Konzert in Luckenwalde - "Pussy Riot" will junge Menschen in Deutschland wachrütteln
Die russische Punkband "Pussy Riot" hat vor kurzem wieder von sich Reden gemacht, als sie in der Pinakothek in München auf ein Bild von Staatschef Putin urinierte. Am Samstagabend gab Pussy Riot erstmals in Brandenburg, in Luckenwalde, ein Konzert. Antje Bonhage war dabei.
Ein französisch-barocker Garten, Skulpturen der griechisch-römischen Mythologie, eine breite Freitreppe, die vom Garten hinauf ins Herrenhaus führt. Die Vögel zwitschern, ansonsten ist Ruhe. Auf Schloss Wiepersdorf, dem einstigen Wohnsitz des Schriftstellerpaares Achim und Bettina von Arnim und heutiger Künstlerresidenz, wirkt die Welt heil und lässt nichts ahnen von Gefangenschaft und Unterdrückung, die Pussy Riot in ihrem Auftritt "Riot Days" (zu deutsch: Tage der Aufruhr) besingen.
Die Künstlerresidenz hat die Teilnahme von Pussy Riot beim Luckenwalder Festival "The Drop Out: Tell Them I Said No" gefördert. Wie bereits im vergangenen Jahr sind die Mitglieder der feministischen Punkband für ein paar Tage mit einem Gruppenstipendium an diesem idyllischen Ort südöstlich von Jüterbog im Landkreis Teltow-Fläming untergekommen.
Multimediale Schau über die Bandgeschichte
Die Multimedia-Perfomance "Riot Days" basiert auf dem gleichnamigen Buch der Pussy-Riot-Aktivistin Maria ("Masha") Aljochina und erzählt - in einer Mischung aus Dokumentartheater, Videoeinspielungen und Konzert - deren Geschichte: vom 40-sekündigen Spontanauftritt mit dem Punkgebet "Jungfrau Maria, treib Putin hinaus" in der Christ-Erlöser-Kirche in Moskau, von der anschließenden zweijährigen Haft, vom letzten Tag im Gefängnis.
Auch Songs, die Putins Krieg in der Ukraine kritisieren, integriert die Gruppe in ihre Schau, mit der sie jetzt zwei Jahre lang durch Deutschland getourt ist. Der Auftritt im E-Werk in Luckenwalde war die letzte Station der Tournee. In Russland kann die Band nicht auftreten, alle Mitglieder leben längst im Exil, in ihrer russischen Heimat müssten sie um ihr Leben fürchten.
Gefährdete Demokratie – auch in Deutschland
Deutschland sei ein passender Ort für ihre Auftritte. Auch hier müsse man die Menschen wachrütteln, sagt Bandmitglied Olga Borisova. "Auf der Bühne zeigen wir, wie schnell sich Zeiten ändern können, wie schnell sich die Schlinge um den Hals zuziehen und wie schnell es vorbei sein kann mit Demokratie", so die Aktivistin.
"Verschließt Eure Augen nicht, nutzt Eure Meinungs- und Pressefreiheit!" Das sei es, was sie dem Publikum in Deutschland sagen wollen, ergänzt Taso Pletner, ein weiteres Mitglied der Gruppe. Sie finde es "beängstigend" zu erleben, wie unpolitisch gerade auch junge Menschen in Deutschland häufig seien und dass sie sich über wenig anderes Gedanken machten als über Clubs und Bier. Pletner: "Da denke ich dann: Hey Jungs, erschöpft sich Eure Freiheit darin, für 50 Euro ins Berghain zu gehen? Nichts zu wissen, zum Beispiel, wie viele Flüchtlingslager es in Berlin gibt, das ist doch keine Freiheit! Und wenn ich mit ihnen diskutieren will, wehren sie ab: Ich will meine Ruhe haben, mein Bier trinken und ‚nen Joint, der jetzt legal ist, rauchen."
Gedenken an Nawalny
Die Schau "Riot Days" ist seit dessen Tod dem russischen Oppositionellen Alexej Nawalny gewidmet. Für die Mitglieder von Pussy Riot war er eine Leitfigur. Nicht nur hat er sich während Masha Aljochinas zweijähriger Haft für sie eingesetzt. Auch die Punkband hat in Russland immer wieder zu Demonstrationen für Nawalny aufgerufen und dafür Festnahmen und Hausarrest riskiert.
Für Olga Borisova, die früher einmal bei der russischen Polizei gearbeitet hat, diesen Job 2015 an den Nagel hängte und zu Pussy Riot stieß, macht nicht zuletzt der Tod Nawalnys Putins Gefährlichkeit deutlich. Borisova: "Nawalny war der Politische Gefangene Nummer 1. Er war der lauteste Opportunist und überall im Westen bekannt. Wir nahmen an, dass seine Bekanntheit ihn in gewisser Weise schützen würde. Aber Putins Signal ist sehr deutlich, nämlich: Wir schrecken nicht davor zurück, auch den mutigsten und lautesten zu eliminieren. Ihr seid machtlos."
Die Hoffnung nicht verlieren
Eine gewisse Ernüchterung sei dadurch eingetreten, gestehen die Bandmitglieder ein. Dennoch wollen Pussy Riot ihre Putin-kritischen Aktionen nicht aufgeben und auch nicht den Glauben an mögliche Opposition. Für Olga Borisova war in dieser Hinsicht die Anteilnahme auch in Russland an Nawalnys Tod ermutigend. Tausende Russen seien zu seinem Grab in Moskau gepilgert und hätten Blumen niedergelegt, wissend, dass das für sie Konsequenzen haben könnte. "Diese Leute setzen damit ein Zeichen der Hoffnung", sagt Borisova. "Und wenn sie in einer solchen Situation Hoffnung haben, dann, so denke ich, habe ich kein Recht, KEINE Hoffnung zu haben."
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