Mindestpreise und Beförderungspflicht - Wie Berlin Uber, Bolt und Co. an die kurze Leine legen will

Die Zahl der nichtgenehmigten Mietwagen auf Berlins Straßen hat deutlich abgenommen. Nun geraten die vermeintlichen Dumpinglöhne der Anbieter ins Visier der Politik. Von Sebastian Schöbel
Taxi fährt Leszek Nadolski nun schon seit mehr als dreißig Jahren. Leicht war der Job nie, sagt er, aber bis vor zwei Jahren sei die Lage besonders herausfordernd gewesen. "Da hätte ich mir nie getraut, noch einen Wagen zu kaufen, weil ich nicht gewusst hätte, wie ich es finanzieren soll." Denn durch den harten Preiskampf der Ridesharing-Apps wie Uber oder Bolt geriet die klassische Taxibranche, deren Tarife geregelt sind, schwer unter Druck. "Das ist Raubtierkapitalismus von der übelsten Sorte", sagt Nadolski.
Jahrelang lief die Taxibranche dagegen Sturm, und seit zwei Jahren zeigt der Druck Wirkung: Das Berliner Landesamt für Ordnungsangelegenheiten (Labo) hat die Kontrollen der Ridesharing-Anbieter drastisch hochgefahren und hunderte Fahrer aus dem Verkehr gezogen. Recherchen des rbb ergaben, dass jedes fünfte in Berlin buchbare Auto ohne Genehmigung fuhr. Bei Prüfungen entdeckten das Labo und der Zoll etliche Fälle von Schwarzarbeit, Dokumentenfälschung, finanzieller Leistungsunfähigkeit, fiktiven Firmensitzen und anderen Verstößen.
Zahl der Mietwagen deutlich gesunken
Waren es vor einem Jahr noch über 4.400 Mietwagen, sei man inzwischen bei 2.600, berichtet nun Labo-Chefin Kirsten Dreher im Abgeordnetenhaus. Und nur etwas mehr als 1.000 davon seien Fahrzeuge, die über Apps bestellt werden können. Ihr Versprechen, "es wird kein Stein auf dem anderen bleiben", habe sie eingelöst, so Dreher.
Für Thomas Mohnke, der mit mehreren Fahrzeugen bei Uber Fahrten anbietet, ist das alles nicht nachvollziehbar. "Die illegalen Phasen sind vorbei, abgeschlossen", sagt er bestimmt, daran hätten ehrliche Anbieter am Markt ihren Anteil gehabt. Nun aber würden rechtschaffende Firmen vom Labo gegängelt und benachteiligt: Anträge blieben lange liegen oder würden blockiert, Konzessionen ließen auf sich warten. "Sabotagepraxis" sei das, schimpft Mohnke. Dass das Taxigewerbe alle Möglichkeiten nutzt, einen unliebsamen Konkurrenten aus dem Markt zu drängen, sei nicht verwunderlich. "Dass sich das Labo, der Staat, die Behörde in diesem Thema auf eine Seite schlägt, das ist es, was wir kritisieren und nicht akzeptieren."
Fraktionen befürworten Mindestpreis überwiegend
Im Berliner Abgeordnetenhaus braut sich nun aber weiteres Ungemach für die einstige Boom-Branche zusammen: Fast alle Fraktionen, von links bis rechts, befürworten die Einführung von Mindestpreisen für die Mietwagenanbieter. Denn deren Fahrer würden "zu Dumpinglöhnen arbeiten", sagt SPD-Verkehrsexperte Tino Schopf. Viele von ihnen seien am Ende des Monats trotzdem auf Transferleistungen angewiesen. Ein Mindestpreis ausgerichtet am "unteren Rand des Taxitarifs" könne dem entgegenwirken.
Vorgemacht hatte es Leipzig - allerdings mit einem Mindestpreis, der teils dreimal höher als der normale Taxitarif war. Den erklärte das Verwaltungsgericht Ende 2024 für unzulässig - die Einführung von Mindestpreisen für Mietwagen aber erklärten die Richter für rechtens. Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) kündigte nun an, zu prüfen, wie sich so ein Mindestpreis europarechtskonform umsetzen lässt. "Die Koalition muss da gar nichts mehr prüfen", meint hingegen der verkehrspolitische Sprecher der Linken, Kristian Ronneburg. Mit dem Leipziger Urteil habe Berlin schon jetzt die Bestätigung, "dass es sogar präventiv eingeführt werden kann."
Beförderungspflicht für Ridesharing-Anbieter im Gespräch
Gleichzeitig will die Berliner Politik die Ridesharing-Anbieter verpflichten, ihr Angebot auch in Stadtteilen zu erweitern, die sie bislang aus wirtschaftlichen Gründen vernachlässigen. Denn nicht nur beim Preis seien Taxis bislang reguliert, sondern sie unterliegen auch der Beförderungspflicht, betont CDU-Verkehrspolitiker Johannes Kraft. Auch hier müssten die Mietwagenfirmen mehr leisten. "Die Aufgabe der Politik ist, Rahmenbedingungen zu setzen, dass es einen fairen Wettbewerb gibt", so Kraft.
"Würden Mindestpreise für Mietwagen eingeführt werden, würden am Ende alle verlieren, auch Taxis", ist dagegen Uber-Sprecher Oliver Fritz überzeugt. Denn viele Menschen, vor allem die mit geringen Einkommen, würden dann aus Preisgründen doch wieder mit dem eigenen Auto fahren. Zudem seien Mindestpreise ein "signifikanter Eingriff in die Berufsfreiheit von Mietwagenunternehmen", der mit dem Schutz von Taxis nicht zu rechtfertigen sei.
IHK uneinig bei Forderung nach Mindestpreis
Wie schwierig die Sache ist, zeigt sich auch bei der Industrie- und Handelskammer. Berlins wohl wichtigster Wirtschaftsverband konnte sich in seiner Generalversammlung zuletzt nicht auf eine einheitliche Linie bei den Mindestpreisen für Uber und Co. einigen – wohl auch, weil die Ridesharing-Firmen in der IHK aktiv sind. Man sehe "einen konkreten Regulierungsbedarf", sagt IHK-Verkehrsexperte Simon Margraf, um einerseits das traditionelle Taxigewerbe zu erhalten, "aber gleichzeitig auch neue Formen der Beförderung zu ermöglichen".
Die Mehrheit in der Berliner Politik allerdings scheint von Mindestpreisen für Uber und Co. überzeugt zu sein. Sollten die Juristen der Verkehrsverwaltung also grünes Licht geben, wäre die Einführung in Berlin wohl nur eine Frage der Zeit. Gut so, sagt Taxifahrer Nadolski - und bittet seine Kollegen bei Uber, Bolt und ähnlichen Diensten um Verständnis. "Ich glaube, die Jungs verstehen das nicht, wir setzen uns auch für sie ein", sagt er, zum Beispiel für Mindestlohn und wirtschaftliche Absicherung: "Damit die sich nicht kriminalisieren."
Sendung: rbb24 Inforadio, 30.01.2025, 6 Uhr