Ernährung und Nachhaltigkeit - Das Mensch-Ei-Problem
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt gesunden Menschen, nur noch ein Ei pro Woche zu essen – aus Nachhaltigkeitsgründen. Der Aufschrei ist groß. Ein Bio-Betrieb aus Wustermark will sich der Empörung nicht anschließen. Von Markus Woller
Die sechs grünen Stallgebäude der Brandenburger Bio-Ei GmbH stehen auf einem Feld bei Wustermark. Aus einer breiten Klappe in Bodennähe heraus wackeln Dutzende Hennen rund um den Stall. Der Auslauf ist um ein Vielfaches größer als die Fläche, die die Tiere tatsächlich nutzen. "Es ist zu sonnig - kein Hühner-Wetter", sagt Geschäftsführer Lasse Brandt darauf angesprochen.
Die Ställe sind sein ganzer Stolz. Stabil sehen sie aus, mit Metallgerüst, festen Türen, Solarplatten auf dem Dach. Platz für 1.000 Tiere. Und trotzdem kann man sie mit Traktoren verschieben, wenn das Gras herum weggepickt, der Boden nur noch sandig ist. Alle vier bis acht Wochen wird der Standort gewechselt.
"Es geht darum, Bewusstsein zu schaffen"
Bis zu 150.000 Eier pro Monat legen die 6.000 Hennen von Lasse Brandt. Bei industriell produzierten Bio-Eiern geht es nicht tier- und umweltfreundlicher. Das hat aber auch seinen Preis. 60 bis 75 Cent kostet ein Ei. Die Nachfrage ziehe gerade trotzdem wieder an, sagt Brandt.
Nun empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), pro Person nur noch ein Ei pro Woche zu verzehen. Die Portionsangabe beruhe nicht auf einer Begrenzung aus gesundheitlichen Gründen, etwa aufgrund von Cholesterin, heißt es auf der Website der Gesellschaft. Es sei eine Menge, die "für die Nährstoffzufuhr und Gesundheit ausreichend ist, zugleich die Umwelt nicht stärker als nötig belastet". Die Empfehlung der DGE hat bundesweit Diskussionen ausgelöst.
Laut Medienberichten hatte etwa der Zentralverband der deutschen Geflügelwirtschaft die Anregungen mit der Begründung zurückgewiesen, sie gehe an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Vegane Unternehmen wie Oatly sollen Kritik geäußert haben, dass Ersatzprodukte nicht im überarbeiteten Ernährungskreis der DGE abgebildet seien.
Anders als andere mag sich Lasse Brandt darüber nicht aufregen. "Es geht für mich darum, ein Bewusstsein für Ernährung zu schaffen", so der Geschäftsführer. "Und wenn man seinen Konsum so weit reduziert, dann bleibt ja genug Geld übrig, um zu sagen, dann sollte es doch ein bewegtes Bio-Ei sein". Ähnlich sieht es Antje Töpfer (Bündnis 90/Die Grünen), Staatssekretärin im Verbraucherschutzministerium. Ihr Amt hat jüngst eine Ernährungsstrategie beschlossen, samt Empfehlungen für eine "Kantine der Zukunft". Hier hat man vor allem Groß- und Gemeinschaftsküchen im Blick. Gesünder, nachhaltiger, aber nicht unbedingt teurer, so das Ziel.
"Wir essen zu viele Eier, wir essen zu viel Fleisch. Davon wollen wir weg", so Töpfer. Es gehe nicht darum, Menschen etwas zu verbieten, sondern Alternativen attraktiver zu gestalten. Wenn die auch noch aus der Region kämen, sei das auch nachhaltiger und günstiger. "Lieber ein Ei weniger, dafür aber ein gutes Ei, wo ich weiß, dass die Hühner vernünftig gehalten werden und dass daraus auch noch ein Suppenhuhn entsteht", so Töpfer. So sei auch die DGE-Empfehlung aus ihrer Sicht zu verstehen.
Wertschöpfungskette in Brandenburg fehlt
Lasse Brandt sieht genau darin sogar sein Geschäftsmodell. Seine Bio-Eier vertreibt er unter dem Label "Das bewegte Bio-Ei" in Supermärkten. Auch einige kleine Restaurants und Küchen fragen direkt bei ihm an. Noch besser wäre es für Brandt, wenn die Wertschöpfungskette rund ums Huhn in Brandenburg noch besser wäre, sagt er. So gebe es kein Bio-Futtermittelwerk und auch keine Bio-Junghennen-Züchter. Männliche Tiere, die nicht mehr geschreddert werden dürfen, würden im Land Brandenburg momentan erst gar nicht gehalten, weil es an einer Schlachterei fehle, um "diesen Bruderhahn dann in ein verkaufsfähiges Produkt weiter zu veredeln", so Brandt.
Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Bündnis 90/Die Grünen) sieht das Problem. Entsprechende Förderprogramme für eine weitergehende Wertschöpfungskette gebe es. Es brauche aber auch Investoren, die solche Wagnisse auf sich nehmen würden. Wenn man aber weiter in der Nische agiere, dann werde sich wohl niemand finden, weil es sich nicht lohne. "Es wird daran hängen, dass wir unter anderem mehr solcher mobilen Hühnerställe haben und auch die Betreiber bereit sind, Bruderhähne aufzunehmen", so Vogel. In Brandenburg gebe es bislang nur etwa 15 Betriebe, die mit mobilen Hühnerställen arbeiteten. Die meisten deutlich kleiner als die Bio-Ei GmbH in Wustermark.
Sendung: Antenne Brandenburg, 26.03.2024, 14:50 Uhr