Für 100 Euro im Monat - Biete Berliner Adresse - ohne Wohnung
Der Wahnsinn auf dem Berliner Wohnungsmarkt hat ein neues Geschäftsmodell hervorgebracht. Untermieter, die dringend eine Meldeadresse brauchen, können diese nun via Kleinanzeigen anmieten. Von Roberto Jurkschat
Auf kleinanzeigen.de landen schon seit Jahren Wohnungsinserate zur Untermiete in Berlin. "Ohne Anmeldung" steht häufig schon im Titel, weil die Anbieter ihren Vermietern oft nichts von den neuen Bewohnern erzählen wollen. Für diejenigen, die angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt notgedrungen vorerst ohne Anmeldung nach Berlin ziehen, stellt sich die Frage, wie sie an eine Meldeadresse kommen sollen.
Betroffen sind davon häufig Menschen aus dem Ausland, die für einen Aufenthaltstitel eine Meldeadresse benötigen, die in die Krankenkasse eintreten oder einen Arbeitsvertrag unterzeichnen wollen. Vor allem aber besteht eine gesetzliche Meldepflicht in Deutschland, weil Städte und Gemeinden wissen wollen, wer dort wohnt. Das Bundesmeldegesetz erfordert zur Anmeldung seit 2015 eine Bescheinigung von Vermietern, die viele Neuberliner in der Untermiete häufig nicht bekommen.
Offiziell in Berlin für 100 Euro im Monat
Mit solchen Meldeproblemen versuchen einige nun Geld zu verdienen. Auf Kleinanzeigen werden gewissermaßen Briefkastenwohnungen angeboten: Nutzer inserieren Untermietverträge zur Anmeldung bei Berliner Behörden - allerdings ohne Wohnraum. Worum es geht, ist ein Plätzchen auf dem Klingelschild und auf dem Briefkasten.
Ein Anbieter teilt auf Kleinanzeigen mit, er biete eine Adresse zur Anmeldung für 100 Euro pro Monat an, allerdings für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. "Das Geld wird beim Unterschreiben des Vertrages einmalig bezahlt oder 1.200 Euro für 12 Monate".
Dass solche Angebote tatsächlich auf Nachfrage stoßen könnten, zeigen Suchinserate, die von Personen aufgegeben werden, die lediglich auf der Suche nach Verträgen sind - während sie als Untermieter bereits über eine Bleibe verfügen.
Ulrike Hamann, Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, bezeichnet diese Auswüchse der Wohnungsnot in Berlin als "sehr besorgniserregend". Der Wohnungsmarkt bringe Menschen dazu, Bedingungen zu akzeptieren, die ihre finanziellen Möglichkeiten übersteigen und teilweise auch andere prekäre Situationen schaffen.
Untermiete für Neuberliner
Denn insbesondere Neuberliner seien aufgrund des Bundesmeldegesetzes verpflichtet, sich mit einer Bescheinigung ihrer Vermieter bei den Behörden anzumelden. "Manche Vermieter:innen verweigern diese Bescheinigung aus verschiedenen Gründen", so Hamann. "Institutionelle Vermietungsfirmen, die nur auf Zeit oder nur Zimmerweise vermieten, geben solche Bescheinigungen nicht heraus."
In anderen Fällen haben Menschen, die Zimmer untervermieten, Angst, Ärger mit ihren eigenen Vermietern zu bekommen. Rechtlich gesehen besteht das Recht auf Untervermietung, aber nicht alle gestehen das ihren Mietern zu.
Die Initiative Ciudad Migrante, die sich unter anderem mit den Auswirkungen des Wohnungsmarktes auf die Entfaltung des Lebens von Migranten in Berlin befasst, bezeichnet die inoffizielle Untermiete als Hauptwohnform von Neuberlinern. Für viele ergebe sich ein Problem: Ohne Anmeldung ist es problematisch, ein Bankkonto zu eröffnen oder einen Arbeitsvertrag zu unterzeichnen. Das wiederum macht es schwer, eine Wohnung regulär zu mieten, in der eine Anmeldung möglich ist.
Senat erwägt Abmelde-Prämien
Wie häufig die Untermieten für Wohnungen angeboten werden, deren Hauptmieter faktisch gar nicht mehr in Berlin wohnen, lässt sich nicht sagen. Dass viele Menschen nach Umzügen in andere Bundesländer in Berlin gemeldet bleiben, hat der Zensus 2022 gezeigt.
Laut Statistischem Bundesamt lag die Zahl der Berliner Bevölkerung im Mai 2022 bei 3.596.999 Menschen - 128.651 Menschen weniger als vorher angenommen. Deshalb gibt es in der schwarz-roten Koalition nun Überlegungen, Prämien für Abmeldungen nach Wegzügen aus Berlin zu zahlen. Um künftige Abweichungen der Einwohnerzahl zu verhindern bzw. zu minimieren, will der SPD-Politiker Sven Heinemann einen Anreiz setzen, dass Menschen sich nach Wegzügen auch tatsächlich abmelden. Eine Prämie von 100 Euro könne hier ein "attraktiver Anreiz" sein, so Heinemann.