Zuwachs um Zehntausende Fälle - Staatsanwaltschaften verzeichnen rekordverdächtig viele neue Verfahren

So 28.04.24 | 08:49 Uhr
  12
Stapel mit Akten, Symbolbild (Quelle: DPA/Stephanie Pilick)
Audio: rbb24 Inforadio | 28.04.2024 | Tobias Moeck | Bild: dpa

Die Staatsanwaltschaften in Berlin und Brandenburg bekommen immer mehr Akten auf den Tisch. Innerhalb von zwei Jahren ist die Zahl der Neuzugänge bei den Verfahren nach Angaben der Justizbehörden jeweils deutlich gestiegen. Sie lag 2023 in Berlin bei 197.314 Fällen (2021: 175.665), in Brandenburg bei 180.745 (2021: 155.927).

Damit einher geht, dass sich die unerledigten Fälle stapeln. In Brandenburg ist die Zahl offener Verfahren von 2021 bis 2023 um ein Drittel auf 42.606 gestiegen (2021: 32.060). In Berlin wuchs der Aktenstapel im vergangenen Jahr nicht ganz so deutlich an: Dort blieben 36.840 Fälle unbearbeitet - ein Zuwachs von sechs Prozent (2021: 34.763).

Die Zahlen gehen auf eine Umfrage bei den Justizverwaltungen der Länder zurück, die die vom Richterbund herausgegebene "Deutsche Richterzeitung" durchführte. Berücksichtigt wurden dabei nur die Verfahren gegen namentlich bekannte Beschuldigte, berichtet die Nachrichtenagentur DPA.

Mehr Verfahren wegen Hass, Hetze und Kinderpornographie

Die Entwicklung entspricht dem bundesweiten Trend. Nach Angaben des Deutschen Richterbundes blieben im vergangenen Jahr deutschlandweit 906.536 Verfahren unerledigt. Innerhalb von zwei Jahren sei die Zahl unbearbeiteter Akten damit um ein Viertel gestiegen, hieß es.

Demnach haben die Staatsanwaltschaften bundesweit im vergangenen Jahr rund 5,4 Millionen neue Fälle auf den Tisch bekommen - so viele wie noch nie. Zwei Jahre zuvor habe es noch etwa 4,7 Millionen Neuzugänge gegeben.

Der Bundesgeschäftsführer des Richterbundes, Sven Rebehn, sieht unter anderem eine Zunahme von Verfahren wegen Hass und Hetze im Netz als einen Grund für die Entwicklung. Zudem gebe es vermehrte Straftaten nach dem Aufenthaltsgesetz und mehr Fälle im Bereich der Kinderpornografie. "Eine personell ausgezehrte Strafjustiz kann mit der Entwicklung immer schlechter Schritt halten", sagte Rebehn der DPA.

Personalprobleme bei den Staatsanwaltschaften

Die Justizverwaltungen in den Ländern führen die Zunahmen von neuen Verfahren als einen wesentlichen Grund dafür an, dass mehr Akten unbearbeitet bleiben. In Brandenburg seien zusätzliche Stellen bei den Staatsanwaltschaften geschaffen worden, teilte das Justizministerium in Potsdam mit. Im Zeitraum 2019 bis 2021 seien es 27 Stellen gewesen. Für die Jahre 2022 bis 2024 hätten 15 Nachwuchsstellen besetzt werden können.

In Berlin gibt es laut Senatsjustizverwaltung derzeit rund 450 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, darunter allerdings rund 90 junge Juristen, die als Proberichter in der Regel nur ein Jahr bei der Behörde bleiben.

Sendung: rbb24 Inforadio, 28.04.2024, 8.30 Uhr

12 Kommentare

Wir schließen die Kommentarfunktion, wenn die Zahl der Kommentare so groß ist, dass sie nicht mehr zeitnah moderiert werden können. Weiter schließen wir die Kommentarfunktion, wenn die Kommentare sich nicht mehr auf das Thema beziehen oder eine Vielzahl der Kommentare die Regeln unserer Kommentarrichtlinien verletzt. Bei älteren Beiträgen wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen.

  1. 12.

    Wie fürchterlich für die Staatsanwälte und Staatsanwältinnen.

  2. 11.

    Nun, in der Mehrheit der Verfahren zum Thema sind die Beschuldigten inzwischen Kinder und Jugendliche, die entsprechende Bilder von sich selbst oder anderen über soziale Medien an andere im gleichen Alter verschicken.

    Das hat dann auch der Gesetzgeber gemerkt und will jetzt die Reform, die zur Erhöhung der Anzeigen geführt hat, nochmals reformieren.

    Googlen Sie mal "LTO überfällige Reform der Reform" (wenn ich das direkt verlinkte geht es wieder nicht durch den hiesigen Filter), da können Sie einen entsprechenden KOmmentar von Rechtsanwälten zum Thema lesen.

  3. 10.

    Wenn die Justiz u.a. Mit der letzten Generation beschäftigt war und nur für den Papierkorb gearbeitet hatte. Da sie die Sachbeschädigung für den Klimaschutz durchgeführt hatten, gab es ja meistens nur kleinste Geldstrafen ohne richtige Verurteilung. So schreckt man keine Täter ab. So nimmt niemand diesen Rechtsstaat und seine Polizei und Feuerwehrbeamten mehr ernst.

  4. 9.

    "Demnach haben die Staatsanwaltschaften bundesweit im vergangenen Jahr rund 5,4 Millionen neue Fälle auf den Tisch bekommen - so viele wie noch nie. Zwei Jahre zuvor habe es noch etwa 4,7 Millionen Neuzugänge gegeben."
    Was ist daran ungenau ? Die Leute waren mehr im Homeoffice und haben ihren Frust im Netz abgelassen. Das gilt natürlich auch für gewisse krankhafte Triebe. Anzeige kann man gleich im Netz erledigen und der Staat hat bei der "Kontrolle" der Bürger aufgerüstet. Am Ende steht der Kollaps.

  5. 8.

    Etwas einfache Darstellung der Zahlen.
    Wurden weniger Fälle bearbeitet und abgeschlossen?
    Wieviel wurden eingestellt?
    Steigt die Anzahl der Anzeigen oder die Anzahl der Vergehen?
    Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei den Anzeigen?
    Ist es einfacher geworden jemanden anzuzeigen und steigen deshalb vielleicht die Fälle?
    Welche Rolle spielt die gesellschaftliche Verwahrlosung?

  6. 7.

    Zur Kinderpornografie:

    ENDLICH (!!!) wird das mehr zur Anzeige und in die Strafverfahren gebracht. Das Thema wurde viel zu lange tot geschwiegen, die Opfer hat man damit immens im Stich gelassen ja größtenteils sogar ignoriert!

  7. 6.

    Im Grunde ist es doch so, dass wir hier kaum noch den Begriff Rechtsstaat anwenden können. Seit Jahrzehnten wird die Lage immer prekärer , der Bürger kommt nicht mehr in angemessener Zeit zu seinem Recht. Hinzu kommt, dass die Bürger sich regelmäßig durch irgendwelche Instanzen klagen und so die Rechtssprechung weiter behindern.
    Entscheidungen unterer Instanzen werden häufig nicht mehr akzeptiert, Rechtsfehler häufen sich, obwohl ja alle Richter die gleiche Ausbildung durchlaufen. Kurz gesagt ein weiterer Bereich der Gesellschaft mit krisenhaften Erscheinungen, deren Lösung nicht in Sicht ist.

  8. 5.

    tagesschau.de meldet:
    Deutlicher Anstieg in Hamburg
    "Nach den Angaben hat sich die Situation insbesondere in Hamburg verschlechtert. Im Zwei-Jahres-Vergleich ist die Anzahl der noch zu bearbeitenden Fälle in der Hansestadt um 70 Prozent auf 39.000 gestiegen."
    Mich würde mal interessieren, wo dieser Anstieg herkam?

  9. 4.

    Denken wir mal 5 Jahre weiter.
    Vermutlich reichen schon 2 oder 3.
    Noch mehr Straftaten - noch weniger Personal.
    Gefängnisse voll, Verfahrenseinstellungen wegen fehlender Anklage usw.
    Wenn sich Ihre Theorie herumspricht, was wohl in einigen Milieus bzw. bei bestimmten Delikten womöglich schon längst der Fall ist, dann ist hier wohl Schlimmes zu befürchten.
    Aber viele Menschen haben heute auch keine Furcht mehr vor Prozessen.
    Die sagen sich: Verklag mich doch! Weil sie genau wissen, wie langsam die Mühlen mahlen.

  10. 3.

    Ja genau da liegt der Trick. Wenn jeder einfach Straftaten begeht, dann können die nicht mehr zeitnah bearbeitet werden. Entweder KI macht dann auf Justiz oder man bringt das System damit zum Einsturz. Das Prinzip kommt eigentlich aus der IT.

  11. 2.

    Wieviele % der Fälle werden eingestellt?

  12. 1.

    Warum werden hier keine konkreten Zahlen über die einzelnen Deliktarten gemacht?
    Damit man sich ein eigenes Bild machen kann.
    Die Kriminalitätsstatistik von neulich nannte auch noch andere Kriminalitätsformen, die gestiegen sind.
    Und auch andere Gründe.
    Oder es gibt eine Diskrepanz bei der Intensität der Strafverfolgung. Wäre ja auch denkbar.

Nächster Artikel