Interview | Bundesgesellschaft für Endlagerung - "Wir suchen einen Standort, der Sicherheit gewährleistet für die Ewigkeit"

Fr 14.04.23 | 06:57 Uhr
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Symbolbild:Ein Warnschild "Radioaktiv - Vorsicht! Erhöhte Strahlung" steht auf einem Gelände eines Atomkraftwerks.(Quelle:dpa/S.Sauer)
Audio: rbb24 Inforadio | 13.04.2023 | Interview Christoph Kober & Steffen Kanitz | Bild: dpa/S.Sauer

Die letzten drei deutschen Atomkraftwerke gehen am Samstag vom Netz. Für den radioaktiven Müll sucht die Bundesgesellschaft für Endlagerung noch einen Standort. Ein schwieriges Unterfangen, wie Geschäftsführer Steffen Kanitz im Interview sagt.

Die letzten drei verbliebenen Atomkraftwerke in Deutschland gehen am 15. April vom Netz. Doch die Hinterlassenschaften aus mehr als einem halben Jahrhundert Kernenergie strahlen unvermindert weiter. Die in radioaktiven Abfällen vorkommenden Nuklide haben teilweise eine Halbwertszeit von rund einer Million Jahre. Steffen Kanitz ist Geschäftsführer bei der Bundesgesellschaft für Endlagerung, die einen Standort für ein Endlager für hochradioaktive Abfälle sucht.

Zur Person

Steffen Kanitz, Mitglied der Geschäftsführung der BGE am 28.09.2020.(Quelle:dpa/K.Nietfeld)
dpa/K.Nietfeld

Steffen Kanitz

ist stellvertretender Vorsitzender der Geschäftsführung der Bundesgesellschaft für Endlagerung. Von 2013 bis 2017 war der Diplom-Kaufmann und CDU-Politiker Mitglied des Deutschen Bundestages. Im Juni verlässt er die BGE und wechselt zur RWE Power AG.

rbb: Am 15. April endet nun endgültig eine Epoche in Deutschland. Wie müssen wir uns das Ende des Atomstroms konkret vorstellen?

Steffen Kanitz: Die Leistung der Reaktoren wird nach und nach reduziert. Am Samstag werden die Reaktoren dann schlussendlich vom Stromnetz getrennt. Anschließend beginnt die so genannte Nachbetriebsphase, die mehrere Monate oder gar Jahre andauern kann.

Es gibt noch eine ganze Menge Radioaktivität in den Kernkraftwerken. Die Brennelemente etwa, mit denen die Aktivität erzeugt wurde, werden aus dem Reaktor gezogen und dann in einem sogenannten Abklingbecken, einem großen Wasserbecken, über mehrere Jahre gelagert. Anschließend werden sie dann in Transport- und Lagerbehälter, die sogenannten Castorbehälter, verpackt und in ein Zwischenlager überführt, in dem die Abfälle bleiben, bis wir einen Endlagerstandort gefunden haben.

Können Sie uns in einer verständlichen Größe sagen, wieviel Atommüll bislang angefallen ist in Deutschland, der jetzt endgelagert werden muss?

Wir haben am Ende etwa 30.000 Kubikmeter hochradioaktiver Abfallstoffe und 600.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiver Abfallstoffe.

30.000 Kubikmeter, das ist in etwa ein Volumen von einem Würfel der Kantenlänge mit 30 Metern. Das klingt nicht wahnsinnig viel, 30 Mal 30 Mal 30 Meter. Aber dieser Müll, der nur fünf Prozent des Gesamtvolumens ausmacht, verfügt eben über 99 Prozent der Strahlung – Strahlung die zumindest teilweise eine Halbwertszeit von mehreren Hunderttausend Jahren hat.

Wo lagert das Material, das schon angefallen ist im letzten halben Jahrhundert Atomstrom in Deutschland?

Es lagert aktuell dezentral an den Standorten der Kernkraftwerke und an zentralen Zwischenlagerstandorten. Das sind insgesamt 16, die über ganz Deutschland verteilt sind. Das sind große Hallen, in denen diese Castor-Behälter gelagert sind. Wenn alle Reaktoren abgeschaltet und die Brennelemente verpackt sind, dann werden wir etwa 1.900 Castoren haben, die es dann am Ende gilt sicher einzulagern.

Ein Endlager muss also für diese Zeit garantieren, dass keine Strahlung austritt, Mensch und Umwelt geschützt sind. Ursprünglich sollte bis 2031 ein Ort gefunden worden sein. Was macht die Suche so kompliziert?

Wir suchen einen Standort, der Sicherheit gewährleistet für die Ewigkeit - mindestens aber für eine Million Jahre. Das zeigt schon, wo das Problem liegt. Wir können nicht mit Mutmaßungen arbeiten. Wir müssen sicher sein. Das Verfahren ist ein wissenschaftsbasiertes Verfahren. Das heißt, wir schließen im Prinzip sukzessive nicht geeignete Standortregionen aus. Deutschland ist ein Land, das gesegnet ist mit einer sehr, sehr guten Geologie.

Das bedeutet, wir haben potenzielle Endlagerstätten in allen drei potenziellen Wirtsgesteinen - also Salz, Ton oder Granit. Diese drei Formationen sind also in unserem Fokus. Und wir müssen jetzt mit verschiedenen Instrumenten, die uns der Gesetzgeber an die Hand gegeben hat, sicherstellen, dass wir von den sozusagen weniger guten Standorten zu dem besten kommen.

Was macht den besten Standort aus? Dass er weit entfernt vom Menschen ist?

Das ist im Grunde genommen ein nachrangiges Kriterium. Die treibende Frage ist die des sicheren Einschlusses unter Tage. Wir suchen eigentlich einen Tresor, der sehr tief liegt, der dicht ist und der für dauerhafte Stabilität steht.

Es geht eher darum, dass innerhalb dieser einer Million Jahre keine Prozesse eintreten - wie etwa Erdbeben oder Überschwemmungen, die dazu führen, dass das Endlager freigelegt wird. Hier steckt das größte Gefährdungspotenzial. Das heißt, wir müssen möglichst tief und weit von grundwasserführenden Schichten sein - und wir dürfen nicht in Regionen gehen, in denen sich die Erde noch bewegt.

Wie suchen die Geologen dann konkret nach diesen Orten?

Die Arbeiten im Grunde ähnlich so wie Förster auch arbeiten, wenn sie einen Baum zerschneiden und auf eine Baumscheibe blicken. Förster zählen anhand der Ringe ab, wie alt ein Baum ist. Geologen blicken in die Tiefe und können ablesen, wo sich seit 100 Millionen Jahren die Erde nicht mehr bewegt hat. An diesen Orten könnten wir relativ sicher prognostizieren, dass die nächsten eine Millionen Jahre auch nichts weiter passiert.

Wie lange wird es nach der Abschaltung der Kernkraftwerke nun dauern, bis diese tatsächlich zurückgebaut sind und man auf diesem Gelände wieder etwas anderes machen kann?

Das ist von Standort zu Standort unterschiedlich. Wir rechnen mit einem Zeitraum zwischen zehn und 15 Jahren, der benötigt wird, um diese Standorte dann wiederum einer Nachnutzung zuzuführen. Das Ziel ist es, hier insbesondere Kraftwerksstandorte für wasserstofffähige Kraftwerke zu erschließen. Diese können dann wiederum sicherstellen, dass die Energiewende auch nach dem Zeitalter des Atomstroms gelingen kann.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Christoph Kober. Bei der hier vorliegenden Fassung handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung.

Sendung: rbb24 Inforadio, 13.04.2023, 7:45 Uhr

51 Kommentare

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  1. 51.

    Deutschland scheint da sehr besondere Anforderung an die Lagerung zu haben, andere Nationen mit wirklich bedeutender Nuklearindustrie + Atomwaffenindustrie sehen das n.m.M. "sportlicher", wie man mit den Resten aus Kraftwerken und Bombentestungen umgeht.

  2. 50.

    Doch doch aber sie erzeugen dann weitere Spaltprodukte. Jene wurden ja schon für industrielle und militärische Zwecke verwendet.

    Das Problem dieser ist nicht nur die Strahlung die meisten sind hoch toxisch. Wie andere Schwermetalle auch und sollte bei der Lagerung etwas nicht dicht sein, weil die Behälter wie in der Asse einfach weg rosten müssen diese wieder aufwendig geborgen werden. Bei vielen diese Schwermetalle reichen nur spuren um das Trinkwasser ganzer Regionen zu verseuchen.

    Man sollte Herrn Söder den Müll einfach vor die Tür stellen. Mit sorge betrachte ich auch wie ein Herr Habeck Energie aus Ukrainischen Reaktoren haben möchte. Als ob in der Ukraine nicht das beste Beispiel technischen wie Menschlichen Versagens dieser Technik steht. Diese Kraftwerke sind in der Ukraine still zu legen und der Brennstoff ist zu entfernen. Mir kann doch niemand erklären das diese sicher wären, im einem Kriegsgebiet. Die Grünen sind in dieser Beziehung nicht glaubhaft.

  3. 49.

    Na und, die Jobs in so einem Endlager sind so sicher wie sonst keiner, siehe Krieg in Ukraine und das größte AKW der Welt! da es dank unserer derzeitigen Regiering in Zukunft kaum noch lukrative Jobs in der Industrie gibt, kann ich nur jungen Leuten Raten, sich beim zukünftigen Endlager zu bewerben, da bekommt ihr menschenwürdige Jobs zu super bezahlten Gehältern!

  4. 48.

    "Die Zukunft der Kernenergie heißt Fusionsreaktor und hier erfüllt Deutschland seine Vorgaben nicht! Es investiert nicht wie vereinbart in diese Technologie, wo sie nur Wasser brauchen. " H-H-Fusion hat einen schlechten Reaktionsquerschnitt bei den erzielbaren Bedingungen, man wird wenigstens D-H- oder sogar T-H-Fusion betreiben. Damit wäre wir in Deutschland wieder beim Problem der Erzeugung von genug schwerem Wasser, das ja schon einmal stand.

  5. 47.

    "Sie können ja nur ein kleinen Teil des Uran so anreichern das es Spalt fähig ist. " Man kann auch Natururan verwenden, braucht dann aber einen Schwerwassereaktor, also Typ "Haigerloch" - aktuell laufen so CANDU in Kanada und en:IPHWR in Indien.

  6. 46.

    Im Prinzip ja. Aber: "Sie können ja nur ein kleinen Teil des Uran so anreichern das es Spalt fähig ist. " den Rest können Sie sich in Brütern erbrüten durch Neutronenbestrahlung. Rein technisch betrachtet ist da schon noch mehr an Ausnutzung des Spaltstoffes machbar. Uranvorkommen sind reichhaltig auf der Erde vorhanden. Das Problem ist wie bei anderen Vorkommen, das die wirtschaftlich lohnenden hochkonzentrierten Vorkommen begrenzt sind - es gibt aber auch in Japan schon länger Versuche zur Abtrennug von Uran aus dem Meerwasser (dann müßte man nichts mehr importieren). Fazit: technisch ist da noch jede Menge Luft, die Frage ist eher, ob das alles wirtschaftlich sinnvoll ist.

  7. 45.

    Haben Sie meinen Beitrag überhaupt verstanden? Dass die heutige Kernspaltung die in den ausgebrannten Brennstäben noch enthaltene Energie nicht mehr nutzen kann, habe ich doch selbst geschrieben.

  8. 43.

    Das Problem wer kann heute sagen was in 100 Jahren noch sicher ist ? Hier ist ja das Kernproblem, eine Technologie zu entwickeln die eine Sichere Lagerung ermöglicht. Wo diese Lagerung dann stattfindet ist ein Politisches Problem.

    Aber auch aus der Industrie und Medizin fällt radioaktiver Müll an, man hat die Büchse einmal aufgemacht und wird sie nun nicht mehr los.

    Genau dieses Müll Problem hat auch die Energieversorger veranlasst sich gegen diese Kraftwerke auszusprechen. Sie wollten diese nicht, zu teuer im Bau und Betrieb. Der Staat hatte ihnen dann das Müllproblem gegen ein Handgeld abgenommen und diese Kraftwerke großzügig gefördert. Als Zwischenlager hat man dann die Grenze zur DDR politisch bestimmt. Da wohnt ja keiner, welches sich heute mitten in Deutschland befindet und technisch nicht geeignet ist. Man sieht die Politik konnte schon damals nur in Legislaturperioden denken.

  9. 42.

    Unsere Brennstäbe kommen aus Russland und der Transport zur Aufarbeitung zur WAA nach La Hague und Sellafield ist politisch heikel. Zumal ist Uran endlich und dieses Ende ist auch beim jetzigen Verbrauch benannt. Sie können ja nur ein kleinen Teil des Uran so anreichern das es Spalt fähig ist. Diese Prozesse des Abbaus, Anreicherungen etc. sind weder CO2 Neutral noch Umweltverträglich.

    Die Zukunft der Kernenergie heißt Fusionsreaktor und hier erfüllt Deutschland seine Vorgaben nicht! Es investiert nicht wie vereinbart in diese Technologie, wo sie nur Wasser brauchen. Dieses Wasser können immer wieder verwenden um Energie zu erzeugen. Wäre eine solche Technologie heute verfügbar wäre das Problem gelöst- Es stecken aber andere Interessen dahin die Forschung in jene Technologie möglichst klein zu halten. Das Geld für diese Technologie wäre vorhanden aber die Staaten erfüllen ihre Zusagen nicht und bei dem bisschen Geld wird man 200 Jahre brauchen um solch einen Reaktor zu bauen.

  10. 41.

    @RBB:
    "Löst Transmutation das Atommüll-Problem?"
    https://www.tagesschau.de/wissen/forschung/belgien-forschungsreaktor-myrrha-101.html

  11. 40.

    Das Problem ist das es nie ein sicheres Endlager geben wird
    Noch etliche Generationen nach uns werden mit dem Atomschrott den wir in den letzten 62 Jahren produziert haben, beschäftigt sein

  12. 39.

    "Man brächte neue Brennstäbe und diese kommen aus Russland." Rußland ist international eher ein kleiner Produzent von Brennstäben, andere Länder sind bedeutender und aus denen lagen auch Angebote vor.

  13. 38.

    Ihre aufgebrauchten Brennstäbe kann man aufarbeiten. Außerdem ist da noch viel Material drinnen, das man in Brüterreaktoren weiterverwenden kann. In Deutschland wurden die Brennstäbe leider immer nur sehr wenig genutzt, da nie der ganze Zyklus aufgebaut wurde (Aufarbeitung, Brüter),trotz vorhandem Know-How - der reduziert auch etwas das Abfallproblem durch die Mehrfachverwendung und günstigere Endnuklidzusammensetzung.

  14. 37.

    Das Wort "Endlager" ist ein Phantasiebegriff. Wahrscheinlich stand das Wort damals schon in einem der Bücher der Brüder Grimm. Auf der Erde kann man keinen Platz finden, der eine Million Jahre stabil bleibt. Allein die Tatsache, dass der Mensch einen Weg hin zu diesem Ort gebaut hat, macht ihn instabil. Was bürden wir 40.000 folgenden Generationen da für eine Wach- und Kontrollarbeit auf?

    Hin zu kommt das Märchen vom billigen Atomstrom! Eine Kilowattstunde (kWh) Atomstrom kostet bis zu 42,2 Cent. Die Windenergie liegt hingegen nur bei etwa 8,1 Cent/kWh (Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft). Die Atommüllentsorgung lässt sich dabei überhaupt nicht beziffern.

  15. 36.

    das ist falsch, die Brennstäbe sind aufgebraucht. Es gibt kein Spalt fähiges Material mehr. Genau das war ja auch der Punkt das man die Kraftwerke nur noch einmal einfahren hätte können. Danach wäre keine Kettenreaktion mehr in gang gekommen. Man brächte neue Brennstäbe und diese kommen aus Russland. Die kann man nicht mal eben bestellen, sondern das braucht mindestens ein Jahr. Die Diskussion ist also hinfällig da die Kraftwerke weder nochmals angefahren werden können noch sind diese Aufgrund der fehlenden Untersuchungen Betriebsfähig.

    Das Problem an den gebrauchten Brennstäben sind die Spaltprodukte und da sind Nuklide bei die hohe Halbwertzeiten haben und so viel Strahlung freisetzen das alles zu Grunde geht.

    Neue Brennstäbe strahlen nur sehr gering, sobald sie aber in betrieb gegangen sind ist die Strahlung durch die Spaltprodukte so hoch das sie binnen Minuten einen grauenvollen Tod erleben. So lange sie nicht durch Wasser abgeschirmt werden.

  16. 35.

    "...ein guter Mix macht es bezahlbar." Klar - es dreht sich alles nur ums Geld, um die Bequemlichkeit und dem Festhalten an Vorhandenem. Neue Ideen sind Teufelswerk und es schert einem einen feuchten Kehricht mit welchen Folgen der Kerntechnik die nachfolgenden Generationen ggf. zu kämpfen haben werden. Die Generationen 60- sollen vor Dank gefälligst das Haupt in Demut neigen und widerspruchslos alles hinnehmen. Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, werter "Haudi".

  17. 34.

    Am Endlager gibt es dann bestbezahlte Industriejobs für Generationen.

  18. 33.

    In einem anderen Kommentar haben sie heute geschrieben, alle nach Brandenburg. Schicken sie immer andere vor???

  19. 32.

    …..schon das Sie so auf der Generation 60+ draufhauen. Immerhin hat diese und frühere Generation den Wohlstand erarbeitet, den Sie jetzt genießen. Immer dieses Gefasel von erneuerbarer Energie…..ein guter Mix macht es bezahlbar. Schon mal auf die Weltkarte geschaut und mitbekommen? Es werden viele neue Atomkraftwerke der 2. Generation geplant und gebaut.
    Auch mal schauen, das wir ggf. Atomstrom aus dem Ausland zukaufen müssen, um unseren Strombedarf zu decken, inklusive der Wirtschaft.

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