Kommentar | Bündnis Sahra Wagenknecht - Parteigründung ohne Ost-Personal: Schönheits- oder Geburtsfehler?

Mo 08.01.24 | 23:37 Uhr | Von Thomas Bittner
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Sahra Wagenknecht am 08.01.2024 in Berlin. (Quelle: dpa/Bernd von Jutrczenka)
Bild: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Partei "Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit" will 2024 bei der Europawahl und den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland antreten. Was das Bündnis dem Osten allerdings bieten kann, bleibt offen. Ein Kommentar von Thomas Bittner

Der Vorstand ihrer neu gegründeten Partei, den Sahra Wagenknecht am Montag vorgestellt hat, besteht aus Persönlichkeiten, die im Westen sozialisiert wurden. Parteivize aus Düsseldorf, Generalsekretär aus Bochum, Europa-Spitzenkandidat aus Hamburg. Sahra Wagenknecht sagt selbst, es sei "ein Schönheitsfehler", diese "Westlastigkeit".

Nun muss sie aufpassen, dass es kein Geburtsfehler wird. Denn der Neustart muss vor allem im Osten glücken.

Ein paar Minuten vor dem Eingeständnis des Schönheitsfehlers sagte Wagenknecht noch, sie sei zuversichtlich, auch bei allen drei Landtagswahlen im Osten anzutreten. Sie selbst steht mit ihrer eigenen Biografie für einen gewissen Ostblick, auch wenn sie inzwischen im Saarland lebt und in Nordrhein-Westfalen zur Wahl stand.

Doch genauso wenig, wie sie gleichzeitig für die Europawahl antreten kann, während sie im Bundestag als Abgeordnete eine Gruppe führt, kann sie selbst bei allen drei Landtagswahlen kandidieren. Zumal es dafür rechtliche Hürden geben würde.

In Brandenburg wagt sich bisher keiner aus der Deckung

Wenn es erklärtes Ziel der neuen Partei sein soll, gleich im Herbst im Osten Flagge zu zeigen, hätte man schon bei der Parteigründung personelle und inhaltliche Zeichen setzen müssen. In zwei Stunden Pressekonferenz wurde über den Osten nur dann ein Wort verloren, wenn es um die Partei selbst ging.

Wagenknecht weiß, dass sie für die Landesparlamente eine Liste solider und kompetenter Kandidatinnen und Kandidaten präsentieren müsste. Sie gehe davon aus, jeweils 30 bis 40 solcher Menschen auf den Landeslisten in Sachsen, Thüringen und Brandenburg präsentieren zu können, sagte sie. Man sei im Gespräch mit "respektablen, renommierten Persönlichkeiten", raunte Wagenknecht.

Denn sie geht wohl auch davon aus, dass ihr Bündnis es sogar in Regierungsverantwortung schaffen könnte. Man brauche also Menschen, die ihr Handwerk verstehen. Aber zum Auftakt präsentierte sie für die Ostwahlen: niemanden. Wo man auch fragt: In Brandenburg wagt sich bisher keiner aus der Deckung - im Gegensatz zu Berlin.

Alle anderen arrogant oder unfähig

In der Politik-Analyse kann Sahra Wagenknecht sehr treffend die Defizite der politischen Mitbewerber benennen. Der Bundesregierung wirft sie vor, dass sich durch deren Politik die Menschen im Stich gelassen fühlen. Der Bundeskanzler wirke sprachlos, selbst wenn er lange Reden halte.

Der Opposition bescheinigt Wagenknecht, dass sie die Politik der Regierung großenteils mittrage. Bei der AfD lehnt sie Hetze und das Bedienen von Ressentiments ab. Und von den Linken habe man sich wegen der Konzentration auf "Gender- oder Lifestyle-Themen" abgewandt.

Wie will man mit der Haltung, alle anderen seien arrogant oder unfähig, in ein mögliches Regierungsbündnis gehen, um "Vernunft und Gerechtigkeit" durchzusetzen? Schon in der zweistündigen Pressekonferenz wurden Widersprüche offensichtlich. Die Schwächsten in der Gesellschaft sollen mehr Gerechtigkeit erfahren. Gleichzeitig kritisiert man, dass sich "ein Milieu von Kostgängern und Almosenempfängern entwickelt" habe. Die unkontrollierte Migration solle eingedämmt werden, aber Menschen mit Asylgrund sollen auch zukünftig Aufnahme finden.

Alles richtig, aber nicht wirklich neu

"Vernunft und Gerechtigkeit" sind im politischen Diskurs sehr dehnbare Begriffe. Sahra Wagenknecht sagt, die Politik solle sich "am Machbaren orientieren". Um wenige Sekunden später Dinge zu fordern, an deren Machbarkeit schon viele Politiker vor ihr gescheitert sind. Man hätte doch die deutsche Autoindustrie dazu bringen können, verbrauchsärmere Autos zu produzieren, statt Verbrenner zu verbieten. Man müsse die Konflikte in der Welt friedlich lösen, damit sich nicht so viele Menschen auf den Weg machen müssen.

Alles richtig, aber nicht wirklich neue Ideen.

Das Bündnis um Sahra Wagenknecht wolle in 30 oder 40 Jahren eine Volkspartei sein, sagen die Gründerinnen und -gründer. Vielleicht könnte eine pragmatische neue Kraft, die sich nicht in das alte Links-Rechts-Schema einsortieren lässt, bei der Auflösung von Blockaden helfen.

Doch welche konkreten, vernünftigen, gerechten und umsetzbaren Lösungen ihr Bündnis anbietet? Und wer? Diese Antworten bleibt uns Sahra Wagenknecht noch schuldig.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 08.01.2024, 19:30 Uhr

Beitrag von Thomas Bittner

46 Kommentare

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  1. 46.

    Es hat für mich einen üblen Beigeschmack, dass der Name der Parteigründerin im Namen der Partei enthalten ist. Und über die Zusammen -setzung des Vorstandes mit ausschließlich " Wessis " kann man sich so seine Gedanken über die Richtung dieser Partei machen .

  2. 45.

    Hey,wusstet ihr nicht. Rosa Luxemburg ist wiedergeboren. Sie nennt sich heute Sahra Wagenknecht. Es lebe der Kommunismus.

  3. 43.

    Ach, hier spricht wieder die alte Antikommunistin,deren Welt und Zeit schon lange vorbei ist. Ist man in den Augen derartiger Menschen nicht ihrer Meinung, versuchen diese Zeitgenossen jeden andersdenkenden in bestimmte Ecken zu stellen, nach Moskau zu schicken oder andersweitig mundtot zu machen.Genau dieses Verhalten trennt die Gesellschaft, begünstigt die AfD und schadet der Demokratie.Darüber sollten diese Beschimpfer einmal nachdenken,wenn sie das überhaupt können.

  4. 42.

    Da gebe ich Ihnen Recht. Merkel solange am Ruder war ein Unglück. Der CDU "General" will Merkel für den Wahlkampf einspannen. Da freut sich die AfD. Ohne Aufarbeitung der Merkelzeit wird das nie was mit der CDU. Die erste Maßnahme von CDU Merz hätte sein müssen, zu klären, auf welcher Rechtsgrundlage Merkel 2015 die Grenzen geöffnet hat. Denn der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages fand keine solche. Aber das ist ein anderes Thema.

  5. 41.

    Tja, wer nicht gerne nachdenkt, das beleibt ihm unbenommen, aber bitte nicht von wir sprechen!!!

  6. 40.

    Die Zeit der bösen ostdeutschen Kommunisten ist für mich seit fast 35 Jahren vorbei. Aber es gibt immernoch Menschen, die scheinbar der Meinung sind, Ostdeutsche kriegen nichts auf die Reihe, weil sie zu lange im Sozialismus gelebt haben bzw. zu lange unter der Rotlichtlampe saßen.

  7. 39.

    ich finde das frau Wagenknecht nicht in unsere politischen Landschaft gehört. Sie gehört nach Moskau geschickt da ist sie dann unter ihres gleichen. Man muss sich dafür schämen das diese Frau auch noch aus den osten kommt, die tägliche Rotlichtbestrahlung zu DDR Zeiten haben ihr übriges Getan

  8. 38.

    Was haben die Sanktionen denn bitte konkret geändert an Putins Vorgehen?
    Dein Beitrag verkennt die Realitäten.

  9. 37.

    Da scheint aber Einigen hier der A... jetzt schon auf Grundeis zu gehen.
    Schauen wir mal, wie viele Stimmen sie am Ende wirklich einsammelt, meine hat sie jedenfalls.
    Als bekennender "Lumpenpazifist" sind die Grünen seit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg der Nato auf Serbien nicht mehr wählbar und die Linken inzwischen leider auch nicht mehr seit ihrer Unterstützung für Waffenlieferungen. Über CDU, SPD und FDP brauchen wir da nicht nach zu denken und die sogenannte Alternative ist keine.

  10. 36.

    "Die Schwächsten in der Gesellschaft sollen mehr Gerechtigkeit erfahren. Gleichzeitig kritisiert man, dass sich "ein Milieu von Kostgängern und Almosenempfängern entwickelt" habe. Die unkontrollierte Migration solle eingedämmt werden, aber Menschen mit Asylgrund sollen auch zukünftig Aufnahme finden."
    Ist der Autor wirklich nicht in der Lage zu differenzieren und sieht darin einen Widerspruch? Wenn dem wirklich so ist,wäre das traurig,aber ich würde es dann erklären.

    "Um wenige Sekunden später Dinge zu fordern, an deren Machbarkeit schon viele Politiker vor ihr gescheitert sind."
    Sie sind nicht daran gescheitert,sondern wollten es einfach nur nicht umsetzen.

  11. 35.

    Danke Steffen, dass Du uns diesen bösen Russenbären Putin erklärst. Erinnert mich etwas an die Erklärungen der kalten Krieger der KAS aus den Fünfzigern des letzten Jahrhunderts.

  12. 34.

    Das sehen Sie sicherlich richtig. Nur sehe ich keinen greifbaren Grund, Frau Wagenknecht Putinnähe zu unterstellen und auf Grund ihrer - lange zurückliegenden Herkunft - politische Unfähigkeit zu vorzuwerfen.

  13. 33.

    Das von uns erarbeitete Kapital fließt schon seit Jahren woanders hin - wird großzügig in der ganzen Welt verteilt oder landet in den Taschen einiger weniger (siehe DB-Vorstandsboni). Während die Untere und Mittelschicht oft am Rande der Existenz steht.

  14. 32.

    Auf welche bösen ostdeutschen Kommunisten spielen Sie konkret an?

  15. 31.

    Waffen schüren keine Kriege und Gewalt. Es sind machtbesessene Diktatoren wie Putin, die diese Waffen einsetzen, um als Imperator in die Geschichte einzugehen. Wie viele Menschen auf diesem Weg drauf gehen ist ihm völlig egal. Verhandlungen zu fordern ist wohlfeil, wenn man sieht wie viele Verträge dieser Mann gebrochen hat.
    Brandt und Schmidt haben aus einer Position der Stärke heraus Verhandlungen mit der Sowjetunion geführt und so für Abrüstung und Entspannung gesorgt. Den NATO-Doppelbeschluss hat Helmut Schmidt durchgesetzt.

  16. 30.

    "...er diplomatische Kurs wäre auch aus Sicht der Umweltproblematik der Bessere." Mag durchaus sein, dafür ist es jetzt aber zu spät. Diese Chance besteht seit Putins Angriff nicht mehr. Jetzt gibt es nur noch die Option, entweder die Ukraine Putin zum Fraß vorzuwerfen oder aber die Ukraine solange zu unterstützen, bis Putin einlenken muss und zur Diplomatie zurückkehrt. Momentan hat einzig und alleine Putin das Heft in der Hand, diesen Krieg und das damit verbundene Leid auf beiden Seiten zu beenden und er hat sich dafür entschieden, auf sein eigenes Volk keinerlei Rücksicht zu nehmen, nur um innenpolitisch sein Gesicht zu wahren und an der Macht zu bleiben. Wer glaubt, Putin wäre derzeit ernsthaft zu Verhandlungen bereit, der hat sich mit dem Werdegang und der Gedankenwelt dieses Menschen nicht beschäftigt.

  17. 29.

    Läuft....für Herrn Woidke. Er braucht nichts machen („Ich werde alles unternehmen...“). :-(.

  18. 28.

    Mit Wagenknecht bekommen wir das kommunistische Manifest. Das Kapital geht dann woanders hin.

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