwertsteuer. Baaske bekam ein Angebot von einer legalen Internetfirma aus Kaiserslautern. Demnach könnten schlechte Bewertungen gelöscht werden: 100 Stück für 1.300 Euro. Gerade mal 200 weniger, als die Erpresser von ihm wollten. Er entschied sich dagegen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 11.12.2023, 19:30 Uhr

14 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 14.

    Ganz ehrlich. Wer was von den Online Bewertungen hält, ist selbst schuld, da wir genügend gefuscht.
    Die hat es früher nicht gegeben,man hat Lokal besucht und entweder für gut oder schlecht gehalten.
    Online Bewertungen bringen nichts und dienen nur denen,die damit Geld machen wollen.

  2. 13.

    Möglichkeiten wären:
    https://support.google.com/business/answer/4596773?hl=de&co=GENIE.Platform%3DAndroid
    oder
    Einloggen in Google My Business-Dashboard - Informationen bearbeiten, Bewertungen, dort Bewertungen auf der Karte, der Suche und auf der Unternehmensseite anzeigen deaktivieren
    Hilft zwar nicht vollständig, macht es Trollen aber deutlich schwerer. Zusätzlich könnte man auf der Webseite des Unternehmens ein Hinweis via Popup (geht auch Oldschool mit HTML) auf den Vorfall anzeigen und somit stark reduzierte Bewertungen erklären.

  3. 11.

    Bei der Polizei gemeldet? Und... was ist passiert? Machen die was? Wenn nicht, haben Sie sie gezwungen was zu machen?

  4. 10.

    Ich würde mich nicht wundern, wenn die sog. Medienanwälte und die Erpresser - nun ja - einander bekannt sind... Siehe dazu ZDF Magazin Royal neulich erst zum Thema.

  5. 9.

    Es wird solchen Leuten viel zu einfach gemacht andere Menschen zu erpressen.

    Denn leider kann ein Verbrecher nicht nachverfolgt werden, weil nicht die eigene IP Adresse angezeigt wird, sondern diese meist über dubiose Server oft auch im Ausland umgeleitet wird.

  6. 8.

    Hallo Leser1, meinen Sie das ernst??

    Mit Ihrem Kommentar unterstützen Sie diese Erpresser, denn sie werden jedes Mal dieses oder ein anderes Restaurant in die Mangel nehmen und damit in den Ruin treiben.

    Die Polizei einschalten wie es der Betreiber getan hat und hoffen, dass die Verbrecher gefasst und bestraft werden.

    So eine

  7. 7.

    Das sind nicht nur im Zweifelsfall so etwa 30- 50 Gäste, die dann kostenlos bewirtet werden, macht also den Preis von Weihnachtsfeiern für 3-4 Kleinbetriebe z.B. Autowerkstätten aus.
    Es ist richtig, nicht zu bezahlen, denn wer einmal zahlt, zahlt immer. Das ist Schutzgelderpressung. Das ist nicht neu. Es betrifft nicht nur Gastwirte sondern auch Menschen, wie "du und ich", wenn nach einem Sterbefall und Beerdigung eine Danksagung in der Zeitung steht und ein paar Tage später das Telefon klingelt und mitgeteilt wird, man wolle Herrn Xy sprechen. Nach Auskunft über den Todesfall kommt: "Der Verstorbene hatte ein Sex-Abo und da wären dann noch 360 € zu zahlen, zahlen Sie das jetzt oder wollen Sie, dass der Gerichtsvollzieher kommt?"
    Ich hab die ausgelacht, sie meldeten sich nie wieder; andere zahlten sicher.


  8. 6.

    Diese schreiben bedrohn habe ich auch bekommen.
    Ich wurde auch erpresst. Es wurde auch von mir 1.500€ verlangt das habe ich bei der Polizei gemeldet.

  9. 5.

    Im Zweifelsfall lieber zahlen. Was sind denn schon 1500€ für ein Restaurant, wenn sonst horrende Kosten aufkommen können um die Bewertungen zu löschen, oder das Restaurant muss dauerhaft schließen.
    Google überprüft das ganze ja anscheinend nicht.

  10. 4.

    Wenn diese Restaurants die Drohschreiben auf der Internetseite der Restaurants einstellen, ist schon einiges gesagt und der Bedrohung Vorschub geleistet.

  11. 3.

    Bergwertungen werden überbewertet, jeder sollte inzwischen wissen das man nichts drauf geben sollte.
    Selbst hingehen und wenn es geschmeckt hat kommt doch jeder gerne wieder.

  12. 2.

    Ich bewerte mein Restaurant indem ich bei Gefallen gern wiederkomme uns nichts anderes. Nur Mundpropaganda von Freunden und Bekannten verführen zu einem Erstbesuch.

  13. 1.

    Das ist nur ein Einschüchterungstrick, den man getrost ignorieren kann, denn mittlerweile hat sich’s rumgesprochen, dass ein paar naive Typen, die übrigens von KI soviel Ahnung haben wie ein Schwein vom Uhrwerk, eine Menge von Gastwirten bedrohen. Die Bewertungen sind sowieso getürkt - dass wissen viele, so dass es entweder bald ein neues Internet-basiertes Bewertungssystem geben wird oder es erledigt sich von selbst, falls Google die KI-gesteuerten Bewertung nicht stoppt.
    Don’t worry!

Nächster Artikel