Verkehrspolitik der schwarz-roten Koalition - Politisches Schattenboxen im fließenden Verkehr
Wie geht es mit der Verkehrswende unter Schwarz-Rot in Berlin weiter? Das Mobilitätsgesetz brachte die Vorgänger-Koalition auf den Weg, der fehlende Teil wird nun von CDU-Senatorin Schreiner überarbeitet - die den Ruf einer Auto-Lobbyistin hat. Von Sebastian Schöbel
Antje Kapek versuchte sich in lautmalerischer Sprache, um jüngst im Abgeordnetenhaus den verkehrspolitischen Start von Schwarz-Rot in Berlin zu beschreiben. "Bam! Wir alle wurden Zeugen des ersten Verkehrswendecrashs der schwarz-roten Regierung."
Kapek meinte den noch fehlenden Teil des Mobilitätsgesetzes, mit dem der Wirtschaftsverkehr und neue Mobilitätsformen wie Sharing-Fahrzeuge geregelt werden sollten. SPD, Grüne und Linke hatten den Gesetzentwurf im Streit nicht mehr verabschieden können. CDU-Verkehrssenatorin Manja Schreiner hat ihn nun ganz zurückgezogen - um den Entwurf zu überarbeiten und erneut ins Parlament einzubringen. "Ihre Verzögerungstaktik kostet die Wirtschaft real Geld", beschwerte sich Kapek.
SPD scheint Verkehrspolitik ohne Grüne zu genießen
Die CDU hielt im Parlament dagegen: Der alte Entwurf des Mobilitätsgesetzes habe zum Beispiel aufs Auto angewiesene Handwerker und Pflegekräfte in Busse und Bahnen zwingen wollen, behauptet der neue verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Johannes Kraft. Mit Schwarz-Rot werde das Auto nun nicht mit Macht aus dem Berliner Straßenbild verdrängt werden. "Sie werden sich wundern, wie zeitnah wir eine neue Vorlage haben und wie zeitnah wir sie durchs Parlament bringen werden", so Kraft.
Die SPD scheint es derweil regelrecht zu genießen, Berlins Verkehr nicht mehr mit den Grünen gestalten zu müssen. Am Ex-Koalitionspartner und dessen Drängen auf eine City-Maut sei das Mobilitätsgesetz zuletzt doch gescheitert, stichelte SPD-Verkehrspolitiker Tino Schopf: "Das Mobilitätsgesetz ist kein Therapiesofa zur Bewältigung Ihres Koalitionstraumas."
Verkehrssenatorin Schreiner will offenbar weg vom Image der Auto-Lobbyistin
Es ist vor allem dieses politische Schattenboxen zwischen neuer Regierung und neuer Opposition, die Berlins Verkehrspolitik bestimmt. Wo früher die CDU vor allem den Grünen verbohrte Ideologie vorwarfen, tun es nun im Gegenzug die Grünen bei der CDU. Seinen Höhepunkt erreicht der Streit zuletzt bei der Friedrichstraße, die Senatorin Manja Schreiner ab Juli wieder für Autos freigegeben hat - aus rechtlichen Gründen wie sie sagt. Stattdessen soll nun ein Verkehrskonzept für das größere Umfeld der Friedrichstraße erarbeitet werden. Für die Grünen der Anfang vom Ende einer Großstadt, in der Radfahrer Priorität bekommen. Dabei ist längst nicht klar, was am Ende aus Schreiners Masterplan wird.
Überhaupt bemüht sich Schreiner merklich, das Image der Auto-Lobbyistin abzuschütteln. "Auch ein Autofahrer muss sich daran gewöhnen, dass wir in einer Großstadt sind und auch der Radverkehr seine Bedeutung hat", sagte sie kürzlich der rbb24 Abendschau. Zudem spricht die 45-Jährige viel über Punkte, die auch die Grünen mittragen würden: Park&Ride-Plätze am Stadtrand, mehr ÖPNV-Angebote, mehr E-Ladesäulen. Beim Tempolimit von 30km/h betont Schreiner zwar, dass der Verkehr einer Millionenmetropole fließen muss, doch denkbar wäre die Geschwindigkeitsbegrenzung in Straßen, in denen sich Schulen, Kitas oder Krankenhäuser befinden.
Wie autofreundlich wird Schwarz-Rot?
Bei Radwegen wiederholt sie den Pragmatismus des Koalitionsvertrages: Ausbau ja, aber nicht mehr zwingend mit 2,30 Meter. Wo weniger Breite mehr Ausbautempo bedeutet, darf es auch ein bisschen weniger sein. "Dann ist ein Fahrradweg besser als kein Fahrradweg."
Wie autofreundlich diese Regierung und vor allem Verkehrssenatorin Manja Schreiner agieren werden, lässt sich bislang noch gar nicht sagen. Die Projekte, an denen sie sich messen lassen muss, warten noch: Der Bau der Tangentialverbindung Ost zum Beispiel, die CDU und SPD unbedingt vorantreiben wollen, oder der Bau des 17. Bauabschnitts der A100, dem die Berliner Landesregierung nicht völlig machtlos gegenübersteht. Auch der Ausbau des Radwegenetzes ist mit zahlreichen Strecken nie über das Planungsstadium hinausgekommen. Vor allem hier könnte also unter Schwarz-Rot mehr passieren, als unter Rot-Grün-Rot je geschafft wurde.
Sendung: rbb24 Inforadio, 30.05.2023, 6:00 Uhr