Pro-palästinensische Gewalt in Neukölln - Berliner Polizei meldet knapp 200 Festnahmen und 65 verletzte Kollegen
Am Tag nach den schweren Krawallen von Pro-Palästinensern in Berlin-Neukölln zieht die Polizei Bilanz. So wurden zahlreiche Personen vorübergehend festgenommen, darunter auch einige Minderjährige. Und es gab Dutzende Verletzte.
Die Berliner Polizei hat in einer Bilanz am Donnerstagabend weitere Details zu pro-palästinensischen Demonstrationen und Ausschreitungen vom Vorabend bekannt gegeben. Demnach war die Polizei ab Mittwochnachmittag mit rund 850 Kräften und Unterstützung der Bundespolizei im Einsatz. Dabei seien in Neukölln Versammlungsverbote durchgesetzt sowie "große Ansammlungen von zum Teil emotionalisierten Personengruppen" verhindert worden.
Durch deutliche Polizeipräsenz und stärkere Objektschutzmaßnahmen habe es keine Versuche mehr gegeben, jüdische und israelische Einrichtungen anzugreifen. Im Verlauf des Einsatzes gab es 194 Festnahmen, wie Innensenatorin Iris Spranger (SPD) am Donnerstag in der rbb24 Abendschau sagte. Darunter seien auch 29 Minderjährige gewesen.
270 Anzeigen, 65 verletzte Polizeikräfte
Laut Polizei sind im Laufe des Mittwochsabends mehr als 270 Anzeigen gefertig worden. Ermittlungen gebe es nun unter anderem wegen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, versuchter Gefangenenbefreiung, schweren Landfriedensbruchs, Volksverhetzung, Körperverletzungsdelikten, Beleidung, Bedrohung und Verstößen gegen das Betäubungsmittel- sowie das Sprengstoffgesetz. Außerdem sei es im gesamten Stadtgebiet zu zahlreichen Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit dem Nahost-Konflikt gekommen.
Bei den Ausschreitungen wurden 65 Polizisten verletzt, wie eine Polizeisprecherin am Donnerstagmorgen mitteilte. Betroffen von pro-palästinensischen Krawallen in der zweiten Nacht in Folge waren vor allem der Bereich rund um die Sonnenallee und der Hermannplatz. Die Polizei sprach auf ihren Social-Media-Kanälen von einer aufgeheizten Stimmung: Den Angaben zufolge wurden Mülltonnen und Reifen in Brand gesetzt und Pyrotechnik gezündet, Polizeikräfte mit Steinen, Flaschen und Brandsätzen beworfen. Verletzt wurden auch Personen, die Widerstand leisteten, sowie Unbeteiligte, so die Polizeisprecherin.
Wasserwerfer im Einsatz
Nach Polizeiangaben brannten in einer Wohnsiedlung mehrere Autos und ein Lastwagen, ein Baum fing zudem Feuer. Bei den Festnahmen von Verdächtigen seien Pfefferspray und "Zwang" eingesetzt worden.
Zuvor hatte die Polizei berichtet, dass es am Abend auf der Sonnenallee in Neukölln weiterhin "große Ansammlungen von Menschen" gab, bei denen Ordnungswidrigkeiten und Straftaten begangen wurden. Nachdem wahllos Gegenstände auf die Straße geworfen und angezündet worden waren, kamen Wasserwerfer zum Einsatz. Ein solcher wurde auch zum Löschen von Bränden genutzt.
Die anhaltenden Proteste stellen die Berliner Polizei auch personell vor Herausforderungen. "Aktuell ist die Kräftelage sehr angespannt", sagte Polizeipräsidentin Barbara Slowik in einem Interview mit der "B. Z.". "Wir können die aktuelle Lage aber gut bewältigen, wenn wir aus Bund und Ländern unterstützt werden."
Faeser: Gewaltausübung ist nicht akzeptabel
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) verurteilte die Angriffe auf Polizisten bei pro-palästinensischen Kundgebungen in der vergangenen Nacht in Berlin-Neukölln scharf. "Wir haben ein Versammlungsrecht in Deutschland und das ist auch in Ordnung, wenn auf Straßen demonstriert wird", sagte Faeser am Donnerstag in Brüssel. Nicht in Ordnung sei aber die Gewaltausübung, erst Recht nicht gegen Einsatzkräfte der Polizei. Sie betonte, dass für die Bundesregierung der Schutz jüdischer Einrichtungen und aller Jüdinnen und Juden im Fokus stehe. Faeser äußerte sich am Rande des Europäischen Rates für Justiz und Inneres in Brüssel.
Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) forderte indessen weitere Maßnahmen gegen Antisemitimus. Der sei im Bezirk "seit Jahren stark in den Köpfen verankert", sagte Hikel in einem Interview der "Jüdischen Allgemeinen". Dagegen eine vernünftige Demokratiearbeit zu leisten, sei eine stetige Aufgabe. Zudem sprach er sich für die Berufung eines Bezirksbeauftragten aus, der sich außer mit Queerfeindlichkeit auch mit Antisemitismus befasst. Im Bezirkshaushalt seien dafür bereits Voraussetzungen geschaffen worden. "Ein Beauftragter wäre wichtig, denn wir sind Motor dieser Stadt. Wenn es hier nicht läuft - wie wir gerade sehen - dann läuft diese Stadt nicht".
Sendung: rbb24 Abendschau, 19.10.2023, 19:30 Uhr
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