Berliner Nahverkehr - BVG erwägt längere Takte auf U-Bahn-Linien im Berufsverkehr

Fr 23.08.24 | 10:02 Uhr | Von Thorsten Gabriel
  102
Eine U-Bahn der BVG hält am Bahnhof Krumme Lanke in Berlin-Zehlendorf (Quelle: dpa/Schoening)
Video: rbb24 Abendschau | 30.08.2024 | Nural Akbayir | Bild: dpa/Schoening

"Das System ist nicht so stabil, wie ich mir das vorstelle", räumt BVG-Chef Falk im Gespräch mit dem rbb ein. Bevor das Unternehmen weiter wachse, müssten Fuhrparks erneuert und das Angebot konsolidiert werden. Von Thorsten Gabriel

  • BVG kämpft mit technischen Problemen und Mitarbeitermangel
  • Takte auf U-Bahn-Linien könnten verlängert werden
  • Land Berlin muss über die Änderungen im Angebot entscheiden

Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist in den nächsten Jahren nicht mit einem weiteren Zuwachs des Angebots zu rechnen. Die BVG sei so schnell gewachsen wie kein anderes Unternehmen in der Stadt, sagte der Vorstandsvorsitzende der Verkehrsbetriebe, Henrik Falk, dem rbb. Jetzt aber sei die Zeit, sich zu konsolidieren.

"Wir fahren - Stand heute - so viel Angebot wie noch nie." Nun gehe es darum, dieses bestehende Angebot "viel stabiler, viel sauberer, viel sicherer" zu machen und "jetzt nicht einfach zu sagen, ich packe noch ein, zwei, drei Prozent drauf."

Zur Person

Archivbild: Henrik Falk, BVG-Vorstandsvorsitzender. (Quelle: dpa/Kalaene)
dpa/Kalaene

Henrik Falk steht seit gut acht Monaten an der Spitze der Berliner Verkehrsbetriebe. Der 55-jährige Jurist war früher bereits in dem Unternehmen tätig, vor seinem Antritt als BVG-Chef allerdings acht Jahre lang Vorstandsvorsitzender der Hamburger Hochbahn.

Ausfälle durch überalteten Fuhrpark

Zuletzt hatten Personalengpässe im Busbereich sowie technische Probleme bei den U-Bahnen dazu geführt, dass das Angebot eingeschränkt werden musste. Nach Falks Worten zeigt dies, dass es der BVG an einer "Grundstabilität" fehlt. "Das System, was wir momentan haben, ist nicht so stabil, wie ich mir das vorstelle, um souverän weiter wachsen zu können, selbst wenn ich es wollte."

Im U-Bahn-Bereich wartet das Unternehmen weiterhin händeringend auf die Lieferung bestellter neuer Züge, da der bestehende Fuhrpark zu großen Teilen überaltert ist und es so zu Ausfällen kommt. Mit verschiedenen Maßnahmen will die BVG nach den Worten Falks versuchen, bis zur Erneuerung des Fuhrparks das Angebot zu stabilisieren.

Als ein Beispiel nannte er Taktverlängerungen von vier auf viereinhalb Minuten. "Den Unterschied von 30 Sekunden, den nimmt ein Fahrgast kaum wahr, für uns allerdings ist das im Hintergrund eine wahnsinnige Erleichterung, diese 30 Sekunden zu haben." Damit bekäme man Wagen frei, um anderswo im Netz ebenfalls für Stabilität zu sorgen.

Über den Umfang des Angebots entscheidet die BVG allerdings nicht selbst, sondern das Land Berlin bestellt bei den Verkehrsbetrieben die entsprechenden U-Bahn-, Bus- und Straßenbahnangebote. Deshalb sind Falks Äußerungen auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass das Land Berlin als Eigentümer der BVG unter enormem Spardruck steht.

Wegner will keine Abstriche machen

Erst am Mittwoch hatte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) erklärt, dass er zwar bei geplanten Streckenerweiterungen, etwa bei der U-Bahn, keine Abstriche machen will, in den mit BVG und S-Bahn abgeschlossenen Verkehrsverträgen aber großes Sparpotenzial sieht. Die Verträge sehen unter anderem jährliche Wachstumsraten bei den gefahrenen Kilometern - und damit den Zuschüssen aus dem Landeshaushalt - vor.

Falk sagte zu möglichen Kürzungen beim Verkehrsvertrag mit der BVG: "Wir reden nicht erst seit heute, sondern seit Wochen und Monaten darüber. Würden wir auch darüber reden, wenn die Haushaltssituation eine andere wäre? Ja, weil auch dies mit Stabilität zu tun hat." Er zeigte sich zuversichtlich mit dem Senat zu guten Lösungen zu kommen. "Ich bin guter Dinge, dass wir das Ist-Angebot auch finanziell ausfinanziert bekommen."

Neueinstellungen dennoch notwendig und geplant

Dass es trotzdem harte Verhandlungen werden könnten, lässt ein Blick in den Geschäftsbericht der BVG für 2023 erahnen, der im Frühjahr dieses Jahres veröffentlicht wurde. Dort wird unter anderem als ein Geschäftsrisiko aufgeführt, dass künftig Mehrkosten, etwa für Energie oder Zinszahlungen, nicht wie bisher vom Land ausgeglichen werden könnten. "Das Risiko wird aufgrund der umfassenden Auswirkungen im Falle eines Eintritts als hoch eingeschätzt", heißt es dazu im Bericht.

Trotz Konsolidierung wird die BVG aber auch in den nächsten Jahren neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen. Allein in diesem Jahr seien 1.450 neue Beschäftigte hinzugekommen, davon allein 500 im Busbereich. Tausende Neueinstellungen braucht es nach den Worten Falks auch weiterhin, um die bei der BVG abgesenkte Wochenarbeitszeit auf 37,5 Stunden sowie Rentenabgänge personell auszugleichen.

Krankenstand höher als vor Corona

Auch der Krankenstand sei ein Thema. Wie überall in Deutschland seien auch bei der BVG die Krankenstände höher als vor der Corona-Zeit. "Ein Prozent Krankenstand mehr oder weniger macht einen Unterschied von knapp 50 Fahrerinnen und Fahrern", rechnet Falk vor.

Angesichts wiederkehrender Meldungen über Schwierigkeiten bei der Rekrutierung von neuem Fahrpersonal, widersprach Falk allerdings dem Eindruck, dass sich kaum Menschen bei den Verkehrsbetrieben um Jobs bewerben würden. "Wir hatten letztes Jahr 30.000 Bewerbungen, in diesem Jahr waren es, Stand Juli, knapp 22.000", so der Vorstandschef. "Nichtsdestotrotz haben wir natürlich große Herausforderungen. Wir stellen viel Leute ein, aber natürlich gehen auch mehr Leute als früher."

Sendung: rbb24 Abendschau, 30.08.2024, 19 Uhr

 

Die Kommentarfunktion wurde am 23.08.2024 um 17:07 Uhr geschlossen. Die Kommentare dienen zum Austausch der Nutzerinnen und Nutzer und der Redaktion über die berichteten Themen. Wir schließen die Kommentarfunktion unter anderem, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt.

Beitrag von Thorsten Gabriel

102 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 102.

    Es gibt aber auch Busspuren, die von Radfahrern mitbenutzt werden dürfen obwohl ein Radweg vorhanden ist (Leonorenstraße in Lankwitz). Am Insulaner fahren regelmäßig Räder auf der Straße und der teilweise vorhandenen Busspur, obwohl ein guter Radweg bis zum Attilaplatz vorhanden ist.

  2. 101.

    Eine Wende ist ja zunächst einmal lediglich eine relevante Richtungsveränderung, idealerweise eine Kehrtwende, also eine Umkehr. Damit ist noch nichts über die neue Richtung ausgesagt, diese kann mehr nach vorn, aber ebenso mehr nach hinten gerichtet sein... Wenn's nicht so traurig wäre, könnte man herzhaft darüber lachen. Zur Attraktivität des ÖPNV zählt m. E. nicht ausschließlich eine immer engere Taktung, sondern vor allem Verlässlichkeit und Sicherheit bei universeller Erreichbarkeit.

  3. 100.

    Davon würde ich Ihnen ausdrücklich abraten :) - Im schlimmsten Fall, werden aus den 60€ hunderte Euro, und sofern es noch als Straftat gewertet wird, droht Ihnen (sofern Berufstätig) vlt eine Übernachtung im Knast auf eigene Kosten (ca 180€/Nacht), und dann geht es in die Tausende!

    -> Kaufen sie sich für Frühling/Sommer/Herbst, ein E-Bike, und nutzen sie die BVG nur in den Monaten, wo es zu Kalt und zu Glatt ist!

    Ginge es nach mir, würde man die Privatisierung rückgängig machen, denn egal, ob Gas, Strom, Post, Krankhäuser, Wohnungen es hat den Bürgern mehrheitlich nichts genutzt, das zu Privatisieren, ganz im Gegenteil! - Mehr als Gewinne zu privatisieren und Verluste zu sozialisieren hat uns die Neoliberale Agenda nicht genutzt!

    - Denken sie nur daran, wieviel die Menschen in den 80ern nach Abzug von Miete, Strom, Post, etc von Ihrem Lohn übrig hatten, das steht in keinem Verhältnis zu heute!

  4. 99.

    Schon jetzt fahren nur "halbe" Züge auf U1 und U3. Der Takt liegt meist bei 10 Minuten, selten 5 Minuten, mitunter wartet man 20 Minuten - und gern länger, weil die Bahn schon überfüllt ist, wenn sie ankommt (ich steige am U Görlitzer Bf ein und fahre Richtung Wittenbergplatz). Was will Herr Falk da noch machen. Vor dem Winter kann einem nur grausen. Es ist ein Nahverkehrsskandal. Und wer ist "schuld"? Ein überlanges Vergabeverfahren zur Bestellung der Züge? Schlechte Produktion beim privaten Hersteller, der die neuen Bahnen nicht liefert? Die BVG, die ihre Wartung nicht ordnungsgemäß durchführen kann, weil der baufällige Waisentunnel nicht saniert wurde? Eine investitionsfeindliche Finanzpolitik der schwarzen Null?

  5. 98.
    Antwort auf [Hans] vom 23.08.2024 um 15:52

    Muss jeder in Berlin Fahrrad fahren? Ich sehe diese Vorstellung in Argumentationen wie der Ihren immer mitschwingend. Nur geht es darum nicht. Es reicht, einen Teil der Autofahrten einzusparen um einen guten Verkehrsfluss zu erhalten für jene, die fahren müssen. Nur, solange niemand diesen Teil auch mal bei sich sucht, passiert halt nix. Von Seiten des Senats inzwischen ziemlich plakativ erst recht nicht.

  6. 97.

    Danke,Jörg.Sibsehe ich das auch.Erfahrung,jeden Tag.Sonst fahre ich ja ganz gerne mit dem ÖPNV.

  7. 96.

    Derzeit werden alle Probleme auf RRG geschoben, was angesichts der Vorgeschichte und der aktuellen Senatspolitik Unsinn ist.

  8. 95.

    Kein Problem, lassen wir beim nächsten Mal einfach die Grünen wieder mit ans Steuer in Berlin. Die verbraten das Geld für noch mehr Sitzbänke und Poller und schon wird der ÖPNV wieder attraktiv, verglichen mit dem Auto.

  9. 94.
    Antwort auf [Hans] vom 23.08.2024 um 15:52

    >"er sollte an den größeren Bedarf regelmäßig angepasst werden. Das geschieht leider nicht. Im Gegenteil, wie wir im Artikel erfahren..."
    Und wir erfahren in diesem Artikel auch warum: Es fehlen derzeit die neu bestellten Fahrzeuge, die nach und nach ausgeliefert werden und auf die Strecke kommen. Das wird wohl noch 2 Jahre brauchen, ehe da ein solider Fahrzeugpark an neuen Zügen da ist. Die Züge rollen nicht wie ein PKW am Fließband zu Hunderten täglich ausm Werk.

  10. 93.

    Selbstverständlich gibt es den! Wenn Sie regelmäßig mit BVG oder S-Bahn fahren, merken Sie das selbst.
    Zudem hat Berlin eine stark wachsende Einwohnerzahl.

  11. 92.

    Auch bei der BVG werden Leistungen gekürzt, wenn sie nicht erbracht worden sind. Kann man die s-Bahn mit der bvg vergleichen, nein! Ich erlebe jeden Tag Ausfälle von s - Bahnen (s 25/ s26 und andere!
    Im übrigen, bin ich auf die s- Bahn angewiesen. Ich verbringe täglich 2 Stunden in der s- Bahn wenn alles fährst (10 Stunden pro Woche, im Monat 40 Stunden). Wer mag kann es aufs Jahr hochrechnen. Das ist Lebenszeit!!!

  12. 91.

    Das sehe ich nicht so wie Sie.
    Berlin wächst, der Mobilitätsbedarf wächst entsprechend mit.
    Gleichzeitig wird das Autofahren politisch bekämpft.
    In dieser Situation den ÖPNV nicht massiv auszubauen, zu verbessern, halte ich für absolut falsch.
    Die Situation beim Berliner ÖPNV wird schlechter anstatt - wie von Politikern oft behauptet - besser.
    Wenn man das beispielsweise mit Städten wie Shanghai vergleicht. Die haben innerhalb weniger Jahre ein U-Bahn-Netz auf dem Boden gestampft, welches fast an das Londoner herankommt.
    Und in Berlin dagegen schafft man es nicht einmal, den Standard zu HALTEN!
    Was soll daran dann bitteschön eine "Verkehrswende" sein?

  13. 90.

    Können sie sich vielleicht vorstellen sie kommen eine längere Rolltreppe hinab zu Bahnsteig, die U-Bahn fährt ihnen buchstäblich „vor der Nase“ weg, aber keine Panik, an den Tafeln am Bahnsteig steht nicht irgendeine Abfahrtszeit, sondern ein Zähler tickt im Sekundentakt von 90 oder evtl 120 die Sekunden bis zum nächsten Zug herunter- der genau dann auch fährt….
    Ich habs erlebt, war schon in den 80ern!

  14. 89.

    Die BVG erwägt längere Takte? Wie lange soll man denn zukünftig warten? Eine halbe Stunde? Ist doch jetzt schon alles unzumutbar. Heute habe ich 15 Minuten auf die Bahn nach Spandau gewartet. Mal wieder! Der ÖPNV ist schon jahrelang keinen Cent mehr Wert als die 29 Euro, die ich für das Berlin-Ticket zahle. Wenn die auf die Idee kommen das wieder zu streichen, werde ich zukünftig schwarz fahren.

  15. 87.

    Den gestiegenen Mobilitätsbedarf (gibt es den eigentlich nachweislich?) in der Stadt mit immer mehr und immer größeren Autos zu decken ... wie genau soll diese langsam sichtbar werdende Zukunftsvorstellung von CDU und SPD eigentlich bewältigt werden? Da erscheinen mir Fahrrad und Lastenfahrrad als Mittel, die Zahl der Autofahrten zu reduzieren, irgendwie realistischer. Dass natürlich in Teilen der Autofahrerschaft ein Fahrrad niemals ein Verkehrsmittel sein kann, dieses starre Mindset zu öffnen wäre Aufgabe einer Politik für alle. Einer Politik also, die Hr. Wegner in seiner Regierungserklärung versprochen hat.

  16. 86.

    Ich hab jetzt bei meiner Dienststelle einen Parklplatz angemeldet und fahre Auto. Bisschen ärgerlich bei Homeoffice aber was soll es. Die Zeitverschwendung mit der BVG tue ich mir nicht mehr an.

  17. 85.

    Liebes RBB Team, wenn es sich nur um eine halbe Minute handelt, sollte man vielleicht eine Überschrift zum Artikel wählen, die nicht schon gleich den Unmut des Lesers auslöst.

  18. 84.

    Ich fahr meistens Fahrrad hier jwd und möchte niemals mit Bussen ein Spur teilen!

  19. 83.

    Einerseits werden gegen Autofahrer immer mehr Schikanen errichtet. Auf der anderen Seite wird der ÖPNV eben NICHT massiv ausgebaut und verbessert.
    Dieses Konzept stimmt hinten und vorne nicht.
    Wie soll der gestiegene Mobilitätsbedarf denn nun bewältigt werden?
    Durch Lastenfahrräder?

Nächster Artikel