Alba scheidet in den Playoffs frühzeitig aus - Besiegt von der Belastung

Do 25.05.23 | 17:31 Uhr | Von Lukas Witte
  1
Enttäuschte Alba-Spieler nach dem Ausscheiden im Viertelfinale gegen Ulm (imago images/Jan Huebner)
Video: rbb|24 | 25.05.2023 | Sebastian Meyer | Bild: imago images/Jan Huebner

Erstmals seit sechs Jahren ist Alba Berlin wieder in der ersten Runde der Playoffs ausgeschieden. Nach Jahren des Erfolgs wirkte der Serienmeister müde und konnte im Viertelfinale gegen Außenseiter Ulm nie zur Bestform finden. Von Lukas Witte

Es stehen noch 10,2 Sekunden auf der Uhr, als Alba beim Stand von 81:83 noch einmal den Ball bekommt. Es ist die letzte Chance des Serienmeisters, sich in Ulm doch noch in ein entscheidendes fünftes Spiel der Viertelfinalserie zu retten.

Nationalspieler Maodo Lo nimmt die Verantwortung in seine Hände, verschafft sich Platz zum Verteidiger und versucht es mit einem Dreier zum Sieg. Das dumpfe Klirren des vom Ring abprallenden Balles wird von der Schlusssirene und dem tosenden Jubel der Ulmer Fans übertönt. Der Wurf verfehlt sein Ziel - Alba Berlin ist raus.

Das Ende einer Erfolgsserie

Erstmals seit sechs Jahren hat sich Alba wieder in der ersten Runde aus den Playoffs verabschieden müssen. Seitdem standen die Berliner Basketballer immer im Finale, zuletzt wurden sie dreimal in Folge deutscher Meister. Das Ausscheiden gegen Ulm ist das Ende einer langen Erfolgsserie und eine große Überraschung. Auch, weil die Berliner zuvor die beste Hauptrunde der Vereinsgeschichte spielten und nur drei Niederlagen kassierten.

Und doch deutete sich das Debakel bereits seit dem ersten Spiel der Serie an. Der elfmalige Meister fand gegen den Tabellensiebten nie zur Bestform und stand teilweise völlig neben sich. Die gesamte Bundesliga-Saison hatten Alba zuvor kein einziges Heimspiel verloren, im Viertelfinale gaben die Berliner plötzlich beide Spiele vor heimischem Publikum ab. Nicht ein großes Problem, sondern "das Zusammenspiel aus vielen kleinen Problemen" seien der Grund für das Debakel, erklärte Trainer Israel Gonzalez nach dem Ausscheiden am Mittwoch.

Körperlich und mental erschöpft

Dabei steht die Belastung wohl ganz oben auf der Liste der Probleme. Insgesamt 74 Pflichtspiele hatte Alba in dieser Saison in Bundesliga, Pokal und Euroleague zu absolvieren. Das zehrt an den Kräften. Immer wieder plagten die Spieler Verletzungen und muskuläre Problem oder sie fielen wegen Krankheit aus. "Wir sind in keiner guten körperlichen Verfassung in die Playoffs gegangen. Wir konnten uns nicht erholen", sagte der Trainer. Sein Team wirkte müde und war mit dem physischen Auftreten der Ulmer überfordert.

Wir sind in keiner guten körperlichen Verfassung in die Playoffs gegangen. Wir konnten uns nicht erholen.

Trainer Israel Gonzalez nach dem Ausscheiden

Doch nicht nur körperlich schienen die Berliner erschöpft gewesen zu sein, auch mental waren sie nicht auf der Höhe. Im Angriff erlaubten sie sich über die gesamte Serie viele einfache Ballverluste und trafen schlechte Wurfentscheidungen. Auch in der Defensive waren sie unkonzentriert und ließen sich selbst von simplen Offensivsystemen des Gegners aushebeln.

Das betraf manche der Alba-Stars mehr als andere. Publikumsliebling und Kapitän Luke Sikma schwächelte bereits in der Endphase der Hauptrunde und stand auch in den Playoffs völlig neben sich. Der US-Amerikaner strahlte gerade in entscheidenden Phasen kaum Offensivgefahr aus und kam bei den beiden Heimniederlagen gegen Ulm bei jeweils rund 20 Minuten Spielzeit auf nur zwei Punkte.

Auch Nationalspieler Lo machte gegen Ulm keine gute Figur. Dass er den letzten entscheidenden Wurf vergab, steht symbolisch für seine derzeitige Form. Nach der Europameisterschaft im vergangenen Sommer schien er nicht mehr derselbe und hatte - bis auf Ausreißer in einzelnen Spielen - die gesamte Saison über Probleme. So lag seine Dreierquote nur knapp über 30 Prozent, er war in jedem Spiel für mindestens zwei Turnover gut und es fiel ihm ungewohnt schwer, an seinen Verteidigern vorbeizuziehen.

Ein starker Außenseiter

Trotzdem vertraute Trainer Gonzalez auch in entscheidenden Situationen oft auf seine kriselnden Akteure. Vielleicht ein bisschen zu oft. Das ein oder andere Mal waren die Rotationen unverständlich.

In Spiel zwei beflügelte zum Beispiel Gabriele Procida die Berliner in einer schwierigen Phase mit vier versenkten Dreiern in kurzer Zeit und führte Alba so zum einzigen Sieg der Serie. Eine Partie später kam der junge Italiener kaum noch zum Einsatz und stand nur sechs Minuten auf dem Parkett, während andere Spieler nichts mit ihrer Spielzeit anzufangen wussten. Außerdem wirkte es teilweise so, als würde die Mannschaft auch nach Auszeiten und Erläuterungen des Coachs planlos aufs Feld zurückkehren.

Natürlich darf bei all den genannten Schwierigkeiten des Favoriten aber auch das Lob für den Außenseiter nicht fehlen. Die Ulmer zeigten einen überraschend starken Auftritt und waren bestens auf den noch amtierenden Meister vorbereitet. Sie kannten die Probleme Albas und nutzten sie durch eine besonders körperliche Spielweise gnadenlos aus. Während der Hauptrunde war von der Mannschaft von Trainer Anton Gavel von dieser Art Basketball noch nicht viel zu sehen gewesen. So haben sie Alba mit dem plötzlichen Leistungssprung auch völlig überrascht und aus der Bahn geworfen.

Die Identität "neu aufladen"

Nun steht für Ulm statt Alba das Halbfinal-Duell gegen Bayern München an. Auch wenn die Berliner sich im Viertelfinale noch irgendwie hätten retten können, in der aktuellen Verfassung wäre gegen den großen Rivalen aus Süddeutschland die Mission Titelverteidigung wohl sowieso vorbei gewesen. So bitter das frühe Ausscheiden auch ist, für die Verantwortlichen gibt es nun auch mehr Zeit, denn es ist einiges zu tun. Die Verträge von acht Spielern laufen im Sommer aus und es deutet sich ein großer Umbruch an.

Es fühlt sich schon ein bisschen so an, als wären wir in einer Phase, in der wir die Identität, die wir haben und weiter behalten wollen, neu aufladen müssen.

Geschäftsführer Marco Baldi über die nächsten Schritte

Dazu gehören auch Leistungsträger, die für die erfolgreichen letzten Jahre von Alba stehen: Kapitän Sikma, Lo und Johannes Thiemann – bei ihnen allen ist die Zukunft offen.

"Es fühlt sich schon ein bisschen so an, als wären wir in einer Phase, in der wir die Identität, die wir haben und weiter behalten wollen, neu aufladen müssen", verkündete Geschäftsführer Marco Baldi nach der Rückkehr des Teams in die Hauptstadt am Donnerstag. Man werde in den kommenden Wochen viel diskutieren, jetzt bräuchte es aber erst einmal Zeit zum Verdauen. "Der Schmerz steckt richtig in den Knochen. Wir müssen das erstmal runterschlucken und das dauert ein paar Tage", so Baldi.

Fünf Jahre lang waren die Berliner immer bis zum letzten Saisonspiel mit dabei, verpassten kein einziges Finale und feierten viele Erfolge. "Jetzt haben wir mal wieder die andere Seite des Spiels erlebt – und die ist nicht so schön", sagt der Geschäftsführer.

Sendung: rbb24, 25.05.2023, 21:45 Uhr

Beitrag von Lukas Witte

1 Kommentar

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 1.

    Nicht, dass es jetzt noch wichtig wäre, aber im Text hat sich ein Fehler eingeschlichen. Das Hauptrundenheimspiel von Alba gegen Bayern München ging mit 71:76 in der MBA verloren. Die weiße Heimspielweste kann sich Alba daher nicht anziehen.

Nächster Artikel