Landesparteitag - Berliner Linke brechen in die Ära nach Wagenknecht auf

Fr 24.11.23 | 06:33 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Archivbild:ie Bundesvorsitzende der Partei Die Linke, Sahra Wagenknecht, verlässt mit einem Wasserglas in der Hand am 29.04.2017.(Quelle:picture alliance/dpa-Zentralbild/P.Endig)
Video: rbb24 | 24.11.2023 | Studiogast: Dorit Knieling | Bild: picture alliance/dpa-Zentralbild/P.Endig

Beim ersten Parteitag der Berliner Linken nach Sahra Wagenknechts Abschied soll am Freitag ein Signal des Aufbruchs gesetzt werden: mit vielen neuen Mitgliedern und jeder Menge Selbstaufmunterung. Von Sebastian Schöbel

Es dürfte das erste Mal seit langer Zeit sein, dass die Berliner Linken beim Namen Sahra Wagenknecht entspannt aufatmen. Wenn die 54-Jährige am Samstag in Berlin auf der geplanten Friedensdemo in Mitte auftritt, wird sie das als "Ex-Linke" tun: Mit ihrem Austritt und der Gründung einer eigenen Organisation hat Wagenknecht den Bruch vollzogen, den nicht wenige Berliner Linke zuletzt regelrecht herbeigesehnt hatten: Das Ende mit Schrecken, statt andersherum.

Dass am Tag vor Wagenknechts Demo ausgerechnet der Berliner Landesverband als erster nach ihrem Abschied einen Parteitag abhält, passt da gut ins Bild: Hier hatte man sich früh und lautstark gegen die Spaltung der Partei durch Wagenknechts pro-russische Politik ausgesprochen. Gemeinsam mit anderen Linken Landesverbänden, die an Regierungen beteiligt waren, hatten die Berliner Linken ihre Partei schon 2022 regelrecht zur Ordnung gerufen – auch aus Angst vor weiteren Wahlniederlagen. Der Parteiausschluss, dem Wagenknecht nun zuvorgekommen ist, wurde maßgeblich auch durch prominente Linke aus der Bundeshauptstadt vorangetrieben. Und heimliche Hoffnungsträgerin der Berliner Linken ist weiterhin Ex-Senatorin Katja Kipping, einst Wagenknechts Gegenspielerin im Bund und derzeit auf der Suche nach einer neuen Rolle.

Mehr Neumitglieder als Aussteiger

„Die Berliner Linke ist im Aufbruch“, verkündet nun die Co-Landesvorsitzende Franziska Brychcy. Erfreuliche Mitgliederzahlen sollen das belegen: Seit Wagenknechts Ankündigung vor fast genau einem Monat sind laut Angaben der Partei 500 Menschen den Linken in Berlin beigetreten. Dem stünden nur etwas mehr als 100 Austritte gegenüber. Allein am 20. November seien auf einen Schlag fast 270 Personen in die Partei eingetreten, davon viele in Neukölln.

Nur in Tempelhof-Schöneberg, wo der Bezirksverband dem Wagenknecht-Lager nahe stand, sind mehr Genoss:innen gegangen als gekommen, heißt es. Die Hälfte des bisherigen Vorstands wechselt zum "Bündnis Sahra Wagenknecht", die Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung verliert zwei Mitglieder und schrumpft auf drei Abgeordnete zusammen. Ende des Monats will man einen neuen Vorstand wählen. Bei der Werbung um weitere Mitglieder rückt der Bezirk nun in den Fokus des Landesvorstands, neben Großsiedlungen in Neukölln, Marzahn-Hellersdorf oder Lichtenberg.

Die Neuen bevorzugen die Opposition

Bei der Parteispitze freut man sich aber erstmal über die vielen Neuen, unter denen auch erfahrene Aktivisten seien. Von ihnen erhoffe man sich viel Dynamik, heißt es. Übernehmen würden sie die Linke aber nicht, wird noch schnell hinterhergeschoben. Wohl nicht ohne Grund: Viele der Neumitglieder kommen von linksradikalen Organisationen. Gefolgt sind sie dem Aufruf der Berliner Initiative "Wir jetzt hier": Die rief in den vergangenen Wochen zum Eintritt in die Linke auf, um zu verhindern, dass die Partei "in der Bedeutungslosigkeit versinkt".

Allerdings macht die Initiative auch klar, wo für sie die Linke hingehört: nur in die Opposition. Ein Regieren mit SPD und Grünen, so wie zuletzt in Berlin, lehne man ab. „Die Linke hat sich mit diesen Regierungsprojekten für eine Koalitionsfähigkeit verbogen und sich zur Komplizin des rot-grünen Mitte-Extremismus gemacht“, so der Aufruf. "Als neue Mitglieder werden wir dafür eintreten, dass die Linke eine glaubhafte, stabile Opposition zum vermeintlich alternativlosen Status Quo wird und bleibt." Das könnte den Realos in der Partei, allen voran jenen, die die Linke gerne wieder an den Senatstisch zurückführen wollen, noch Probleme bereiten.

Permanenter Wahlkampfmodus

Auf dem nun anstehenden Parteitag wird dieses Szenario aber sehr wahrscheinlich keine Rolle spielen - schließlich muss die Linke erst noch beweisen, dass neue Mitglieder und eine Aufbruchstimmung auch Wahlerfolge bringen. Denn von denen gab es zuletzt keine, auch nicht in Berlin. Die nächste Chance bekommt man bereits im Februar 2024, wenn die Bundestagswahl in Berlin teilweise oder ganz wiederholt wird, danach folgt die Europawahl. 2025 - oder möglicherweise eher, wenn die Ampel im Bund zerbricht - folgt die nächste reguläre Bundestagswahl, und ein Jahr darauf die nächste Berlin-Wahl. Man befinde sich quasi im "permanenten Wahlkampfmodus", so Landeschefin Brychcy.

Und den will man nur mit Gleichgesinnten führen. Deswegen wird ein Antrag auf dem Linken-Parteitag alle Mitglieder, die zum Wagenknecht-Lager wechseln, auffordern, ihre Mandate in den Bezirksverordnetenversammlungen und im Abgeordnetenhaus zurückzugeben. Der Antrag genießt schon jetzt breite Unterstützung - und dürfte einladen zur großen Abrechnung mit denehemaligen Genoss:innen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 24.11.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

65 Kommentare

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  1. 65.

    Angst vor Politik sollte grundsätzlich mal niemand haben. Wem diese Umverteilung gefällt, der soll sie wählen. Er darf sich aber dann hinterher auch nicht beschweren. Ein paar wenige profitieren immer auch vom größten politischen Unfug, die Masse verliert.

  2. 64.

    Deren einziges Ziel, das ich wahrnehme ist Wegnehmen und Umverteilen ohne Limit."

    Wem hoffen Sie denn mit solchen Sprüchen Angst einjagen zu können?
    Das Staecksche Plakat aus den 70ern "Deutsche Arbeiter, die spd will Euch Eure Villen im Tessin wegnehmen" ist aktueller denn je. Heute sollte man allerdings spd durch die Linke ersetzen. Die spd steht seit Schröder fest im anderen Lager.

  3. 63.

    "Berliner Linke brechen in die Ära nach Wagenknecht auf"
    Für Berlin könnte das zutreffen, bei der Wahl in Brandenburg 2024 sehe ich eher ein Platz unter "Sonstige" für die Partei.

  4. 62.

    "Ära ".... verwirrte mich einigermaßen. Welche Ära von was mit wem wofür. Sorfy, komplett am Dampfer vorbei.

  5. 61.

    Die neuen Mitglieder wollen nicht regieren? Wozu gehen die dann in die Politik? Nehmen nur den regierungsfähigen Parteien im linken Spektrum die Mehrheit weg & die Konservativen müssen immer mitregieren! Ist dass das Ziel? In der Opposition kann man nur meckern! Nur so was brauchen wir nicht! Typisch Linke aktuell!

  6. 60.

    Ich tippe mal, die Linkspartei, egal ob nun von der Wagenknecht-Art oder der Kipping-Art, wird nicht mehr im nächsten Bundestag vertreten sein.

  7. 59.

    In der Tat, Die Linke bricht auf … in den Untergang!

  8. 58.

    "...Wagenknechts Demo...hatte man sich früh...gegen die Spaltung der Partei durch Wagenknechts pro-russische Politik ausgesprochen..." Etwas tendenziös der Artikel. Stimmung! Es ist nicht "Wagenknechts Demo". Und im Ernst, Wagenknecht hat sich ans Parteiprogramm gehalten. Es ist doch nicht "Pro-russisch" (oder spalterisch)einen Waffenstillstand, Verhandlungen und Frieden zu fordern - bei hunderttausenden Toten! Im Gegensatz zu Herrn Lederer z.B., der Waffenlieferungen an die Ukraine fordert, klar gegen Parteitagsbeschlüsse verstoßend. Oder Frau Kipping die über einen positiven Bezug zur Nato sinniert. Welche Haltung sich im Ergebnis als "pro-russisch" herausstellen wird, ist noch völlig offen.

  9. 56.

    Soweit der Standpunkt der rechtsextremen AfD, den sie uns hier zum wiederholten Male mitgeteilt haben. Es ist nicht verwunderlich warum ausgerechnet Querfont Wagenknecht unter Rechtsextremen so viel Beifall findet.

    Jetzt ärgert man sich dass die erhoffte Schwächung ins Gegenteil verkehrt ist.

  10. 55.

    >"Und für einige ist ja alles, was nicht zum Flügel des gärigen Haufens zu rechnen ist, linksextrem. "
    Aber wirklich... mit meinen Ideen der Anhebung Höchststeuersatz wie er zu Kohls Zeiten war oder der Besteuerung von Gewinnen auf dem virtuellen Finanzmarkt gelte ich schon als linksextrem. ;-)
    Im Übrigen gilt immer noch bei der Diskussion von wegen Bedeutungslosigkeit der Linken: Totgesagte leben länger!

  11. 54.

    "Genauso wie die einst verteufelten rechtsextremen Positionen immer mehr Einzug in die etablierte Politik finden. "

    Geraune von ganz weit rechts außen.

  12. 53.

    Ungeprüfte Masseneintritte von Radikalen ist bedenklich. Dazu will man eine Ext.Rebel. in die EU setzen. Dagegen wird die AfD als weichgespült wirken.

  13. 52.

    Die Linken waren schon immer nur eine Protestpartei (genau wie man es von der AfD behauptet) und jetzt haben sie sogar 2 Alternativen. Ich hoffe den Grünen blüht das selbe Schicksal.

  14. 51.

    ob die vielen neuen Mitglieder nicht(bekannte) Linksextreme sind."

    Und für einige ist ja alles, was nicht zum Flügel des gärigen Haufens zu rechnen ist, linksextrem.

  15. 49.

    Ich würde die Linke wählen, wenn erwartet wird das sie die 5% Hurde schaffen (in Brandenburg)

    Ansonsten leider die sogenannten gruenen

  16. 48.

    Wie schon immer meine Mutter sagte:
    Rede nicht schlecht über Tote.
    Ich denke mal das Ende der Fahnenstange ist längst noch nicht erreicht, doch es scheint als wenn sich die Linke immer schneller darauf zu bewegt.

  17. 47.

    In die Ära?? Ernsthaft, soll das eine Ära sein?? Ich frage auch für einen Freund der Schwester meines Kollegen.
    Der sagt sgar, dass er gehört hat, dass die Linken dann unter Sonstige zählen.

  18. 46.

    Man erinnere sich nur an den Elias, der seinen Nick häufiger wechselte als mancher seine Unterhosen. Er war jedes Mal sehr erzürnt, wenn die Linke kritisiert worden ist. Nach spätestens drei veröffentlichten Kommentaren wusste aber fast jeder, was Sache ist.

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