AGB nicht zugestimmt - Mittelbrandenburgische Sparkasse verschickt tausende Kündigungen
Weil sie den neuen Geschäftsbedingungen nicht zugestimmt haben, hat die Mittelbrandenburgische Sparkasse tausende Kündigungsschreiben an Kunden verschickt. Nun könnten sie bald ohne eigenes Konto dastehen. Von Carsten Krippahl und Georg-Stefan Russew
Dieser Tage haben rund 8.600 Menschen Kündigungsschreiben der Mittelbrandenburgischen Sparkasse (MBS) in ihren Briefkästen vorgefunden. Weil sie nicht aktiv den neuen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zugestimmt haben, könnten sie noch in diesem Jahr ihre Konten bei der MBS verlieren. Dabei ist es gleichgültig, wie lange man schon Kundin oder Kunde bei dem Geldhaus ist.
"Das ist eine juristische Notwendigkeit, denn wir brauchen eine sichere Rechtsbeziehung zu unseren Kunden und dafür brauchen wir die aktive Zustimmung der Kunden zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ohne diese aktive Zustimmung dürfen wir eine solche Geschäftsbeziehung nicht unendlich fortsetzen", sagte der MBS-Vorstandsvorsitzender Andreas Schulz dem rbb zur Erklärung der Kündigungswelle.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 27. April 2021. Der BGH hatte entschieden, dass Banken bei Änderungen von Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), wie beispielsweise bei Konto-Gebührenerhöhungen, die Zustimmung ihrer Kunden einholen müssen. Die Klausel, wonach die Institute von einer stillschweigenden Zustimmung ausgehen können, wenn Kunden einer Änderung nicht binnen zwei Monaten widersprechen, benachteilige Kunden unangemessen. Geldhäuser mussten daher im Nachhinein um Zustimmung zu aktuellen Gebühren bitten.
Verbraucherzentrale: Es geht auch um Konto-Preiserhöhungen
Nach Angaben von Erk Schaarschmidt von der Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB) hat der überwiegende Teil der MBS-Kunden (97 Prozent) zugestimmt. Drei Prozent - also rund 8.600 - haben dies laut Schaarschmidt nicht getan und als Quittung nun die Kontokündigung kassiert. "Das finden wir nicht toll, insbesondere weil wir wissen, dass es auch um Konto-Preiserhöhungen geht und der Vorstand sich Millionen-Gehälter auszahlt", sagte VZB-Experte Schaarschmidt.
Er geht davon aus, dass einigen der jetzt betroffenen MBS-Kunden "sauer aufgestoßen" sei, dass die monatliche Kontoführung auf 4,90 Euro angehoben worden sei. Zudem habe die MBS ihre veränderten AGB nicht an die Kunden verschickt. Das Geldinstitut hat dies laut Schaarschmidt damit begründet, dass man nicht jedes Mal mehr als 100 Papierseiten aus Nachhaltigkeitsgründen verschicke. Letztlich wüssten viele gar nicht, was sie zustimmten.
Die MBS schreibt dazu auf ihrer Internetseite, dass sie die AGB wegen des großen Umfangs grundsätzlich über das elektronische Postfach zur Verfügung gestellt hätte. Kunden, die das elektronische Postfach "noch nicht nutzen, erhalten die AGB in Papierform".
Erste Sparkasse in Brandenburg, die Kündigungen verschickt
"Was die Kündigungen anbetrifft, ist die MBS in Brandenburg die erste Sparkasse", so der VZB-Experte. Solche Aktionen hat es laut Schaarschmidt bereits bundesweit bei anderen Sparkassen wie in Nürnberg, Köln/Bonn oder Berlin gegeben - in der Hauptstadt wurde im Februar rund 17.000 Kunden gekündigt. Die MBS sei bundesweit die Nummer sieben. "Ich glaube, dass die anderen demnächst folgen werden", so der VZB-Experte. "Das ist doof. Rein rechtlich ist der MBS nicht beizukommen. Da ist kaum etwas zu machen", so Schaarschmidt weiter. Die Sparkasse Spree-Neiße hatte dagegen Ende Februar erklärt, auf Kündigungen verzichten zu wollen.
Basiskonten auch betroffen?
Aktuell wisse man noch nicht, was für Kontoinhaber betroffen sind. "Kündigen die jetzt hier Basiskonten, dann hätte es Geschmäckle", so Schaarschmidt. Laut Zahlungskontengesetz sind alle Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Privatbanken verpflichtet, jedem ein (Basis-)Konto einzurichten. Anrecht hierauf haben alle Privatpersonen, die sich legal in der EU aufhalten, egal, ob sie einen festen Wohnsitz haben oder nicht. So können Wohnsitzlose, Asylsuchende und geduldete Ausländer ein Girokonto eröffnen. Wenn solche Kunden betroffen wären, könnten diese widersprechen. Jedoch ist hier laut Schaarschmidt der Ausgang offen.
Aktive Nutzung kann nach Kündigung als Zustimmung gewertet werden
Jedoch sollen die rund 8.600 Betroffenen laut Mittelbrandenburgischer Sparkasse nicht gleich aus dem Geldinstitut geworfen werden, versicherte MBS-Chef Schulz dem rbb. "Und selbst nach der Kündigung werden wir selbst das Konto nicht schließen, sondern wir werden noch einmal einen Zeitraum von gut vier Wochen den Kunden zur Verfügung stellen, in denen sie durch aktive Nutzung ihres Kontos dann auch die Zustimmung gegenüber uns erklären können", so Schulz.
Als aktive Nutzung gelten beispielsweise Kartenzahlungen mit der Sparkassen-Card oder das Erteilen von Überweisungsaufträgen.
Verträge sollten geprüft werden
Die Verbraucherzentrale rät den Sparkassenkunden, ihre Verträge nun zu prüfen und gegebenenfalls unberechtigte Kontogebühren zurückzufordern. "Wir haben dafür einen Musterbrief auf unserer Webseite vzb.de bereitgestellt. Und dann ist es eine Frage, um wie viel geht es dann. Der Kunde muss schon wissen, was er gezahlt hat, und sollte das auch beziffern können", so Schaarschmidt.
Ende Oktober werden dann die tausenden Konto-Kündigungen wirksam. Mit der Nachfrist von vier Wochen wäre dann Ende November Schluss, wenn man nicht aktiv geworden ist.
Die Mittelbrandenburgische Sparkasse ist nach eigenen Angaben die großte Sparkasse in Ostdeutschland mit mehr als 500.000 Kunden. Ihr Geschäftsgebiet umfasst die Landkreise Havelland, Oberhavel, Potsdam-Mittelmark, Teltow-Fläming und Dahme-Spreewald sowie die kreisfreien Städte Brandenburg an der Havel und Potsdam.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 05.08.2023, 19:30 Uhr