rbb exklusiv - Fast 2.000 Drogenproben im ersten Jahr - Berliner Drug-Checking überlastet
Seit einem Jahr können Berliner kostenlos, anonym und legal Drogen testen lassen. Das Angebot wird so gut nachgefragt, dass hunderte Menschen abgewiesen werden mussten. Von Sabine Müller
- 1.818 Drogenproben wurden bei Drug-Checking im ersten Jahr getestet
- 848 Warnungen wurden nach den Tests wegen zu hoher Dosierung, falscher Deklarierung oder Verunreinigung ausgesprochen
- zu hohe Nachfrage, nicht alle Drogen können getestet werden
- Finanzierung des Projekts in Zukunft nicht gesichert
Das neue Berliner Drug-Checking-Projekt hat im ersten Jahr großen Zulauf gehabt. Von Juli 2023 bis Juni 2024 wurden insgesamt 1.818 Proben verschiedener Drogen kostenfrei analysiert. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor, die dem rbb exklusiv vorliegt.
Aufputschmittel werden besonders häufig getestet
Zu den drei Teststellen wurden vor allem MDMA/Ecstasy, Amphetamine und Kokain gebracht. Aber auch Ketamin- und LSD-Derivate, 2C-Verbindungen, synthetische Cannabinoide und Opioide wurden analysiert. Besonders hoch war die Nachfrage im August 2023, als 284 Proben analysiert wurden. Ein paar Monate später, im Dezember, waren es dagegen nur 77.
Das Drug-Checking war nach langem Vorlauf im Juni 2023 an den Start gegangen. Nutzerinnen und Nutzer können ihre Drogen kostenlos, anonym und legal testen lassen. Geprüft wird, ob Substanzen gestreckt oder gefährlich sind. Das Ergebnis ist meist nach etwa drei Tagen abrufbar. Im Netz gibt es außerdem Warnungen vor getesteten und für gefährlich befundenen Drogen, mit Fotos.
Der älteste Kunde war 76
Die Klientel der Drogen-Teststellen ist eher jung, drei Viertel waren unter 40 Jahre alt. Doch immerhin 8,8 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer waren über 50. Der älteste Kunde war laut Senatsantwort ein 76-Jähriger, der Drogen zur Analyse brachte. Teststellenbetreiber berichten, das Publikum komme überwiegend aus der Partyszene. Mehr als 80 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer gaben an, dass sie vorher keinen Kontakt zur Suchthilfe hatten.
Das decke sich mit dem Ziel des Projekts, neue Gruppen zu erreichen und die Suchthilfe zu entstigmatisieren, sagt der Grünen-Abgeordneten Vasili Franco, der die Anfrage gestellt hatte. "Die Realität ist, dass auch illegale Substanzen konsumiert werden. Und wenn das schon passiert, soll es möglichst sicher sein, denn auch Konsumierende haben ein Recht auf Gesundheitsschutz", so Franco zum rbb.
Zum Gesundheitsschutz beitragen soll auch die Warnseite [drugchecking.berlin], die im ersten Jahr 203.087 Mal aufgerufen wurde, wie die Gesundheitsverwaltung schreibt. Veröffentlicht wurden dort 848 Warnungen, weil Drogen zu hoch dosiert, falsch deklariert oder verunreinigt waren.
Erstmal kein Geld für eine Ausweitung des Projekts
Was sich bereits zu Beginn des Drug-Checking-Projekts abzeichnete, setzte sich über das ganze erste Jahr fort: Die drei Teststellen waren überlastet. 785 Menschen mussten abgewiesen werden, also fast jeder dritte Anfragende. Der Grünen-Abgeordnete Franco wünscht sich deshalb eine Ausweitung des Projekts. Aus der Gesundheitsverwaltung heißt es allerdings, dafür sei im aktuellen Haushalt kein Geld da. "Eine Ausweitung der Angebote ist aufgrund der zur Verfügung stehenden Mittel in 2025 nicht möglich", antwortet sie auf seine Anfrage.
Franco befürchtet nun, dass die drei Teststellen ganz unter die Räder kommen könnten, weil im kommenden Jahr drastische Haushaltskürzungen anstehen. "Alle Projekte sind nicht über das Jahr 2024 hinaus gesichert. Das ist keine gute Arbeitsgrundlage für dieses Angebot." Die Gesundheitsverwaltung klingt allerdings nicht so, als wolle sie das Projekt kippen. In der Antwort an Franco schreibt sie, für den nächsten Doppelhaushalt 2026/27 wolle sie für das Drug-Checking eine Aufstockung der Mittel beantragen
Sendung: rbb 88.8, 24.7.2024, 15:30 Uhr