Interview | Passagierin von KLM-Flug - "Was haben vier Tonnen Schweine in einem Passagierflugzeug zu suchen?"

Do 19.12.24 | 09:57 Uhr
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Schweine werden aus einem Fluzeug auf den Bermudas geladen. (Quelle: Carolina Amézquita Pino)
Audio: Antenne Brandenburg | 16.12.2024 | Arne Sprung | Bild: Carolina Amézquita Pino

Ein Flugzeug nach Mexiko-Stadt musste auf den Bermuda-Inseln zwischenlanden, weil es im Cockpit gestunken hat. Grund dafür waren Schweine im Frachtraum. Eine Berlinerin flog mit und erzählt nun von ihrer Reise.

Ein Flugzeug auf dem Weg nach Mexiko-Stadt musste auf den Bermuda-Inseln zwischenlanden, weil es im Cockpit stark gestunken hat. Grund dafür waren zahlreiche lebende Schweine, die im Frachtraum transportiert wurden, wie die Fluggesellschaft KLM rbb|24 bestätigte. Gleich 100 Tiere seien mitgeflogen, berichtete die Zeitung "De Telegraaf" unter Verweis auf die Flügbehörden auf den Bermudas. Carolina Amézquita Pino war mit an Bord und verbrachte 30 Stunden mehr als geplant auf der Reise nach Mexiko.

rbb|24: Wie ging es Ihnen beim Start der Reise?

Amézquita Pino: Ich war froh wieder nach Mexiko zu reisen, meine Freunde und Familie zu sehen. Letztes Jahr bin ich mit einem Flug mit zwei Zwischenstopps nach Mexiko gereist. Das war sehr anstrengend. Dieses Mal wollte ich nicht den gleichen Fehler machen. Deshalb habe ich den direkten Flug von Amsterdam nach Mexiko gebucht. Ich hatte vor dem Flug nicht viel geschlafen, vielleicht eine Stunde, aber ich dachte, das macht nichts. Ich hatte mir vorgenommen, während des Flugs zu schlafen.

Zur Info

Sowohl die Fluglinie KLM als auch die Lufthansa bestätigten gegenüber dem rbb, dass es nicht ungewöhnlich sei, dass Nutztiere auch in Passagiermaschinen befördert werden. Normalerweise erführen Passagiere davon nichts. Wie viele und wie große Tiere transportiert werden können, hänge stets von der Größe und der Art des Flugzeugs ab, teilte Lufthansa mit. Lebende Tiere würden nur unter strikten Sicherheitsvorkeherungen und unter Einhaltung der bestimmter Richtlinien befördert, so die beiden Airlines.

Wann hätten Sie ursprünglich ankommen sollen?

Ich hätte am Freitagabend um 19:30 Uhr in Mexiko landen sollen. Letzten Endes bin ich Sonntag um 2 Uhr morgens angekommen – 30 Stunden später.

Wussten Sie beim Start, dass unten im Flugzeugbauch 100 Schweine mitfliegen?

Nein, das wusste ich nicht. Beim Start schien alles normal zu sein.

Zur Person

Carolina Amézquita Pino ist eine mexikanische Journalistin, die in Berlin lebt. Sie ist nach Mexiko gereist, um die Feiertage mit ihrer Familie zu verbringen.

Wann haben Sie gemerkt, dass etwas nicht stimmt?

Etwa sechs Stunden nach dem Start hat der Pilot eine Durchsage gemacht, dass wir notlanden müssen. Völlig aus dem Nichts sprach er von Schweinen im Flieger. Ich dachte erst, er macht Witze. Aber er sagte, man müsse notlanden, weil der Gestank von den Schweinen im Flugzeugbauch die Piloten beeinträchtige. Sie hätten davon bereits Kopfschmerzen und könnten so nicht weiterfliegen.

Gerochen haben wir nichts

Carolina Amézquita Pino

Bis zu dieser Durchsage haben Sie nichts Außergewöhnliches bemerkt?

Nein, alles verlief meines Erachtens komplett normal. Alle Passagiere waren überrumpelt, niemand hat mit so etwas gerechnet. Was haben bitteschön vier Tonnen Schweine in einem Passagierflugzeug zu suchen? Ich habe versucht, erstmal ruhig zu bleiben und gedacht, dass sich dafür schon eine Lösung finden wird.

Das Flugzeug ist auf den Bermuda-Inseln zwischengelandet. Was ist dort nach der Landung passiert?

Wir saßen dort im Flugzeug und niemand hat uns gesagt, wie es weitergeht. Vier Stunden saßen wir dort, ohne dass uns jemand etwas gesagt hat. Auch das Bordpersonal wusste nichts, sie waren genauso überrascht davon, dass Schweine im Flugzeug waren, wie wir. Aus dem Fenster konnten wir sehen, wie die Schweine in Holzkisten aus dem Flugzeug gebracht wurden.

Wie war die Stimmung im Flugzeug?

Viele waren sehr angespannt, einige sogar richtig verzweifelt. Es gab auch einige Babys im Flugzeug. Gerochen haben wir aber nach wie vor nichts. Es war sehr schwierig auszuhalten, nicht zu wissen, was als nächstes passiert. In den vier, fünf Stunden, die wir da im Flieger saßen, hätten wir auch in Mexiko ankommen können.

Alle Passagiere waren überrumpelt, niemand hat mit so etwas gerechnet

Carolina Amézquita Pino

Sie sind dann aber erstmal nicht weitergeflogen und auf den Bermudas geblieben ...

Genau. Irgendwann kam die Durchsage, dass die Piloten ihr Zeitlimit erreicht hätten und nicht mehr weiterfliegen könnten. Bis ich im Hotel war, verlief alles sehr chaotisch. Der Flughafen auf den Bermudas ist nicht für so viele Passagiere auf einmal ausgelegt. Ich habe in dem Flughafen keine Mitarbeiter von KLM mehr gesehen, niemand war für uns verantwortlich. Es hat nochmal mehrere Stunden gedauert, bis ich in einem Hotel angekommen bin. Mein Gepäck aus dem Flugzeug durfte ich nicht mitnehmen. Das war besonders schwierig für die Menschen mit Babys oder die Medikamente nehmen mussten.

Wie ging es am nächsten Morgen weiter?

Der Weiterflug sollte am Nachmittag gehen, also habe ich mit einigen anderen Passagieren beim Frühstück überlegt, ob wir eine kleine Tour über die Insel machen. Durch Zufall habe ich an der Rezeption erfahren, dass schon in einer Stunde jemand kommen würde, um uns zum Flughafen zu bringen.

Mussten Sie das Hotel und Essen erstmal selbst bezahlen?

Das Hotel habe ich nicht bezahlt, aber das Frühstück schon und die Bermudas sind richtig teuer. 38 Dollar habe ich für mein Frühstück gezahlt. Das ist viel Geld für jemanden mit einem mexikanischen Gehalt.

Man hat uns verboten, den Flughafen wieder zu verlassen

Carolina Amézquita Pino

Ist der Flug dann wenigsten doch früher weitergeflogen?

Nein, im Gegenteil. Wir kamen am Vormittag am Flughafen an, auf der Tafel stand aber, dass der Flug erst um 21:30 Uhr weitergehen würde. Das war der nächste Schock. Wieder war kein Mitarbeiter von KLM vor Ort und wieder war der Flughafen auf so viele Menschen nicht eingestellt. Wir sollten in einem Bereich des Flughafens warten, in dem es keine Stühle gab und nur ein Restaurant, das wir selbst zahlen mussten. Man hat uns verboten, den Flughafen wieder zu verlassen.

Es war fast ein Gefühl von Gefangennahme. Wieso durften wir den Flughafen nicht mehr verlassen, wir hatten noch zehn Stunden Wartezeit vor uns? Niemand hat das verstanden.

Wie verlief dann der Weiterflug?

Man merkte den Menschen die Erschöpfung und die Anspannung an. Es war noch das gleiche Personal wie am Vortag und die haben schon gemerkt, wie unzufrieden wir alle mit der Behandlung der KLM waren. Wir haben ein Beschwerdedokument aufgesetzt und Unterschriften dafür gesammelt. Das hat sie gestört. Das Personal wurde während der Zwischenlandung gut behandelt, die wurden sofort untergebracht, wir Passagiere nicht.

Hatten Sie zu irgendeinem Zeitpunkt Angst?

Während der Reise ist mir das nicht aufgefallen, aber am Morgen nach meiner Ankunft in Mexiko war ich richtig krank. Und da ist mir die Frage eingefallen: Ging eigentlich ein Krankheitsrisiko von diesen Schweinen für die Passagiere aus? Ich weiß es nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte und übersetzte Anna Bordel

38 Kommentare

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  1. 38.

    Tja ich weiß nicht , wie werden denn Menschen behandelt.
    Alles schön und gut , aber tut mir leid - einfach peinlich.

  2. 37.

    >"Aber - was haben100 (nicht-menschliche) Schweine auf einem Passagierflugzeug zu suchen?"
    Tiere sind nach dem Gesetz eine Sache, also auch Handelsware. In einem Passagierflugzeug wird auch Fracht transportiert. Lebende Fracht im Frachtraum einer Passagiermaschine ist schon selten, kommt aber vor. Das mit dieser Schweinerei hier ist schon sehr speziell.

  3. 35.

    In Deutschland wird Tiere nicht besser behandelt. Schaumal nach dem Schicksal, die Deutsche Milch Kühe, die nach der Turkei lebendig geschickt werden… und dort an der Grenze gestorben sind

  4. 34.

    "Was mir in den Kommentaren zu diesem Artikel umd zunehmend auch bei anderen Artikeln auffällt,
    Ist die arrogante abwertende Überheblichkeit vieler Kommentatoren."

    ......dem kann ich mich nur anschließen und es ist mir auch aufgefallen. Vielleicht hilft es Ihnen zu wissen, dass Menschen, die der Meinung sind, sich so verhalten zu müssen oder zu wollen, meistens einen Grund haben, warum sie so etwas tun. Sie und ich wissen, dass kein Mensch besser ist als jemand anderes und wer es nötig hat, auf eine arrogante, abwertende Weise zu kommentieren, kann es entweder nicht besser, will provozieren oder ihm/ihr geht es nicht gut. Auch das könnte eine Möglichkeit sein ;-).

  5. 33.

    Da bestätigt sich mal wieder, daß wir Passagiere bei manchen Fluggesellschaften wie selbstladene Fracht auf einem Viehtransporter angesehen werden. Aber - was haben100 (nicht-menschliche) Schweine auf einem Passagierflugzeug zu suchen?

  6. 31.

    Das Bild spricht die eindeutige Sprache für Tierquälerei - wo bleibt da der Bezug im Bericht?

  7. 30.

    Da hat mir auch eine Bezugnahme auf das Tierwohl gefehlt - das ist doch erstrangiger, dann die Piloten, die dadurch und damit die Luftsicherheit beeinträchtigt wurden. AN letzter Stelle stünden für mich in dieser Rangfolge die Passagiere - die zwar nichts für diese ganzen Unannehmlichkeiten können, aber für mich, an letzter Stelle stünden.

  8. 29.

    Haben sie soeben getan.

  9. 28.

    Vielleicht fürs Goldene Blatt, Brigitte oder SuperIllu!

  10. 27.

    Dem kann ich mich anschließen. Was mir in den Kommentaren zu diesem Artikel umd zunehmend auch bei anderen Artikeln auffällt,
    Ist die arrogante abwertende Überheblichkeit vieler Kommentatoren. Niemand muss einen Artikel weiterlesen wenn schon die Überschrift nicht gefällt. Wenn es keine Wichtigkeit hat, braucht man dies nicht noch aufzuschreiben. Oder möchte man einfach auch nur mal etwas Substanzloses aufschreiben?

  11. 26.

    Ich finde den Artikel total interessant und gerade gut, dass der RBB auch mal links und rechts schaut. Und ich finde es erschreckend, wozu die KLM fähig ist, z.B. dass nicht nur die Tiere so befördert wurden sondern auch Passagiere mega schlecht behandelt wurden.

  12. 25.

    ja ja... gibt halt Sachen zwischen Himmel und Erde, die sind dramatisch - für die Schweine.
    Ansonsten... ja blöde gelaufen und mal wieder die Erkenntnis für mich: Was bin ich froh, nicht um die halbe Welt düsen zu müssen oder gar freiwillig zu wollen.

  13. 24.

    Meine Güte, es ist halt eine erzählenswerte Geschichte! Sogar ein bisschen lehrreich. Was sich hier über den Wert dieser Veröffentlichung echauffiert wird ist eher peinlich. Und wer schonmal auf einem Flug etwas Unvorhergesehenes erlebt hat, wird sich erinnern, wie gierig die Leute nach Entschädigung und Kostenübernahmen geifern. Es braucht viel mehr solche persönlichen Geschichten in diesen unpersönlichen Zeiten!

  14. 23.

    Vermutlich fühlen sich 100 Schweine dort trotzdem nicht wohl. Wenn sich der Pilot über Gerüche beschwerte, standen die Tiere stundenlang in ihren Fäkalien.
    Ehrlich gesagt verstehe ich den Bericht auch nicht. Lange Reisen sind manchmal mit Widrigkeiten verbunden. Das ist auch nicht anders, wenn man nach einem Unfall stundenlang auf der Autobahn in einem Stau steht. Das eigentlich Schlimme sind die eingepferchten Tiere. 100 Schweine sind sehr viele. Muss das sein?

  15. 22.

    Es gibt nicht nur Tierschutz.
    Es gibt auch Fluggastrechte.
    Daher sind die Fragen logisch.

  16. 19.

    Es ist normal , dass Tiere im Frachtraum transportiert werden. Es gibt Tierschutzbedingungen , die eingehalten werden müssen . Im Gepäckraum herrschen ähnliche Bedingungen wie in der Kabine. Temperatur und Luftdruck sind auch auf längeren Flügen angenehm.

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