Massive Ernteausfälle nach Frost - Brandenburger Obstbauern hoffen auf finanzielle Hilfen vom Land
Die Brandenburger Obstbauern befürchten dramatische Ernteausfälle in diesem Jahr. Frost im April hat bei einigen Bauern fast alle Blüten zerstört. Die Landwirte hoffen nun auf Hilfen vom Land - wie schon einmal in der Vergangenheit. Von Simon Wenzel
Die Meldung aus der vergangenen Woche klang dramatisch: In einer Obstbau-Versuchsstation sind so viele Blüten vom unerwarteten April-Frost zerstört worden, dass 90 Prozent der Kirschernte und fast die komplette Apfel- und Birnenernte dieses Jahres verloren ist. Mit etwas Abstand zeichnet sich ab: Die Lage ist wohl tatsächlich dramatisch, auch außerhalb der Versuchsstation.
Bei vielen Obstbauern im Land sind die Blüten zu einem Großteil zerstört. Drei Bauernbetriebe berichten dem rbb, bei Äpfeln, Birnen und Kirschen betrage ihr Ausfall fast 100 Prozent. Auch der Schatzmeister des Gartenbauverbands Berlin-Brandenburg, Jürgen Jacobs bestätigt diesen Eindruck: "Von meinen Kollegen gerade im südlichen Brandenburg höre ich, dass da wo der Frost besonders hart durchgegangen ist auch bis zu 100 Prozent Ausfall befürchtet wird", sagte er rbb24 Brandenburg Aktuell. Etwas Hoffnung gibt es bei den Beeren - Erdbeeren und Heidelbeeren beispielsweise. Hier könnten die Ausfälle deutlich geringer sein.
"Wenn 80 oder 100 Prozent der Ernte ausfällt, kann das Existenzbedrohend sein."
Sylvio Lienert, der in Wustermark einen Obsthof mit Laden betreibt und einer von den Landwirten ist, mit denen rbb|24 sprach, beschreibt die Situation auf seinem Hof so: "Wir haben 99 Prozent Ausfall. Hier und da wächst vielleicht nochmal ein einzelner Apfel oder eine Birne, aber sonst ... Eigentlich könnten wir die Arbeiten für dieses Jahr sofort einstellen."
Arbeiten muss er natürlich trotzdem weiter - jetzt schon fürs nächste Jahr. Zum Beispiel wässern, damit die Bäume überleben. Dieses Jahr aber ist verloren. "Wir machen Selbsternte, die Stammkunden fragen natürlich schon, wann sie Kirschen pflücken können und wir müssen ihnen absagen. Das tut weh", sagt Lienert. Etwa 17 Hektar Obstanbaufläche habe er, "da wurden 25.000 oder 30.000 Euro investiert, in Pflanzenschutz und so weiter", sagt Lienert - nur für dieses Jahr versteht sich. Erträge erwartet er fast keine.
Jürgen Jacobs vom Gartenbauverband sagt zu Beispielen wie diesem: "Wenn 80 oder 100 Prozent der Ernte ausfällt, kann das existenzbedrohend sein. Als Branchenverband stehen wir da natürlich hinter den Kollegen."
Hilfsprogramm? "Wir sind zuversichtlich."
Sollten die Ernteausfälle tatsächlich so gravierend sein, wie derzeit befürchtet, wäre das fast beispiellos: Nur vier Mal seit 2007 brachen die Ernten so sehr ein, dass das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg dies als "signifikante Ernteausfälle" einstufte: 2007, 2011, 2017 und 2019. Auch in diesen Jahren waren viele unterschiedliche Obstausfälle betroffen, teilweise wurde nur die Hälfte oder ein Drittel der Mengen vom Vor- und Folgejahr geerntet. Bei den Süßkirschen gab es 2017 mal fast einen Komplettausfall. Dass aber - wie teilweise befürchtet - die Ernten von mehreren Obstsorten fast komplett verloren gehen, wäre in diesem Ausmaß außergewöhnlich.
Jacobs fordert deshalb schnelle Hilfen vom Land Brandenburg. Die gab es 2019 bereits, beim letzten großen Ernteausfall. Damals konnten Obstbauern bis zu 60 Prozent der entstandenen finanziellen Schäden geltend machen - insgesamt wurden nach Angaben von Regierungssprecher Florian Engels damals 1,7 Millionen Euro Entschädigungen gezahlt. Dieses Mal geht es um deutlich mehr Geld. Laut Engels schätzten die Obst- und Gartenbaubetriebe den diesjährigen Schaden auf 10 bis 14 Millionen Euro.
Am Donnerstag gab es bereits ein erstes Gespräch zwischen dem Ministerpräsidenten Dietmar Woidke (SPD), Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) und Finanzministerin Katrin Lange (SPD) sowie Bauernvertretern. "Wir sind zuversichtlich, dass man ähnlich wie 2019 versuchen wird, ein Hilfsprogramm auf die Beine zu stellen", sagte Jacobs am Tag darauf.
Und auch Ministerpräsident Woidke macht den Bauern Hoffnung: "Viele Brandenburger Obstbauern befürchten in diesem Jahr erhebliche finanzielle Einbußen durch witterungsbedingt hohe Ernteausfälle. Das Land will die Betriebe unterstützen, die der Frost besonders stark getroffen hat und wo infolgedessen erhebliche Verluste auftreten", sagte Woidke dem rbb. Bei den Entschädigungen solle das Verfahren wie 2019 angewandt werden, teilte der Regierungssprecher mit.
Zunächst bleiben die Obstbauern auf den Schäden sitzen
Wie lange es dauert, bis die Hilfen ankommen, ist noch nicht klar. Das Ganze sei ein behördlicher Akt, sagt Jacobs. Er hoffe, dass es innerhalb des Jahres abgewickelt werde. Schließlich müssten zuvor auch erstmal die Schäden abgeschätzt und die verbliebene Ernte eingefahren werden. "Zunächst", so Jacobs, "werden die betroffenen Obstbauern auf den Schäden sitzen bleiben". Dass Bauern doch glimpflich davon gekommen sind, ist nicht wahrscheinlich. Zwar gebe es beispielsweise Frostschutzberegnungssysteme, diese würden aber bei zu niedrigen Temperaturen nicht mehr wirken - und im April fielen die Temperaturen zu oft unter diese Marke, so Jacobs. Eine Frostschutzversicherung für Landwirte gebe es seiner Kenntnis nach nicht.
Sylvio Lienert sagt: Er habe so ein schlimmes Jahr wie dieses noch nicht erlebt. Seit den frühen 1990er Jahren baut Lienert Obst an. Für ihn sei die Situation dank eines zweiten Standbeins nicht existenzgefährdend - er betreibt auch noch eine Filmfirma in der Region. Die muss nun vorerst seine Ernteausfälle kompensieren. Andere Bauern aber könnten ohne finanzielle Hilfen in eine schwierige Lage kommen. Regierungssprecher Engels kündigte allerdings an, dass zumindest Abschlagszahlungen noch in diesem Jahr erfolgen sollen, um Betriebsaufgaben unter Obstbauern zu verhindern.
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell