Tarifgespräche gestartet - Bahn und GDL verhandeln nächste Woche weiter
Elf Prozent mehr Lohn und einen Inflationsausgleich hat die Bahn zum Start der Tarifverhandlungen der Gewerkschaft GDL angeboten. Die kritisiert das Angebot, will aber gesprächsoffen bleiben. Nächste Woche gehen die Verhandlungen weiter.
- Tarifverhandlung nach erstem Termin auf kommende Woche vertagt
- Gewerkschaft GDL hat hohe Forderungen
- Knackpunkt könnte die Wochenarbeitszeit sein
- Bahn sieht GDL-Forderungen als "unerfüllbar" , bietet aber elf Prozent mehr Lohn an
- GDL-Chef gibt für Weihnachten leichte Entwarnung
Die erste Verhandlungsrunde im Tarifkonflikt zwischen der Deutschen Bahn und der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) ist am Donnerstag in Berlin laut Konzern ohne Einigung zu Ende gegangen. Die Verhandlungen sollen nächste Woche fortgesetzt werden, teilte die Bahn am Donnerstagnachmittag mit.
"Wir begrüßen, dass die Lokführergewerkschaft auf der Grundlage unseres Angebots weiterverhandeln will", hieß es von Personalvorstand Martin Seiler. Vier weitere Termine seien vereinbart worden. "An unserem klaren Nein zur Arbeitszeitverkürzung hat sich nichts geändert", betonte der Manager.
Weselsky: "Zu wenig, zu lange"
Die Bahn hatte der Gewerkschaft am Donnerstag unter anderem eine elfprozentige Entgelterhöhung bei einer Laufzeit von 32 Monaten vorgeschlagen. Auf die Kernforderung der GDL der Arbeitszeit, 35 anstatt 38 Wochenstunden für Schichtarbeiter, ging der Konzern in dem Angebot aber nicht ein. Die Gewerkschaft fordert daneben unter anderem 555 Euro mehr Geld pro Monat sowie eine Inflationsausgleichsprämie von bis zu 2.850 Euro.
Doch die GDL lehnte das Angebot am Donnerstag ab. "Zu wenig, zu lange und am Ende des Tages nicht ausreichend", kommentierte Weselsky den Schritt. "Trotzdem haben wir uns entschieden, hier an dieser Stelle die Verhandlungen nächste Woche fortzusetzen", sagte Weselsky nach der ersten Verhandlungsrunde in Berlin. Vor allem, dass nun im Wochen- statt im Monatstakt verhandelt werden soll, wertete er als Erfolg der ersten Runde.
Bahn: GDL-Vorstellungen unerfüllbar
Bahn-Personalvorstand Seiler hatte vor Beginn der Gespräche die Vorstellungen der GDL als "unerfüllbar" zurückgewiesen. Vor allem die Absenkung der Arbeitszeit sei nicht realisierbar. So würde die Vier-Tage-Woche nach Arbeitgeberberechnung dazu führen, dass die Bahn rund 10.000 Menschen im Schichtdienst zusätzlich einstellen müsste. Das würde nicht nur erhebliche Kosten verursachen und die Finanzen der Bahn weiter drücken. Auch gebe es diese zusätzlichen Fachleute am Arbeitsmarkt nicht. Dies sei laut Seiler somit "der falsche Weg".
"Wir setzen weiter auf Kooperation statt Konfrontation", erklärte Seiler. "Deshalb haben wir der Gewerkschaft einen Tarifabschluss im Volumen des öffentlichen Dienstes des Bundes angeboten." Damit sei die Bahn einen großen Schritt auf die Gewerkschaft zugegangen. Details gelte es nun GDL-spezifisch auszugestalten.
"GDL hat zu Weihnachten nie gestreikt"
Für Fahrgäste der Bahn beginnen damit wieder unruhige Zeiten: Direkt im Anschluss an die erste Tarifrunde sind erste Warnstreiks möglich. Wenn die GDL die Verhandlungen für gescheitert erklärt, kann außerdem eine Urabstimmung über unbefristete Streiks starten.
GDL-Chef Klaus Weselsky sieht eine große Streikbereitschaft bei den Bahn-Mitarbeitern. "Wenn die Lokführer und die Zugbegleiter und die Fahrdienstleiter nicht mehr wollen, dann, meine Damen und Herren, wird es grauselig", sagte er. Zugleich gab er am Donnerstagabend eine vorsichtige Entwarnung mit Blick auf mögliche Arbeitskämpfe über die Weihnachtstage: "Die ganze Welt redet über den Weihnachtsfrieden", sagte er. "Ich kenne ihn, und zwar seit Jahrzehnten. Wenn Sie die Historie bemühen, sehen Sie auch, wer zu Weihnachten jemals gestreikt hat: Die GDL war es nie." Doch zu konkreten Plänen äußere sich die Gewerkschaft erst, wenn es soweit sei, betonte er.
Spätestens wenn es kommende Woche auch um die konkreten Forderungen und Inhalte geht, dürfte die GDL im Ton wieder schärfer werden. "Wir werden den Druck auf den Kessel hochhalten, und wir werden am Ende des Prozesses zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, unsere Forderungen auch mit entsprechenden Streikmaßnahmen zu untersetzen", so Weselsky.
GDL ist die kleinere Gewerkschaft
Die GDL ist die deutlich kleinere von zwei Gewerkschaften bei der Bahn. Sie vertritt viele Lokführer, verhandelt aber inzwischen auch für weitere Berufsgruppen, darunter etwa Zugbegleiter oder auch Teile der Verwaltung in manchen Betrieben.
Die Bahn wendet die Tarifverträge der GDL bisher lediglich in 18 von rund 300 Betrieben an und stellt heraus, von den nun begonnenen Tarifverhandlungen seien lediglich rund 10.000 Bahnbeschäftigte betroffen. Zum Vergleich: Im Frühling und Sommer verhandelte die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG mit der Bahn die Tarifverträge für rund 180.000 Beschäftigte.
Durch die Konkurrenz der Gewerkschaften kommt bei der Bahn das Tarifeinheitsgesetz zur Anwendung. Es sieht vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Ein gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl gibt es bei der Bahn aus Sicht der GDL aber nicht. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen des Konzerns.
Die Einigung mit der EVG
Bei den Verhandlungen mit der EVG einigten sich Bahn und Gewerkschaft nach zwei Warnstreiks, einer Urabstimmung und einer Schlichtung auf eine Erhöhung von 410 Euro monatlich in zwei Stufen bei einer Laufzeit von 25 Monaten. Zudem wurden 2.850 Euro als steuer- und abgabenfreie Inflationsausgleichsprämie vereinbart. Für einzelne Berufsgruppen wurden zudem nach Ablauf der Laufzeit strukturelle Erhöhungen in den Tariftabellen vereinbart. Die Einkommen von gut 70.000 Beschäftigten werden sich damit noch einmal deutlich erhöhen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.11.2023, 8:00 Uhr
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