Kommentar | Fünf Jahre Kohleausstieg - Weg von der Kohle kostet eine Menge Kohle

Do 16.01.25 | 08:40 Uhr | Von Andreas Rausch
  1
Sonnenaufgang am Windpark in Marzahna, Treuenbrietzen, Brandenburg. (Quelle: dpa/Arnulf Hettrich)
dpa/Arnulf Hettrich
Audio: rbb24 Inforadio | 16.01.2025 | Andreas Rausch | Bild: dpa/Arnulf Hettrich

Nein, wir sitzen abends nicht bei Kerzenschein in unserer kalten Wohnung, großflächige Blackouts gab es nicht - trotz Kohleausstieg. Die ärgsten Befürchtungen sind nicht eingetreten, Partystimmung bleibt aber aus - auch in der Lausitz. Zurecht, sagt Andreas Rausch.

Raus, Raus, Raus! Das Kohle-Aus wurde vor fünf Jahren nach heftiger gesellschaftlicher Debatte mehrheitsfähig, parallel war der Atomausstieg schon beschlossene Sache. Das Land wollte damit auf mehr als ein Drittel seiner Erzeugungskapazität verzichten – ohne entsprechenden Ersatz zu haben in einer Zeit, die eher steigenden Bedarf an Strom verspricht als das Gegenteil. So rigoros hatte das niemand vor in Europa. War das noch mutig oder schon Harakiri?

Ausstieg mit Beruhigungsklausel

Fakt ist, es wird immer weniger Kohle klimaschädlich verstromt - zugunsten alternativer Energieträger, zumeist Wind und Sonne. Fakt ist aber auch, dass die Zahl der notwendigen Eingriffe in das Stromnetz wegen der heftigen Schwankungen im Stromangebot enorm angestiegen ist, um die Lage beherrschbar zu halten. Im Ausstiegsgesetz wurde für alle Skeptiker eine Beruhigungsklausel festgeschrieben: Regelmäßige Checks sollten die Stromversorgungssicherheit prüfen. Die Ansage: Wenn wir in gefährliches Fahrwasser kommen, wird erstmal gestoppt, nötigenfalls umgekehrt.

Dass es bis zum Ende der Ampel nicht einen solchen Check gegeben hat, bleibt im Soll-Buch von Rot-Grün-Gelb stehen.

Lausitz schaut in die Röhre

Nicht zu Ende gedacht war auch der Plan, die erwartbaren sonnenarmen Flauten, wenn Windrad und Solaranlage kaum Strom liefern, mit einer ganzen Flotte neuer Gaskraftwerke zu kompensieren. Auch hier hat die Ampel es nicht geschafft, eine schlüssige Strategie zu verabschieden. Bevor es dazu kam, implodierte die Regierung, man war ohnehin schon sehr spät dran. Energiewirtschaft ist träge, der Bau von neuen Kraftwerken dauert Jahre. Und nun schauen Energieregionen wie die Lausitz in die Röhre.

Der Übergang von Kohle in die energetische Zukunft stockt. Millionenteure Planungen für neue Gaskraftwerke liegen auf Eis, während der Kohleausstieg unerbittlich weiterläuft. Da ist am Ende kopfschüttelnde Randnotiz: Das Erdgas, womit die meisten Werke zunächst wohl laufen werden, ist nach Expertenmeinung von Förderung bis Verbrennung ein ähnlich großer Klimakiller wie die Kohle. Nun wollen wir aber mal nicht so kleinlich sein.

Wunderwaffe Wasserstoff

Denn bald soll der Wasserstoff, am besten grün erzeugter, der Wunderstoff der Energiewende sein, eben auch für unsere Stromerzeugung in den Gaskraftwerken. Dass nun zwar ein erstes Pipeline-Netz quer übers Land geplant ist (wiederum mit schlechter Lausitz-Anbindung), löst das Problem noch nicht, dass es schlichtweg viel zu wenig von diesem grünen Wasserstoff gibt, mal ganz abgesehen von seiner schlechten Transporteignung, dem schwierigen Wirkungsgrad und dem weiter sehr hohen Preis.

Womit wir beim Geld wären. Der Umbau des Landes auch weg von der Kohle kostet eine Menge Kohle. Wir lassen uns auch nicht lumpen! Allein die Verlegung der dringend gebrauchten Stromtrassen unter der Erde statt als herkömmliche Freileitungen verursacht Mehrkosten von mehr als 35 Milliarden Euro! Sieht aber schöner aus, immerhin. Nur blöd: Diese Mehrkosten werden in der Regel auf den Strompreis gepackt. Das macht den Strom trotz aller Bremsen und Vergünstigungen weiter zuverlässig teuer, ärgert Privatkunden und schwächt die Wirtschaft.

Und noch so ein Fakt für Ausstiegsskeptiker: Erstmals seit vielen Jahren importiert Deutschland wieder mehr Strom aus anderen Ländern als es abgibt. Aber wenigstens das muss nicht beunruhigen, denn was zu uns kommt, ist meist billiger und klimafreundlicher erzeugt, als wir es gerade könnten – die Importe sind also Zeichen für einen besser funktionierenden Strommarkt in Europa.

Immerhin ein Lichtblick!

Sekt muss es also nicht gleich sein zum 5. Jahrestag des Kohleausstiegs – aber eine Selters, warum denn nicht?

Sendung: rbb24 Inforadio, 16.01.2025, 7:50 Uhr

Beitrag von Andreas Rausch

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Aus datenschutzrechtlichen Gründen werden Kommentare, bei denen die E-Mail-Adresse in den Feldern Name, Wohnort oder Text geschrieben wurde, nicht freigegeben. Mit Nutzung der Kommentarfunktion stimmen Sie unserer Netiquette sowie unserer Datenschutzerklärung (Link am Ende der Seite) zu. Wir behalten uns vor, Kommentare, die nicht zu einer konstruktiven Diskussion beitragen, nicht freizugeben oder zu löschen. Wir geben keine Auskunft über gelöschte oder nicht freigegebene Kommentare. Mit der Abgabe eines Kommentars erklären Sie sich mit diesen Regeln und den Kommentarrichtlinien des rbb einverstanden.

1 Kommentar

  1. 1.

    Die Lausitz wird mit Subventionen in Milliardenhöhe seit langer Zeit geradezu zugeworfen und hier werden viele "Nebenbaustellen" bedient, die mit dem Strukturwandel /alternative Energieversorgung keine direkte Verbindung haben. Zugleich der Politik das alles zuzuschieben ist auch nicht korrekt, denn für diese Milliardenschwemme kann man man auch ein regional schlüssiges Konzept erwarten, das sehe ich aber nicht.
    Es wäre auch an der Zeit den Blick von der Lausitz hin zu anderen Regionen zu lenken und zu überlegen, ob hier nicht sinnvoller und effektiver in die Zukunft investiert werden kann!

Nächster Artikel