Deutsch-polnische Grenzregion - Wie die stationären Kontrollen den Alltag von Pendlern und Unternehmen prägen
Trotz teils langer Staus zu den Stoßzeiten rollt der Verkehr in der deutsch-polnischen Grenzregion laut Ministerpräsident Woidke überwiegend gut. Ansässige Unternehmen, Pendler und Anwohner sprechen jedoch von Einschränkungen durch die stationären Grenzkontrollen.
Seit Mitte Oktober kontrolliert die Bundespolizei wieder verstärkt an der Grenze zwischen Deutschland und Polen. Das bringt auch Auswirkungen für den Alltag in der Grenzregion mit sich. So stockte der Verkehr beispielsweise am Sonntag am Grenzübergang der Autobahn A12 von Polen nach Frankfurt (Oder) auf einer Länge von circa 14 Kilometer. Auch am Dienstagmorgen mussten Auto- und Lkw-Fahrer wieder bis zu 1,5 Stunden mehr für den Übertritt hinnehmen.
Woidke: Grenzverkehr klappt - trotz Kontrollen - gut
Laut Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) rollt der Verkehr trotz der aktuellen stationären Grenz-Kontrollen im Großen und Ganzen gut. Das sagte Woidke am Montagmorgen im Deutschlandfunk. "Es funktioniert. Ich will nicht sagen, dass es sehr gut funktioniert, aber gut. Es gibt immer wieder auch Probleme. Aber was dringend gemacht werden muss: wenn wir diese Kontrollen schon auf polnischem Territorium durchführen würden, und damit von der Grenze wegziehen. Damit könnten auch die Nachteile für die Grenzregion, die mit solchen Kontrollen verbunden sind, beseitigt werden."
IHK: EInschränkungen für Wirtschaft und Unternehmen
Die deutschen Unternehmen insbesondere rund um Frankfurt (Oder) berichten jedoch von negativen Erfahrungen, sagt Knuth Thiel von der Industrie- und Handelskammer Ostbrandenburg. Ihm zufolge seien die Kontrollen in mehrfacher Hinsicht zu spüren. "Zum einen sind es die Wirtschafts- und Warenverkehre über die Grenze. Zum anderen ist Brandenburg auch ein Transit-Land. Wir haben gerade hier in Frankfurt (Oder) den Grenzübergang, der in der Bundesrepublik am meisten befahren ist. Auch hier wird man auf der Rückwärtsbewegung die Staus sehen, es kommt zu Verspätungen im Warenverkehr."
Zudem seien auch die Pendler zwischen den Ländern betroffen. Rund 14.000 kommen täglich aus Polen. Einige Firmen berichten dem rbb, dass sich ihre Mitarbeiter mit den längeren Wartezeiten arrangiert hätten.
Weniger Kunden kommen zum Tanken und Einkaufen
Von Umsatzeinbußen berichtet beispielsweise Tankwart Wodjimiesch. Er wünscht sich Kontrollen an den EU-Außengrenzen. Denn die aktuellen Kontrollen in Frankfurt (Oder) schaden seinem Geschäft. "Die Leute kommen nicht mehr zum Einkaufen oder Tanken her, weil sie fürchten, dass sie dann in gigantischen Staus feststecken. Die Autofahrer sind gestresst. Sie schimpfen und hupen. Alle sind genervt."
Ähnliche Erfahrungen macht auch Elvira Abazi. Sie arbeitet als Tierarzt-Helferin in Frankfurts Nachbarstadt Slubice. Ihr zufolge haben die Kontrollen Folgen in der Versorgung ihrer tierischen Patienten. "Es treten Verspätungen zu OP-Terminen auf. Es gibt aber auch Probleme bei vereinbarten Terminen zur Nachkontrolle, weil die Tierbesitzer einfach nicht herkommen können. Bei einer Antibiotika-Behandlung ist es sehr wichtig, dass das Antibiotikum regelmäßig verabreicht wird."
Zu Fuß, statt mit dem Auto?
Selbst wer nicht die Grenze überqueren muss, steckt oftmals in den Innenstädten im Stau, so Abazi. Sie selbst wohnt in Slubice und versucht - wie auch einige ihrer Kunden - aufgrund der Staus auf das Auto zu verzichten und die Grenze zu Fuß zu passieren.
Das zieht auch Hubert Lenart zunehmend in Erwägung. Er studiert seit vier Jahren an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder). Mehrmals die Woche ist Lenart in Polen. Der Rückweg koste ihn aber viele Nerven. "Ich bin Autofahrer und komme mit einem Bus durch die Grenze. Für die Polizisten ist das aber eine Besonderheit, wenn sie einen Bus mit polnischen Kennzeichen sehen und mich jedes Mal - auch einfach nach dem Einkaufen oder wenn ich mir Essen hole - stoppen." Im Schnitt werde er drei Mal die Woche kontrolliert.
So erleben insbesondere viele polnische Nachbarn negative Auswirkungen in ihrem Alltag und wünschen sich ein baldiges Ende der Grenzkontrollen. Das ist aber, wenn überhaupt, frühestens Mitte November in Sicht.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 06.11.2023, 19:30 Uhr
Mit Material von Martin Krauß und Diana Azzam