Turnier der Meister - "Wir werden der größte Weltcup, den es je gegeben hat"
Die Welt-Elite im Turnsport kommt für vier Tage nach Cottbus, um beim 47. Turnier der Meister Punkte in der Olympia-Qualifikation zu sammeln. Die Rekord-Beteiligung stellt die Organisatoren vom SC Cottbus vor große Herausforderungen. Von Thomas Juschus
Für Mirko Wohlfahrt und sein Team von etwa 150 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern heißt es in diesen Tagen vor allem Ruhe bewahren. Und die Nerven behalten. "Es ändert sich fast minütlich etwas. Mal sagt ein Sportler ab, dann wird ein Trainer nachgemeldet. Und jetzt müssen wir auch noch mit den angekündigten Streiks bei der Lufthansa umgehen", sagt der Chef des 47. Turniers der Meister, das von Donnerstag bis Sonntag (22. bis 25. Februar) erneut in der Cottbuser Lausitz-Arena über die Bühne gehen wird.
Mehr als 300 Turnerinnen und Turner aus 74 Nationen (Stand Montag) sowie ihre Betreuer reisen in diesem Jahr zu dem mit 50.500 Schweizer Franken (ca. 53.200 Euro) dotierten Weltcup und stellen die Organisatoren vor allem logistisch vor Herausforderungen.
Cottbus gehört zur Olympia-Qualifikation
Der Grund für die Rekord-Beteiligung in Cottbus in diesem Jahr ist dabei ganz einfach: Der Welt-Turnverband FIG vergibt über seine Weltcup-Serie, die am vergangenen Wochenende in Kairo begann, 20 Plätze (zwölf Männer, acht Frauen – siehe Infobox) für die Olympischen Spiele im Sommer. Besonders Geräte-Spezialisten aus Nationen, die noch nicht mit ihrem Land für Paris 2024 qualifiziert sind, bietet sich hierüber eine Chance – wie beispielsweise der Usbekin Oksana Chusovitina. Die 48-Jährige, die 1989 (!) zum ersten Mal in Cottbus turnte, will sich zum neunten Mal für die Spiele qualifizieren.
Schon Kairo erlebte einen ungeahnten Zuspruch, die Meldezahlen für Cottbus sprengen jedoch alle bisherigen Dimensionen. "Wir werden der größte Weltcup, den es je gegeben hat – mit diesen Zahlen sind wir klar die Nummer 1 in der Welt. Das ist Ansporn und Verpflichtung zugleich", sagt Turnierdirektor Wohlfahrt. Da die an die Lausitz-Arena angrenzende Zweifeldhalle, traditionell zum Erwärmen und Einturnen genutzt, bei diesen Starterzahlen zu klein ist, dürfen die Gäste aus aller Welt erstmals auch die Räumlichkeiten des angrenzenden Turn-Bundesstützpunktes mit nutzen. "Dazu haben wir einen Tunnel bauen lassen", sagt Wohlfahrt.
Lokalmatador Kochan wieder mit am Start
Einer, der die Wege am Stützpunkt bestens kennen dürfte, ist Lucas Kochan. Der 23-Jährige vom Ausrichter SC Cottbus steht wie im vergangenen Jahr in der sechsköpfigen deutschen Männer-Riege. Der aus Lauchhammer stammende Turner stellt sich in der Qualifikation an Pferd, Boden und Reck den Kampfrichtern und will seine aus dem Vorjahr mit Schwierigkeiten ausgebauten Übungen "möglichst ohne große Fehler" zeigen, wie er sagt.
"Wichtig ist für mich, dass ich frühzeitig im Jahr meine Übungen präsentieren kann", sagt Kochan. "Und wichtig wäre, ohne große Fehler durchzukommen und mich in Cottbus von meiner besten Seite zu präsentieren", sagt Kochan, der dabei neben seiner Verlobten erstmals in der Halle von seinem drei Monate alten Sohn "unterstützt" wird.
Neben Kochan hat Männer-Bundestrainer Valeri Belenki für das Turnier der Meister Milan Hosseini (TG Böckingen), Nils Dunkel (SV Halle), Dario Sissakis (SC Berlin), Carlo Hörr (TSV Schmiden) und Felix Remuta (TSV Unterhaching) nominiert. Bewährte Kräfte wie Barren-Weltmeister Lukas Dauser (TSV Unterhaching) oder Andreas Toba (TK Hannover), der damit geliebäugelt hatte, seine neue Pauschenpferdübung vor heimischen Fans zu präsentieren, steigen erst später in die Saison ein, in der die Olympischen Spiele im Sommer der absolute Höhepunkt sind.
Deutschland sicherte sich bei der WM im Herbst 2023 fünf nicht namentlich gebundene Quotenplätze für Paris 2024. Der Weltcup in Cottbus zählt aus nationaler Sicht zu den Wettkämpfen, bei denen sich die deutschen Turner zunächst für eine Nominierung für die Europameisterschaften im April im Rimini empfehlen können.
Oksana Chusovitina erneut am Sprung dabei
Bei den deutschen Frauen lösten nur Pauline Schäfer-Betz (KTV Chemnitz) und Sarah Voss (TZ DSHS Köln) ein Frankreich-Ticket, beide fehlen in Cottbus ebenso wie die schon länger verletzte Ex-Europameisterin Elisabeth Seitz (MTV Stuttgart). Cheftrainer Gerben Wiersma gibt deshalb mit Meolie Jauch (MTV Stuttgart) und Janoah Müller (TSG Haßloch) zwei jüngeren Turnerinnen eine Einsatzchance. Die gerade erst 17 Jahre alt gewordene Stuttgarterin Jauch gab im vergangenen Jahr ihr internationales Debüt in Cottbus und gewann dabei auf Anhieb Silber an den beiden Holmen.
International stechen mit Artem Dolgopyat aus Israel und Jeahwan Shin aus Südkorea zwei Olympiasieger von Tokio 2021 in den Startlisten hervor. Dazu kommen zahlreiche Medaillengewinner bei Welt- und Europameisterschaften wie die amtierenden Weltmeister Kazuma Kaya und Teppei Miwa aus Japan. Bei den Frauen dürften sich die Blicke vor allem erneut auf Oksana Chusovitina richten. Die vielfache Cottbus-Siegerin, die im vergangenen Jahr an ihrem Spezialgerät Sprung Dritte wurde, startet am Wochenende in Ägypten mit einem neunten Platz beim Weltcup in ihre Olympia-Qualifikation.
Die beiden deutschen Frauen sind da Außenseiterinnen. "Es wird diesmal angesichts der Konkurrenz sehr schwer, die Finals zu erreichen", urteilt Bundestrainer Wiersma mit Blick auf die zahlreichen Topathletinnen im Feld, darunter am Barren die WM-Zweite Kaylia Nemour aus Algerien.
An den Finaltagen so gut wie ausverkauft
Wenn das 47. Turnier der Meister am Donnerstag um 14 Uhr mit einer Fanfare eröffnet wird, dürften Mirko Wohlfahrt und sein Team nach Tagen der Anspannung erstmals etwas durchschnaufen. Das Turnier wird beim Publikum angenommen, ist an den beiden Finaltagen am Samstag und Sonntag so gut wie ausverkauft.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.02.2024, 19:30 Uhr