Trotz Demonstrationsverbot - Hunderte Menschen versammeln sich in Berlin-Neukölln - Polizei schreitet ein
Trotz des Verbots zweier pro-palästinensischer Demonstrationen haben sich am Mittwoch in Berlin-Neukölln Hunderte Menschen versammelt. Die Polizei musste einschreiten. Am Donnerstag sind weitere Demonstrationen geplant.
- Polizei beendet am Mittwoch zwei pro-palästinensische Demonstrationen in Berlin-Neukölln
- Polizeisprecher spricht von "ordentlich Potenzial auf der Straße"
- Für Donnerstag sind drei weitere Protestaktionen verschiedener Gruppierungen geplant
Trotz des Verbots zweier Demonstrationen von palästinensischen Unterstützern haben sich am Mittwoch in Berlin-Neukölln Hunderte Menschen versammelt. Die Polizei schritt ab dem Nachmittag immer wieder ein, um Ansammlungen zu verhindern. Es sei "ordentlich Potenzial auf der Straße", sagte ein Polizeisprecher am Abend.
Zuvor hatte die Polizei auf der Internetplattform X (vormals Twitter) mitgeteilt, dass sich vor allem im Bereich Hermannplatz und Sonnenallee viele Menschen versammelt hätten. Es kam immer wieder zu Rangeleien.
"Unsere Einsatzkräfte nehmen nun die Personalien der Personen auf", hieß es. Ein Polizeisprecher erklärte, es habe einige Freiheitsentziehungen gegeben. Zur Anzahl konnte er zunächst keine Angaben machen.
Die Polizei hatte am Dienstagabend mitgeteilt, dass sie eine auf dem Pariser Platz geplante Kundgebung und die "Demo in Solidarität mit Palästina", die in Neukölln vom Richardplatz bis zum Kottbusser Tor gehen sollte, sowie Ersatzveranstaltungen verboten hat. Die Demonstrationen seien eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung.
Nach dem Verbot pro-palästinensischer Demonstrationen hatten die Veranstalter der Polizei Rassismus vorgeworfen: Die Demonstrationen seien - so wörtlich - "mit rassistischer Begründung" untersagt worden, hieß es auf X. Ein Veranstalter hatte auch Einspruch gegen das Verbot eingelegt.
Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte das Verbot am frühen Mittwochabend aber. Damit blieb die Beschwerde gegen eine entsprechende Allgemeinverfügung der Berliner Polizei im Eilverfahren zunächst erfolglos, wie ein Gerichtssprecher am Mittwochabend mitteilte. Die Entscheidungsbegründung liegt dem rbb vor.
Auch am Neuköllner Ernst-Abbe-Gymnasium, an dem es am Montag Handgreiflichkeiten zwischen einem Lehrer und Schüler gegeben hatte, wurde eine Kundgebung untersagt.
Christoph de Vries (CDU), Mitglied im Bundestags-Innenausschuss, begrüßte das Demonstrationsverbot. Das sei ein Beitrag zur Bekämpfung des Islamismus, sagte er im rbb|24 Inforadio. Wichtig sei aber auch die gesellschaftliche Reaktion. Nötig seien gezielte Programme gegen "muslimischen Antisemitismus in Deutschland".
Antisemitismus und Volksverhetzung befürchtet
Ein entsprechendes Prüfverfahren innerhalb der Polizei kam zu dem Ergebnis, dass mit volksverhetzenden und antisemitischen Parolen, Gewaltausbrüchen und Gewaltverherrlichung zu rechnen sei. Außerdem sei die "Durchführung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung", wie die Polizei auf X mitteilte. Deswegen sei der Protestmarsch untersagt worden.
"Unsere Versammlungsbehörde nimmt in ihrer Begründung sowohl Bezug auf die aktuelle Lage in Nahost und Straftaten bei vergleichbaren Versammlungslagen in der Vergangenheit als auch den Ereignissen am letzten Wochenende in Berlin", heißt es in der Mitteilung der Polizei weiter.
Wegner für Verbot
Der Berliner Regierende Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hatte sich zuvor bereits für ein Verbot der Demonstration ausgesprochen. Man werde nicht dulden, dass in Berlin Terror, Mord und Geiselnahmen gefeiert werden. Wegner unterstrich, dass es sich um eine kleine Minderheit handele, die Antisemitismus und Hass äußere.
Desweiteren kündigte der Regierende an, die Schutzmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in Berlin nochmal deutlich ausweiten zu wollen. Wegner sagte, man werde speziell jüdische Schulen schützen.
Weitere Demonstrationen
Für Donnerstag sind drei Protestaktionen verschiedener Gruppierungen angekündigt. Ab 13 Uhr wollen Angehörige von Geiseln der Hamas nahe des Auswärtigen Amtes in Berlin-Mitte demonstrieren.
Für 16 Uhr ist eine Kundgebung mit rund 200 Teilnehmenden unter dem Titel "Solidarität mit der Zivilbevölkerung" von der Gemeinde der Pälastinenser in Berlin am Potsdamer Platz angekündigt.
Um 17 Uhr ist eine Veranstaltung zum Gedenken an die Opfer des Angriffs unter dem Titel "Solidarität mit den Menschen in Israel und Palästina" am Breitscheidplatz geplant.
Für Freitag rief die Hamas Muslime in der ganzen Welt zu Aktionen und Unterstützung auf. Am Samstag plant der Zentralrat der Palästinenser in Deutschland am Brandenburger Tor unter dem Motto "Frieden in Nahost" eine Demonstration.
Die Berliner Polizei prüft nach eigenen Angaben noch, ob die angekündigten Veranstaltung von Palästinenser-Organisationen problematisch sein könnten mit Blick auf möglichen Antisemitismus oder Unterstützung von Gewalttaten.
Israelfeindliche Parolen auf Demos am Samstag
Nach den Angriffen der islamistischen Hamas auf Israel hatten sich am vergangenen Samstagabend und in der Nacht zu Sonntag in Neukölln zwei Versammlungen gebildet. In den Abendstunden hatten sich laut Polizei etwa 65 Menschen an der Ecke Sonnenallee und Reuterstraße versammelt. Ein Sprecher sagte dem rbb, die Kundgebung sei aufgelöst worden, nachdem es zu israelfeindlichen Sprechchören gekommen sei.
Einige Stunden später versammelten sich etwa 50 Menschen in der High-Deck-Siedlung nahe der Sonnenallee. Im Zuge der Demo hat es laut Polizei mehrere Kontrollen und entsprechende Maßnahmen gegeben. Nachdem es zu israelfeindlichen Sprechchören gekommen sei, hatten die Beamten die pro-palästinensische Kundgebung ebenfalls aufgelöst.
Die Polizei spricht derzeit von einer verschäften Sicherheitslage in Berlin. Seit Samstag, dem Tag des Angriffs auf Israel, zählte die Behörde bislang mehr als 30 Straftaten wie verbotene Symbole, Plakate und Hetzreden. Dazu mehr als 30 Ordnungswidrigkeiten bei Demonstrationen.
Sendung: rbb24 Abendschau, 11.10.2023, 19:30 Uhr