Turnier der Meister und Springer-Meeting - Cottbuser Sportveranstaltungen stehen und fallen mit dem Ehrenamt
Das Springer-Meeting und das Turnier der Meister sind über Jahrzehnte zu einem Erfolg in Cottbus geworden. Während sich die Springer verabschieden, organisieren die Turner komplett ehrenamtlich sogar noch eine zweite Veranstaltung. Von Lynn Kraemer
Mit der Organisation von größeren Sportveranstaltungen verhält es sich gerne wie mit Hauspartys: Alle wollen vorbeikommen, aber nur wenige wollen Gastgeber sein. Und die Person, die sich am Ende kümmert, wird direkt zum Ausrichter für die nächsten Jahre bestimmt.
Ulrich Hobeck übernahm diese Aufgabe gerne und lud für über zwei Jahrzehnte in die Cottbuser Lausitz-Arena zum Internationalen Springer-Meeting ein. Im Januar machte der 76-Jährige Schluss: "Ich bin in einem Alter, in dem ich mir das nicht mehr antue. Das kostet zu viel Kraft und ich habe auch noch ein zweites Leben." Mit Hobecks Abschied verschwindet auch das Springer-Meeting aus der Cottbuser Sportwelt, weil sich im Team kein Nachfolger findet. "Das ist ein Ganzjahresjob, wenn man es richtig machen will", so Hobeck, der sich über all die Jahre ehrenamtlich engagierte.
Ohne Sponsoren geht nichts
Dazu gehörte beispielsweise die Betreuung des Sponsorennetzwerks, das über die Jahre auf über 100 Unternehmen aus der Region angewachsen ist. So konnten die Kosten von rund 150.000 Euro fürs Springer-Meeting gestemmt werden. Allein die Ausgaben für die Spitzen-Athletinnen und Athleten nahmen etwa 80 Prozent des Budgets ein. "Weltklasse kostet nun mal. Man darf nicht vergessen, dass die Athleten auch leben müssen", sagt Ulrich Hobeck.
Aber man müsse eine Balance zwischen dem finden, was sie leisten und was sie kosten. So konnte das Publikum in Cottbus im Januar beispielsweise den mehrfachen Weltmeister Sam Kendricks erleben, aber Armand Duplantis, der Weltrekordhalter im Stabhochsprung, fehlte. Eine Teilnahme von Duplantis in Cottbus hätte sich voraussichtlich nicht gerechnet: "Den Überflieger und den weltbesten Sportler werden die wenigsten Cottbuser kennen. Aber einen Spieler aus der Fußball-Regionalliga schon. Das ist einfach so."
Wohlfahrt: "Bringt uns an unsere Grenzen"
Auch der Cottbuser Mirko Wohlfahrt versucht, Spitzensport in Cottbus zu finanzieren. Er steckt mit dem SC Cottbus Turnen aber nicht nur in der Vorbereitung für ein mittelgroßes Sportevent, sondern gleich für zwei. Ende Februar findet das Turnier der Meister, einer von nur vier Weltcups weltweit, in der Lausitz-Arena statt, einen Monat später ein Trampolin-Weltcup. "Wir sind sicher stolz, den Zuschlag erhalten zu haben, aber das bringt uns auch an unsere Grenzen, weil wir es im Ehrenamt organisieren", so Wohlfahrt. Zudem sei der bürokratische Aufwand über die Jahre größer geworden: "Noch mehr Papier, noch mehr Organisation, noch mehr Nachweisführung."
Für das Turnier der Meister 2024 kalkulierte das Team ursprünglich mit 565.000 Euro. Im Jahr zuvor waren es noch 500.000 Euro. Die Anmeldungen für die viertägige Veranstaltung liefen allerdings so gut, dass sich eine Rekordbeteiligung abzeichnet und die Kosten noch um einiges ansteigen. Neben der Lausitz-Arena werden auch andere Hallen in der Umgebung zum Einturnen benötigt. 2025 könnte es zu einem Platzproblem kommen, wenn die Anmeldungen weiter steigen.
Ohne Freiwillige geht noch viel weniger
Ein Posten fehlt in den Berechnungen: die Arbeitsstunden von Wohlfahrt, Hobeck und der vielen anderen Ehrenamtlichen. Am Springer-Meeting sind 40 Menschen beteiligt. Das Turnier der Meister wird in der Vorbereitung von 20 und an den Wettkampftagen von 150 Helfenden gestemmt. "Da steckt ganz viel Arbeit drin, die gar nicht in die Kosten miteinberechnet wird. Das müsste man eigentlich tun", sagt Jens Flatau, Professor für Sportökonomie und -soziologie an der Universität Kiel. Weil die Sportverbände auch nicht das nötige Budget und Personal haben, um die Aufgabe zu stemmen, "verlässt man sich auf den Enthusiasmus der Menschen, die es organisieren." Ohne sie könnte allerdings keine der drei Veranstaltungen durchgeführt werden.
Dabei sind viele Sportvereine von der Entwicklung betroffen, dass sich weniger Menschen ehrenamtlich engagieren. Laut dem Jahresbericht der "Zivilgesellschaft in Zahlen" berichtete jeder vierte Sportverein von gesunkenen Zahlen freiwillig engagierter Personen [ziviz.de]. Kombiniert mit dem demografischen Wandel könnte dies zum Problem werden. "Es wird für diese mittelgroßen Veranstaltungen immer schwieriger, weil sie einen großen bürokratischen Aufwand haben. Man braucht eigentlich mehr Leute, die mithelfen, hat aber weniger", so Flatau.
Einen Hoffnungsschimmer gibt es allerdings: Jüngere Menschen engagieren sich aktuell wieder stärker. Auch Mirko Wohlfahrt kann diese Entwicklung bestätigen: "Es ist auffällig, dass jetzt vornehmlich junge Leute wieder Bock haben und Leistungsbereitschaft zeigen. Sie lassen auch eine Leistungsfähigkeit erkennen, die dieser Generation oftmals abgesprochen wird. Da bin ich stolz drauf." Das Organisationsteam hat den Generationenwechsel erfolgreich eingeleitet. "Es ist eine ganz tolle Mischung aus Erfahrung und jugendlichem Engagement."
Entlastung für das Ehrenamt
Sowohl das Turnier der Meister als auch das Springer-Meeting haben aus finanzieller Sicht die schwarze Null als Ziel. "Die Zahlungsbereitschaft für solche Sportveranstaltungen ist leider nicht besonders hoch. Eine Refinanzierung über Eintrittskarten ist schwierig", sagt Sportökonom Jens Flatau. Einerseits hätten es kleinere Veranstaltungen schwer gegen die zunehmende Medialisierung des Sports und andererseits böten die Hallen nur eine begrenzte Platzanzahl.
Um den Übergang von Sportveranstaltungen, die fast komplett auf Ehrenamt aufbauen, zu Sportveranstaltungen, die sich selbst tragen können und ihre Organisatoren bezahlen, zu schaffen, "muss man die Wirtschaft ins Boot holen." Flatau schlägt vor, auch das Know-how von möglichen Geldgebern zu nutzen: "Ich könnte mir vorstellen, dass man mit Sponsoren ein gemeinsames Konzept erarbeitet. Viele große Unternehmen haben Marketingabteilungen, die sich tolle Sachen überlegen und so einen Wettkampf, weil sie Profis sind, zu einem Event zu machen. Über den Sport hinaus kann für den Zuschauer ein Mehrwert kreiert werden."
Für Mirko Wohlfahrt ist das Turnier der Meister allerdings auch so erfolgreich, weil es für alle eine Herzensangelegenheit sei: "Das Ehrenamt ist der Hauptsponsor dieser Veranstaltung und bleibt das hoffentlich auch." Das Turnier stärke den Cottbuser Turn-Stützpunkt, "den Standort und ist inzwischen auch ein Wirtschaftsfaktor für die Stadt." Und auch Ulrich Hobeck sagt über die Organisation des Springer-Meetings: "Das ist gewolltes Leid." Trotzdem findet sich für das Springer-Meeting keine Person, die das Leid übernehmen will.
Sendung: rbb24, 10.02.2024, 21:45 Uhr