Für 100 Euro im Monat - Biete Berliner Adresse - ohne Wohnung

Mo 05.08.24 | 18:53 Uhr | Von Roberto Jurkschat
  46
Die Miete ist zu hoch" steht auf Plakaten, die auf einer Wand in Kreuzberg kleben. (Quelle: Wolfram Steinberg/dpa)
Bild: Wolfram Steinberg/dpa

Der Wahnsinn auf dem Berliner Wohnungsmarkt hat ein neues Geschäftsmodell hervorgebracht. Untermieter, die dringend eine Meldeadresse brauchen, können diese nun via Kleinanzeigen anmieten. Von Roberto Jurkschat

Auf kleinanzeigen.de landen schon seit Jahren Wohnungsinserate zur Untermiete in Berlin. "Ohne Anmeldung" steht häufig schon im Titel, weil die Anbieter ihren Vermietern oft nichts von den neuen Bewohnern erzählen wollen. Für diejenigen, die angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt notgedrungen vorerst ohne Anmeldung nach Berlin ziehen, stellt sich die Frage, wie sie an eine Meldeadresse kommen sollen.

Betroffen sind davon häufig Menschen aus dem Ausland, die für einen Aufenthaltstitel eine Meldeadresse benötigen, die in die Krankenkasse eintreten oder einen Arbeitsvertrag unterzeichnen wollen. Vor allem aber besteht eine gesetzliche Meldepflicht in Deutschland, weil Städte und Gemeinden wissen wollen, wer dort wohnt. Das Bundesmeldegesetz erfordert zur Anmeldung seit 2015 eine Bescheinigung von Vermietern, die viele Neuberliner in der Untermiete häufig nicht bekommen.

Offiziell in Berlin für 100 Euro im Monat

Mit solchen Meldeproblemen versuchen einige nun Geld zu verdienen. Auf Kleinanzeigen werden gewissermaßen Briefkastenwohnungen angeboten: Nutzer inserieren Untermietverträge zur Anmeldung bei Berliner Behörden - allerdings ohne Wohnraum. Worum es geht, ist ein Plätzchen auf dem Klingelschild und auf dem Briefkasten.

Ein Anbieter teilt auf Kleinanzeigen mit, er biete eine Adresse zur Anmeldung für 100 Euro pro Monat an, allerdings für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. "Das Geld wird beim Unterschreiben des Vertrages einmalig bezahlt oder 1.200 Euro für 12 Monate".

Dass solche Angebote tatsächlich auf Nachfrage stoßen könnten, zeigen Suchinserate, die von Personen aufgegeben werden, die lediglich auf der Suche nach Verträgen sind - während sie als Untermieter bereits über eine Bleibe verfügen.

Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, bezeichnet diese Auswüchse der Wohnungsnot in Berlin als "sehr besorgniserregend". Der Wohnungsmarkt bringe Menschen dazu, Bedingungen zu akzeptieren, die ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen und teilweise auch andere prekäre Situationen schaffen.

Untermiete für Neuberliner

Denn insbesondere Neuberliner seien aufgrund des Bundesmeldegesetzes verpflichtet, sich mit einer Bescheinigung ihrer Vermieter bei den Behörden anzumelden. "Manche Vermieter:innen verweigern diese Bescheinigung aus verschiedenen Gründen", so Hamann. "Institutionelle Vermietungsfirmen, die nur auf Zeit oder nur Zimmerweise vermieten, geben solche Bescheinigungen nicht heraus."

In anderen Fällen haben Menschen, die Zimmer untervermieten, Angst, Ärger mit ihren eigenen Vermietern zu bekommen. Rechtlich gesehen besteht das Recht auf Untervermietung, aber nicht alle gestehen das ihren Mietern zu.

Die Initiative Ciudad Migrante, die sich unter anderem mit den Auswirkungen des Wohnungsmarktes auf die Entfaltung des Lebens von Migranten in Berlin befasst, bezeichnet die inoffizielle Untermiete als Hauptwohnform von Neuberlinern. Für viele ergebe sich ein Problem: Ohne Anmeldung ist es problematisch, ein Bankkonto zu eröffnen oder einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. Das wiederum macht es schwer, eine Wohnung regulär zu mieten, in der eine Anmeldung möglich ist.

Senat erwägt Abmelde-Prämien

Wie häufig die Untermieten für Wohnungen angeboten werden, deren Hauptmieter faktisch gar nicht mehr in Berlin wohnen, lässt sich nicht sagen. Dass viele Menschen nach Umzügen in andere Bundesländer in Berlin gemeldet bleiben, hat der Zensus 2022 gezeigt.

Laut Statistischem Bundesamt lag die Zahl der Berliner Bevölkerung im Mai 2022 bei 3.596.999 Menschen - 128.651 Menschen weniger als vorher angenommen. Deshalb gibt es in der schwarz-roten Koalition nun Überlegungen, Prämien für Abmeldungen nach Wegzügen aus Berlin zu zahlen. Um künftige Abweichungen der Einwohnerzahl zu verhindern bzw. zu minimieren, will der SPD-Politiker Sven Heinemann einen Anreiz setzen, dass Menschen sich nach Wegzügen auch tatsächlich abmelden. Eine Prämie von 100 Euro könne hier ein "attraktiver Anreiz" sein, so Heinemann.

Beitrag von Roberto Jurkschat

46 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 46.

    Das Meldegesetz ist ein Ländergesetz. Warum wird endlich daraus ein Bundesgesetz gemacht. Dann kann sofort abgeglichen werden, ob jemand an mehreren Adressen gemeldet ist. .... Zusätzlich können auch andere Probleme die bzgl. des Meldegesetzes z.Zt. bestehen, gelöst werden.

  2. 45.

    Niemand wird gezwungen in Berlin zu wohnen oder zu arbeiten. Mal Butter bei die Fische. Solche Leute tun alles um ihren "Traum" zu verwirklichen. Das ist dann aber ihr Problem.
    Würde 1/4 aus Berlin wegziehen, dann gäbe es Dumpingmieten wie vor 30 Jahren und niemand hätte Mitleid mit den Vermietern.
    Wer etwas anderes will, der soll selber bauen oder kaufen und nicht andere dazu zwingen ihr Leben zu bemüttern.

  3. 44.

    Sie zahlen 0 Euro MIETE.
    Selbst als Hausbesitzer zahlen Sie Neben-/Reparaturkosten und einen ,Anschaffungspreis' gab es sicherlich auch.
    Sorry, daher etwas überspitzt: Nur unter einer Brücke zahlen Sie 0 Euro.

    Oder ich habe Sie vollkommen falsch verstanden!?

  4. 43.

    Meine Miete ist 0,- Niemand den ich kenne zahlt mehr als 455 warm. Meine Mutter 325 warm, mein Bruder mit Kind besagte 455, ein guter Freund 410, 390 und 4 weitere gute Bekannte zahlen auch 0,- wie ich. In was für eine alternative Realität wollt ihr uns hinenziehen. Ich würde mal anfangen zu überlegen, was ihr selber falsch macht in eurem Leben. Kauft, baut nutzt Förderungen, Freibeträge, Hilfen, Eigeninitiative etc.

  5. 42.

    Finde ich Klasse! 100€ Cashback!

  6. 41.

    Könnte lustig werden, wenn sich der Adressenmieter als Terrorist entpuppt und die GSG9 die Bude stürmt...

  7. 40.

    Ja, das ist ein prima Geschäftsmodell für beide Seiten. Für den Vermieter, der/die die Untermiete versteuern müsste, es aber in der Regel nicht tut. Und der/die Mieterin kann mit einer Adresse Bürgergeld beziehen, egal wo er oder sie sich aufhält. Ich empfinde das als ausnutzen dieser Gesellschaft. Und
    mich ärgert diese Situation bei dem angespannten Wohnungsmarkt zunehmend. Und ich verstehe die positive Berichterstattung darüber nicht.

  8. 39.

    Antwort auf "Manja" vom Dienstag, 06.08.2024 | 09:11 Uhr
    "Betrüger finden immer ihre Wege zu tun, was sie tun..." Genau! Neulich habe ich gesehen, dass einer Angebote für Wohnungen geklaut hat und für die Vermittlung 2.000€ haben wollte....

  9. 38.

    Kann man so sehen. Allerdings finde ich es auch wichtig, darüber zu informieren und aufzuklären. Viel wichtiger finde ich die Frage, was jetzt getan wird, um die Situation vieler Neuberliner zu verbessern?
    Betrüger finden immer ihre Wege zu tun, was sie tun, ganz ohne Medien.

  10. 37.

    Das Problem einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen haben auch EU Bürger aus den Nachbarländern, die nicht permanent in Berlin wohnen bzw. keine dafür passende Wohnung finden. Home Office ist in diesem Kontext noch gar nicht berücksichtigt. In dem Falle sucht man eine Möglichkeit zur Untermiete oder bleibt fern. Den Deal machen andere Länder.

  11. 36.

    Wir leben als Familie seit einigen Jahren in Mitte-Mitte. Ganz normaler Mittelstand mit etwas Glück bei der Suche.

    Wir beobachten zunehmend folgendes: sobald in unserem Haus als auch in der Nachbarschaft reguläre Mieter ausziehen dauert es nicht lange und es entsteht eine möblierte WG mit im Schnitt 3-5 verschiedenen Namen (Klingel/Briefkasten). Interviews ergeben erhebliche Gesamtmieten dieser Wohnungen. Zusätzlich stellen wir aber andererseits fest, dass viele Wohnungen 365 Tage im Jahr einfach nur dunkel bleiben. Nicht bewohnt werden. Wir schätzen bis zu 20% der Wohnungen rundherum liegen einfach brach.

  12. 35.

    Briefkasten-Firmen gab es doch schon immer. Jetzt also Briefkastenwohnungen. Man sollte hier bei den Meldebehörden besser werden 5 Anmeldungen bei einer 1-Zimmer-Wohnung sind praxisfern. Bußgelder einfach erhöhen.

  13. 34.

    Na da hoffe ich doch mal das die Hauptmieter die fristlose Kündigung ihrer Wohnung erhalten. Kommerzieller Wohnrraumbetrug geht gar nicht!

  14. 33.

    Wenn sie denn auch tatsächlich dort wohnen.
    Oft stehen die Wohnungen leer, dies fällt erst mit der Nebenkostenabrechnung auf. Kein Wasserverbrauch, Heizung etc.
    Tatsächlich wohnen sie mit dem Partner iwo im Stadtgebiet oder bei den Eltern.

  15. 32.

    Wo ein Wille ist, ist auch ein Markt ...

  16. 31.

    Gas schließt auch wohl die Ferienwohnungen der Airline und anderer derartigen Vermieter/ Eigentümer mit ein .? Und werden auf diese Art Leistungen der Sozialkassen mit Finanziert/ ergaunert ??? Einfach mal weiterdenken.

  17. 30.

    Die meisten Wohnungen werden bei
    ..... Kleinanzeigen von Bürgergeldempfänger angeboten.
    Ein Zimmer 12 m² ohne Anmeldung für 400 € .
    Zusatzverdienst ohne das das Jobcenter davon erfährt. Doppelte Miete kassiert , da braucht niemand mehr arbeiten.
    Habe es selbst erfahren als ich mich bewarb.

  18. 29.

    Antwort auf "Klassenlehrerin" vom Montag, 05.08.2024 | 21:23 Uhr
    "In dieser Stadt wundert mich gar nichts mehr." Das ist nicht nur in "dieser" Stadt so - unfassbar ist, wie man aus jedem Thema ein Anti-Berlin-Thema machen kann!

  19. 28.

    Vielleicht habe ich den "Hauptmann von Köpenick" ja damals falsch gelesen, aber kam der nicht auch wieder erneut in Schwierigkeiten, weil er der Absurdität, keine Wohnung ohne Arbeit und keine Arbeit ohne Wohnung nicht gewachsen war? Aber Hauptsache alles nach Recht und Gesetz.

  20. 27.

    100 € für jede Abmeldung? Das hätte für die versäumten Abmeldungen schon 12.865.100 € gekostet. Aber die 100 € wären auch für die tatsächlichen Abmeldungen zu zahlen, deren Zahl hier nicht genannt ist. Also ein 2stelliger Mio.€-Betrag nur dafür, daß die Einwohnerzahl stimmt? Das wäre zuviel. Auch das würde nicht garantieren, daß die Einwohnerzahl stimmt. Denn wer das Gesetz nicht kennt oder wichtige Gründe hat, die mehr als 100 € wert sind, meldet sich nicht ab. Wozu braucht man eine Wohnungsgeberbescheinigung? Reicht für die Anmeldung kein Mietvertrag? Kann man mit Wohnung im Ausland kein Bankkonto eröffnen?

Nächster Artikel