Biomasse für Kraftwerke - Berlin will für Fernwärme Holz verheizen - Kritik von Klimaexperten

Do 05.09.24 | 15:46 Uhr
  32
Auf einem Stapel liegen viele gefällte Kiefernstämme in einem Nadelwald nur aus Kiefern. (Quelle: dpa/Patrick Pleul)
Video: rbb24 Abendschau | 05.09.2024 | Martin Küper | Bild: dpa/Patrick Pleul

Der Berliner Senat plant, zur Erzeugung von Fernwärme große Mengen Holz zu verfeuern. Bäume sollen dazu von weit her herangeschafft werden. Umweltexperten kritisieren die Pläne: Holz verheizen sei "weder grün noch nachhaltig".

Senat und das Landesunternehmen Berliner Energie und Wärme (BEW) wollen Holz verbrennen, um Fernwärme zu erzeugen
Verfeuert werden sollen Altholz, aber auch Wald- und Plantagenbäume
Der Senat betont, das sei wichtig für die Versorgungssicherheit
Umweltschützer kritisieren die Pläne als zu kurz gedacht und nicht umweltfreundlich

Die Pläne, Holz im großen Stil für die Erzeugung von Fernwärme zu nutzen, ist bei einer Anhörung im Berliner Abgeordnetenhaus auf Skepsis gestoßen. Große Mengen Biomasse seien "weder grün noch nachhaltig", sagte Wolfgang Lucht, Professor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Der Naturschutzbund Nabu nannte Planungen für eine klimaneutrale Fernwärme ein "Armutszeugnis".

Senat und das Landesunternehmen Berliner Energie und Wärme (BEW) wollen Biomasse einsetzen. Sie geben an, so solle die Versorgungssicherheit gesichert werden.

Nach den Plänen von Vattenfall, dem langjährigen Fernwärmebetreiber, sollen künftig bis zu 17 Prozent der Fernwärme aus Biomasse erzeugt werden. Als Biomasse gelten Altholz, Reste aus der Parkpflege, schnell wachsende Baumarten auf Plantagen, aber auch Waldholz. An diesen Biomasse-Plänen hält auch der neue Betreiber, das landeseigenen Unternehmen Berliner Energie und Wärme (BEW), im Prinzip fest.

Warnung vor Raubbau an der Natur

Lucht, der als Sachverständiger die Bundesregierung berät, warnte im Umweltausschuss des Parlaments, dass eine exzessive Nutzung von Holz für die Wärmerzeugung auf "Raubbau an der Natur" hinauslaufe. Der Rohstoff Holz verbrenne schnell, wachse aber nur langsam nach. Im kleinen Maßstab sei das kein Problem, so der Wissenschaftler vom PIK. Im Kraftwerksmaßstab laufe man aber in die Falle, "dass mehr Kohlenstoff durch den Schornstein geht als in der Landschaft nachwächst".

Zweifel an Durchsetzbarkeit der Nachhaltigkeitsziele

Der Manager Marko Voss vom neuen Fernwärme-Betreiber Berliner Energie und Wärme (BEW) bezifferte den zukünftigen Bedarf an Biomasse auf 450.000 bis 480.000 Tonnen Biomasse im Jahr für das bestehende Kraftwerk im Märkischen Viertel und neue Anlagen an den Standorten Klingenberg und Reuter West. Bislang nutze sein Unternehmen regionale Biomasse aus einem Umkreis von 60 Kilometern um Berlin, erklärte Voss. "Wir werden aber den Radius erhöhen müssen", stellte er fest. Holz soll demnach auch aus Regionen kommen, die bis zu 250 Kilometer entfernt sind.

Michaela Kruse vom Naturschutzbund (Nabu) bezweifelte, dass sich bei diesen Mengen Nachhaltigkeitsziele einhalten lassen. Außerdem würden andere Städte und Kommunen ebenfalls versuchen, ihren Energiebedarf über Biomasse zu decken. Das werde sich unmittelbar auf die Verfügbarkeit und auch auf die Preise auswirken. "Dieser Plan wird daher nicht aufgehen, wenn alle umswitchen", so ihre Prognose.

Klimaschutz nur auf dem Papier

Kruse kritisierte zugleich, dass mit der geplanten Umstellung von Kohle auf Holz Klimaschutz nur auf dem Papier stattfinde. "Viel Geld geht in eine Scheinlösung", sagte die Umweltschützerin. Auch Klimaforscher Lucht vom Potsdam-Institut warnte, dass bei der Verbrennung von Holz erheblich mehr CO2 als bei fossilen Energieträgern freigesetzt werde. Der Nabu verlangte daher, alle Planungen für Holzkraftwerke in Berlin zu stoppen.

Für den Senat bekräftigte Wirtschaftsstaatssekretär Severin Fischer (SPD), dass die Biomasse weiter "einen nicht unerheblichen Teil" in der Strategie zur Umstellung der Fernwärme einnimmt. Fischer betonte, dass Biomasse "kein Selbstzweck" sei, sondern Mittel auf dem Weg zur Dekarbonisierung - also den Ausstoß des Treibhausgases Kohlenstoffdioxid (CO2) zu senken.

"Für uns ist auch ganz wichtig, dass wir dauerhaft Versorgungsstabilität und Preisstabilität für die Berliner Kundinnen und Kunden gewährleisten müssen", sagte der SPD-Politiker.

Keine ausreichenden Alternativen

Alternative Energiequellen wie Geothermie stünden nach seiner Einschätzung zumindest bis 2030 nicht in ausreichendem Maße zur Verfügung. Man müsse daher zunächst mit einem deutlichen Anteil von Biomasse planen. Ob und wie deutlich dieser Anteil später wieder sinken könnte, blieb offen. Marko Voss von der Berliner Energie und Wärme betonte bei der Anhörung, dass Holz als lagerfähiger Brennstoff eine große Bedeutung habe.

Der Umbau der Berliner Fernwärme sei - auch angesichts vieler offener Fragen "dynamischer" Prozess, räumte Wirtschaftsstaatssekretär Fischer ein. Die Berliner Energie und Wärme (BEW) kalkuliert mit drei Milliarden Euro, die in die Wärmewende investiert werden müssen. Das Verfeuern von Holz am Standort Reuter-West will das Landesunternehmen 2029 starten.

Sendung: rbb24 Abendschau, 05.09.2024, 19:30 Uhr

32 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 32.

    Das private Holz-und Kohle verbrennen, wird doch auch von der Gesellschaft geduldet.

  2. 31.

    Und? Was fehlt in Deiner Antwort?: das der Meeresspiegel unumkehrbar, mit jedem Jahr, in dem Du älter wirst, steigt! Und somit viele Inseln und Städte verschwinden! Kapiert?

  3. 29.

    2-3 x Kleidung übereinander anziehen, dann höchstgeschwindigkeit auf dem manuellen Heimtrainer, kalt duschen = abgehärtet wie in den Witern 1945, 1946, 1947.

  4. 28.

    Gibt es irgendwelche Untersuchungen zu den Nachteilen der viel gepriesenen Geothermie wie Erdbeben?
    Ist es nicht die ganze Zeit so, dass der Strom für die Wärmepumpen und auch für die Fernwärme durch Gas und Kohle erzeugt werden?
    Weigert sich der Bund nicht auch die deutsche Firma theion, die sehr vielversprechende Batterien aus billigem Schwefelkristall herstellen wollen zu fördern? Und fördert aus unerfindlichen Gründen der Bund die schlechteren Lithium - Batterien?
    Und ist nicht das Energieproblem in Deutschland ein Speicherproblem?

  5. 27.

    Dafür regnet es im Amazonasgebiet so gut wie gar nicht mehr: extreme Dürre in Brasilien, Bolivien, Paraguay laut Dürremonitor; es wird kein Regen mehr von die Peripherie des Regenwaldes in das Kerngebiet über die Wolken transportiert. Dazu über 40 Grad zum Frühlingsanfang, Rekordzahl an Bränden. Mein Tipp: dort ist ein Kipppunkt schon überschritten.

  6. 26.

    Südostasien hat ein jedem Jahr seine Überschwemmungen, schon einmal vom Monsum gehört?

  7. 25.

    Puh ganz schwierig. Eigentlich keine so gute Idee Wald im Kamin zu verfeuern. Schnittholz und Laub ok, das wird aber leider nicht reichen. Als Übergangslösung bis zur Geothermie werden wir wohl nicht drum rum kommen. Aber an alle die den Beschluss nicht unterstützen: einfach im Winter die Heizung öfters mal nicht benutzen. Grösstes Verständnis wer kein Holz verheizen möchte. Dann aber auch bitte Konsequent sein in der eigenen Heizstrategie. Dicker Pulli tut‘s ja auch. Bussi, euer Waldmensch.

  8. 24.

    Die von Ihnen angesprochene "über Nacht" begann in 1972. Die Grenzen des Wachstum.
    Seit dem ist bekannt, dass die grüne Brechstange, z. B. In Form von Unwetterschäden, zunehmend zurückschlägt.
    Ich würde mich freuen, wenn statt "morgen, morgen, nur nicht heute...", die Wirtschaft sich schneller anpassen wolle, als in der 50 jährigen "über Nacht".

  9. 23.

    Und im Hochsommer fehlen die großflächig geroden Waldflächen zur Abkühlung. Noch mehr Waldbrände und noch mehr Strom für noch mehr Klimaanlagen bis das Stromnetz kollabiert. So ein Irrsinn ! Die Häuser schnellstens zu dämmen, wäre wesentlich sinnvoller. Dann hätte die Bauindustrie nebenbei auch wieder (und dieses Mal sogar sinnvolle und vertretbare) Aufträge.

  10. 22.

    Mal gucken, was Dennis lieber ist. Im Winter durchgehend in der kalten Bude bibbern, oder im Sommer ein paar Tage Schwitzen (wie früher auch schon). Die Entscheidung sollten wir ihm überlassen, denn es ist seine Zukunft.

  11. 21.

    Warum hat sich diese Ihrer Meinung nach erfolgreiche Strategie für Organismen dann nie in der Natur durchgesetzt?

  12. 19.

    Auweia, unter dem Deckmantel des sogenannten Klimaschutz und quatsch Wörtern wie klimaneutralität, werden wir bald wieder wie im Mittelalter leben, so blöd können echt nur Deutsche sein.

  13. 18.

    Steht doch im Artikel unter der Teilüberschrift „Klimaschutz nur auf dem Papier“: „ Auch Klimaforscher Lucht vom Potsdam-Institut warnte, dass bei der Verbrennung von Holz erheblich mehr CO2 als bei fossilen Energieträgern freigesetzt werde.“

  14. 17.

    Klasse Idee!
    So wird unsere Fernwärme klimaneutral. Wir verheizen einfach die Wälder unseres Planeten

  15. 16.

    Einfacher Lösung: Temperatur etwas niedriger stellen, und wärmere Kleidung tragen!

  16. 15.

    "Es wäre ja vermutlich möglich, statt Holz weiterhin Kohle zu verfeuern. Dies wäre, wie die Experten dargelegt haben, weniger Klimaschädlich als Holz. "
    Haben sie dafür eine Quelle, im Artikel steht ja nix dergleichen. Klingt auch etwas weit hergeholt.
    Prinzipiell wäre es natürlich besser diese Mengen Biomasse dauerhaft und verwitterungssicher einzulagern. z.B. in alten Bergwerken, Tagebaurestlöchern, als Baustoff in neuen Wohnhäusern o.ä.
    Nachpflanzen in gleicher Menge wäre dabei natürlich zwingend.
    Holz verbrennen sollte wirklich die letzte Schleife im Verwertungszyklus sein, wenn nix anderes mehr geht.
    Aber ob Kohle besser als Holz ist, würde ich schon bezweifeln.

  17. 14.

    >"Wenn dafür vorübergeghend Biomasse erforderlich ist, dann muss der Klimaschutz eben noch einige zeit lang hinten anstehen. "
    Der Klimaschutz muss dabei nicht zurückstehen, wenn es sich um Biomasse handelt, die eh als Holzbruch angefallen ist oder aus schnellwachsenden Gehölzen entnommen wird, die dafür eigens auf Plantagen angebaut werden. Bestehender Wald darf nicht extra dafür abgeholzt werden.

  18. 13.

    Die Folgen des Klimawandels treffen die Philippinen hart. Teile des Landes versinken im Wasser. Eine Flucht können sich viele nicht leisten.

Nächster Artikel