Mindestpreise und Beförderungspflicht - Wie Berlin Uber, Bolt und Co. an die kurze Leine legen will

Do 30.01.25 | 08:55 Uhr | Von Sebastian Schöbel
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Symboldbild: Ein Mann steigt in einen Mietwagen mit einem Schriftzug des Mobilitätsdienstleisters und Fahrtenvermittlers Uber ein am 08.08.2024.(Quelle: picture alliance/dpa | Sebastian Gollnow)
Audio: Sebastian Schöbel | rbb24 Inforadio | 30.01.2025 | Bild: picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow

Die Zahl der nichtgenehmigten Mietwagen auf Berlins Straßen hat deutlich abgenommen. Nun geraten die vermeintlichen Dumpinglöhne der Anbieter ins Visier der Politik. Von Sebastian Schöbel

Taxi fährt Leszek Nadolski nun schon seit mehr als dreißig Jahren. Leicht war der Job nie, sagt er, aber bis vor zwei Jahren sei die Lage besonders herausfordernd gewesen. "Da hätte ich mir nie getraut, noch einen Wagen zu kaufen, weil ich nicht gewusst hätte, wie ich es finanzieren soll." Denn durch den harten Preiskampf der Ridesharing-Apps wie Uber oder Bolt geriet die klassische Taxibranche, deren Tarife geregelt sind, schwer unter Druck. "Das ist Raubtierkapitalismus von der übelsten Sorte", sagt Nadolski.

Jahrelang lief die Taxibranche dagegen Sturm, und seit zwei Jahren zeigt der Druck Wirkung: Das Berliner Landesamt für Ordnungsangelegenheiten (Labo) hat die Kontrollen der Ridesharing-Anbieter drastisch hochgefahren und hunderte Fahrer aus dem Verkehr gezogen. Recherchen des rbb ergaben, dass jedes fünfte in Berlin buchbare Auto ohne Genehmigung fuhr. Bei Prüfungen entdeckten das Labo und der Zoll etliche Fälle von Schwarzarbeit, Dokumentenfälschung, finanzieller Leistungsunfähigkeit, fiktiven Firmensitzen und anderen Verstößen.

Zahl der Mietwagen deutlich gesunken

Waren es vor einem Jahr noch über 4.400 Mietwagen, sei man inzwischen bei 2.600, berichtet nun Labo-Chefin Kirsten Dreher im Abgeordnetenhaus. Und nur etwas mehr als 1.000 davon seien Fahrzeuge, die über Apps bestellt werden können. Ihr Versprechen, "es wird kein Stein auf dem anderen bleiben", habe sie eingelöst, so Dreher.

Für Thomas Mohnke, der mit mehreren Fahrzeugen bei Uber Fahrten anbietet, ist das alles nicht nachvollziehbar. "Die illegalen Phasen sind vorbei, abgeschlossen", sagt er bestimmt, daran hätten ehrliche Anbieter am Markt ihren Anteil gehabt. Nun aber würden rechtschaffende Firmen vom Labo gegängelt und benachteiligt: Anträge blieben lange liegen oder würden blockiert, Konzessionen ließen auf sich warten. "Sabotagepraxis" sei das, schimpft Mohnke. Dass das Taxigewerbe alle Möglichkeiten nutzt, einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Markt zu drängen, sei nicht verwunderlich. "Dass sich das Labo, der Staat, die Behörde in diesem Thema auf eine Seite schlägt, das ist es, was wir kritisieren und nicht akzeptieren."

Fraktionen befürworten Mindestpreis überwiegend

Im Berliner Abgeordnetenhaus braut sich nun aber weiteres Ungemach für die einstige Boom-Branche zusammen: Fast alle Fraktionen, von links bis rechts, befürworten die Einführung von Mindestpreisen für die Mietwagenanbieter. Denn deren Fahrer würden "zu Dumpinglöhnen arbeiten", sagt SPD-Verkehrsexperte Tino Schopf. Viele von ihnen seien am Ende des Monats trotzdem auf Transferleistungen angewiesen. Ein Mindestpreis ausgerichtet am "unteren Rand des Taxitarifs" könne dem entgegenwirken.

Vorgemacht hatte es Leipzig - allerdings mit einem Mindestpreis, der teils dreimal höher als der normale Taxitarif war. Den erklärte das Verwaltungsgericht Ende 2024 für unzulässig - die Einführung von Mindestpreisen für Mietwagen aber erklärten die Richter für rechtens. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) kündigte nun an, zu prüfen, wie sich so ein Mindestpreis europarechtskonform umsetzen lässt. "Die Koalition muss da gar nichts mehr prüfen", meint hingegen der verkehrspolitische Sprecher der Linken, Kristian Ronneburg. Mit dem Leipziger Urteil habe Berlin schon jetzt die Bestätigung, "dass es sogar präventiv eingeführt werden kann."

Beförderungspflicht für Ridesharing-Anbieter im Gespräch

Gleichzeitig will die Berliner Politik die Ridesharing-Anbieter verpflichten, ihr Angebot auch in Stadtteilen zu erweitern, die sie bislang aus wirtschaftlichen Gründen vernachlässigen. Denn nicht nur beim Preis seien Taxis bislang reguliert, sondern sie unterliegen auch der Beförderungspflicht, betont CDU-Verkehrspolitiker Johannes Kraft. Auch hier müssten die Mietwagenfirmen mehr leisten. "Die Aufgabe der Politik ist, Rahmenbedingungen zu setzen, dass es einen fairen Wettbewerb gibt", so Kraft.

"Würden Mindestpreise für Mietwagen eingeführt werden, würden am Ende alle verlieren, auch Taxis", ist dagegen Uber-Sprecher Oliver Fritz überzeugt. Denn viele Menschen, vor allem die mit geringen Einkommen, würden dann aus Preisgründen doch wieder mit dem eigenen Auto fahren. Zudem seien Mindestpreise ein "signifikanter Eingriff in die Berufsfreiheit von Mietwagenunternehmen", der mit dem Schutz von Taxis nicht zu rechtfertigen sei.

IHK uneinig bei Forderung nach Mindestpreis

Wie schwierig die Sache ist, zeigt sich auch bei der Industrie- und Handelskammer. Berlins wohl wichtigster Wirtschaftsverband konnte sich in seiner Generalversammlung zuletzt nicht auf eine einheitliche Linie bei den Mindestpreisen für Uber und Co. einigen – wohl auch, weil die Ridesharing-Firmen in der IHK aktiv sind. Man sehe "einen konkreten Regulierungsbedarf", sagt IHK-Verkehrsexperte Simon Margraf, um einerseits das traditionelle Taxigewerbe zu erhalten, "aber gleichzeitig auch neue Formen der Beförderung zu ermöglichen".

Die Mehrheit in der Berliner Politik allerdings scheint von Mindestpreisen für Uber und Co. überzeugt zu sein. Sollten die Juristen der Verkehrsverwaltung also grünes Licht geben, wäre die Einführung in Berlin wohl nur eine Frage der Zeit. Gut so, sagt Taxifahrer Nadolski - und bittet seine Kollegen bei Uber, Bolt und ähnlichen Diensten um Verständnis. "Ich glaube, die Jungs verstehen das nicht, wir setzen uns auch für sie ein", sagt er, zum Beispiel für Mindestlohn und wirtschaftliche Absicherung: "Damit die sich nicht kriminalisieren."

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.01.2025, 6 Uhr

Beitrag von Sebastian Schöbel

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58 Kommentare

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  1. 58.

    Krankenfahrten !!!
    Dieses Thema sollte mal erörtert werden.
    Wer fährt denn die kranken zum Arzt oder zur Dialyse und rechnet mit den Kassen ab. Das TAXI !!
    Soll Uber das doch mal leisten. Die meisten Uber Fahrer beherrschen nicht mal die deutsche Sprache ausreichend.
    Spätestens bei diesem Thema ist das Taxi unersetzlich!!!

  2. 57.

    Taxi fahren ist Wucher !! Brauche diesen Service nicht mit voll gequatscht werden, tür aufhalten usw.
    Uber ist schon sehr teuer geworden, kann mir nicht vorstellen in ein Taxi zu steigen.
    Absoluter Lobbyismus was hier passiert. was soll der Stuss.. ??
    Dieses vorgeschobener Grund man will die armen über Fahrer vor Ausbeutung schützen ist ein Witz ! Die verdienen genug. Nur weil die so schlau sind und sich auch noch bürgergeld auszahlen lassen bin ich dran schuld und muss jetzt Taxi fahren und das doppelte zahlen ?? Hä ??? Die werden weiter auf Mini Job fahren und den Rest schwarz kassieren euer Mindestpreis wird nix daran ändern. Das ist Symbolpolitik nichts anderes. Man sollte sich lieber mit sinnvolleren Dingen beschäftigen als versuchen eine freie Marktwirtschaft zu regulieren, was wird das wenn's fertig ist ? Döner Mindestpreis 15€ weil alle auf Minijob Basis im Laden arbeiten oder was.

  3. 56.

    Die Taxitarife könnten übrigens auch etwas abgesenkt werden, wenn für alle die gleichen Bedingungen gelten würden, denn es ist die gleiche Dienstleistung.

  4. 55.

    Sie können ja freiwillig für 3€ arbeiten gehen. Preise gehen immer höher. Nicht wegen des Mindestlohnes, sondern weil der Profit immer weiter steigen soll. In jeder Krise und davon gibt es ja genug steigen die Preise. Egal was der Einzelne verdient. Das nennt man Kapitalismus.

  5. 53.

    UBER sind alles andere als gut für die Gesellschaft. Für das eigene Portemonnaie vielleicht, wenn man nicht gerade Samstag nacht unterwegs ist - da kostet es mehr als bei Taxis)
    Aber nicht für die Gesellschaft. Denn die muss auf Steuereinahnen verzichten (30% gehen in die Niederland und USA) und prekär beschäftigte Fahrer (die auch anderswo keinen Job finden) mit Aufstocken und Bürgergeld über Wasser halten.
    Kasse macht nur einer - UBER und seine Aktionäre.
    Für einen schnellen (eigenen) Dumping-Vorteil soziale Errungenschaften der westlichen Welt über Bord werfen ... wie egoistisch muss man sein, um so zu denken?

  6. 52.

    Weg mit den Taxis!
    Aber dann erleben Sie Ihr blaues Wunder, was die Fahrpreise der neuen Fahrdienste angehen, die merkwürdigerweise plötzlich massiv steigen. Über das bisherige Taxiniveau sogar! Warum, in aller Welt, das denn?!
    Tja.... weil sie dann keine (nicht kostendeckenden) Dumpingpreise zur Marktgewinnung mehr nötig haben.
    Und wenn die Fahrt - etwa am Stadtrand zu kurz ist kommt nicht mal jemand.

  7. 51.

    Statt knapp 13 Euro nur noch 7 Euro verdienen und wer nicht will kann ja gehen und sich was anderes suchen?
    Und, der der will (oder muss oder es nicht besser weiß oder extrem schlecht deutsch spricht) lässt dann beim Amt aufstocken? Merkwürdige Logik einer menschenwürdigen Bezahlung für (mitunter harte) Arbeit.
    Und Sie profitieren nicht von Mindestlohn oder Tarifregelungen?

  8. 50.

    Auch in England zu Ende des 19. Jhd. hatten die Menschen eine Wahl bei wem sie arbeiten möchten oder auch nicht.
    Auch die, die am Wenigsten zahlten, fanden Mitarbeiter. Hunger und Elend war die Folge - aber Hauptsache einen Job.
    Heute gehen die, die nicht genug verdienen zum Jobcenter und lassen aufstocken. Die Gesellschaft zahlt so die Dumpingpreise eines disruptiven Anbieters.
    Ist das allen Ernstes, das was Sie unter freier Jobwahl verstehen?

  9. 49.

    Das sich das Taxi-Modell (weltweit) längst überholt hat, können Sie nicht ernsthaft anzweifeln.
    Ich habe Uber z.B. mittlerweile auf 4 Kontinenten benutzt, mit durchweg positiven Erfahrungen.
    Die Unternehmen müssen sich der Konkurrenz stellen und Innovationen annehmen. (eine App, Festpreis, GPS-Ortung, etc...)

  10. 48.

    Wie das Rauchverbot in Kneipen.
    Da man nicht garantieren konnte, dass wirklich nur starkle Raucher den Job des Kellners übernehmen wollen, sondern auch anderen, die den Job dringend brauchen und so Rauch einatmen müssen, wurde das allgemeine Rauchverbot in Gaststätten eingeführt.
    Auch bei UBER landen die Fahrer, die bei einem Taxiunternehmen (die ebenfalls händeringend suchen) keine Chance hätten. Migranten ohne Deutschkenntnisse z.B. Die können sich die Jobs eben nicht aussuchen und sind knrickrigen Chefs erbarmungslos ausgesetzt. Auch drängt das Fahrer in die Sozialhilfe - den billigen Preis bei UBER zahlt dann hat die Gesellschaft.

  11. 47.

    Ich dachte wir haben bereits einen Mindestlohn. Wozu Mindestpreis dann. Der landet doch woanders.

  12. 46.

    Soviel zum geliebten Thema der CDU und FDP , der Markt wird es schon richten.
    Führen wir wieder den EVP wie in der DDR ein.
    Die spinnen die Politiker.
    Gut den Verbraucher würde es freuen.

  13. 43.

    Wenn sich der Job nicht lohnen würde, dann würde ihn auch niemand machen. Hört auf, die Menschen zu bevormunden!

  14. 42.

    Die Lobby der Taxis muss weg. Kann man die nicht verbieten in Berlin?

  15. 41.

    Guter Kommentar. Danke. Wir sind zu einem Land der Bevormunder und Verbieter in allen Bereichen geworden. Gebt den Menschen wieder mehr Eigenverantwortung.

  16. 40.

    Jaja, immer auf die Taxen.
    ich wüßte nicht, das Uber und Bolt älteren Herrschaften die Koffer aus der Wohnung holen, oder sie auch begleiten. Das dürfen dann die dummen Taxifahrer machen....
    Und von wegen digitale App-Bestellung. Mache ich schon seit Jahren bei den Taxen, da kann ich nämlich genauso sehen, von wo der kommt und auch gleich im Anschluß bewerten. Selbst per Paypal und Google-Pay läßt sich dort im Auto zahlen.
    Ach ja: einen Festpreis haben die auch seit letztem Jahr, da kann ich nämlich gleich in der App sehen, wieviel ich bezahlen muß. Und bei Taxen entstehen keine Mondpreise, wenn gerade wegen Schlchtwetter oder Streik oder verstärkter Ankunft am BER. Taxen haben eben nur einen Tarif und nehmen die Kunden nicht bei verstärkter Nachfrage aus.
    Ich als Mindestlohnjobber, der auch vom Staat subventioniert werden muß, bleibt Tyxenbenutzer, wenn er denn mal fahren muss.

  17. 39.

    Und ihre Behauptung beweisen Sie wie? Sonst ist es nur Verleumdung, ist übrigens strafbar in Deutschland.