Niederdeutsche Sprache in Brandenburg - "Ich finde es schön, wenn die Kinder einen mit 'Gooden Tach' ansprechen"

Fr 26.04.24 | 12:16 Uhr
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Plattdeutsches Wörterbuch.(Quelle: picture alliance/Jens Büttner)
Audio: Antenne Brandenburg | 25.04.2024 | Fred Pilarski | Bild: picture alliance/Jens Büttner

Nur wenige Menschen sprechen im Brandenburg die niederdeutsche Sprache. Damit das Plattdeutsch in der Region am Leben bleibt, bringt ein Verein Kindern in Prenzlau die Sprache bei. Die Landesregierung will nun die Sprache mit einem Gesetz fördern.

Im "Plattdütsch-Eck" der Bibliothek in Prenzlau (Uckermark) kloppen vier Frauen Karten auf den Tisch. Sie spielen ein Memory mit Begriffen aus der Harry-Potter-Welt. Ihre Aufgabe: Zu jedem deutschen Wort das richtige auf Platt ansagen, finden und aufdecken. "Tövertrick: das heißt Zaubertrick", sagt eine Teilnehmerin. Eigentlich ist das keine Spielrunde, sondern ein Platt-Arbeitskreis, der seinen nächsten Projekttag für Grundschüler vorbereitet. Wie viele andere Menschen in Brandenburg sorgen diese Frauen dafür, dass das Platt nicht verloren geht.

Doris Meinke leitet den Arbeitskreis und arbeitet als eine Art Plattdeutschbeauftragte der Stadt Prenzlau. Sie ist Vorstandsmitglied des Vereins für Niederdeutsch im Land Brandenburg, der sich für die Sprache einsetzt. In Prenzlau dient Meinke als Vermittlerin des Niederdeutschen – auch Plattdeutsch oder Platt genannt – und bringt Kindern an Prenzlauer Schulen die Sprache bei. Die Termine rund um das Thema Harry Potter seien sehr begehrt. Interesse käme vor allem aus Schulen von Prenzlau aber auch außerhalb der uckermärkischen Stadt, sagt Meinke. "Platt nimmt in der Uckermark Fahrt auf."

Neues Gesetz soll Platt fördern

Prenzlau erlebt laut Meinke eine Wiedergeburt der niederdeutschen Sprache: Es gibt Stadtführungen, plattdeutsche Begrüßungsschilder und Spruchtafeln auf Parkbänken. Kinder würden die Sprache gern lernen, bei älteren Menschen sei sie noch da, sagt Meinke. Ihr gehe es aber auch um die mittlere Generation. "Sie sagen oft: Verstehen tue ich alles, aber sprechen muss man sich trauen", sagt Meinke.

Die Politik nimmt den Wunsch nach dem Spracherhalt offenbar ernst: Im Brandenburger Landtag wird aktuell ein Gesetzentwurf der Landesregierung diskutiert, der die niederdeutsche Sprache fördern soll. Nachdem 2022 der Schutz des Niederdeutschen in die Brandenburger Landesverfassung aufgenommen wurde, sollen jetzt landesrechtlichen Grundlagen dafür geschaffen werden: Unter anderem sollen Platt-Lehrkräfte unterstützt, Lernmittel finanziert und die Geschichte der Sprache in den Schulen angemessen vermittelt werden. Außerdem will die Landesregierung einen Beirat schaffen, um den Austausch mit der Sprachgruppe zu fördern.

"Mein Vater hat bis zum Lebensende nur Plattdeutsch gesprochen"

In Brandenburg wird die niederdeutsche Sprache vor allem in den nördlichen Landkreisen gesprochen. Nur weniger als drei Prozent der Brandenburger hat eine aktive Sprachkompetenz im Platt, wie eine Umfrage des Instituts für niederdeutsche Sprache ergab. Demnach sprechen etwa zwei Millionen Menschen deutschlandweit Plattdeutsch.

Damit es mehr werden, sorgen in Prenzlau auch junge Menschen für die Verbreitung des Plattdeutschen. Eine von ihnen ist die 20-jährige Nele Hübner. Die angehende Bibliothekarin hat ein Zusatzstudium an der Uni Greifswald für niederdeutsche Sprachvermittlung belegt. Platt habe sie von ihrem Großvater gelernt, nun wolle sie es weitergeben. "Ich finde es schön, wenn die Kinder einen mit 'Gooden Tach' ['Guten Tag' auf Niederdeutsch] ansprechen, das ist auch mal eine Abwechslung."

Bei Doris Meinke war es noch ihr Vater, der Platt sprach – sogar als Muttersprache: "Die erste Fremdsprache, die er gelernt hat, war Hochdeutsch", sagt sie. "Mein Vater hat bis zum Lebensende nur Plattdeutsch gesprochen, und dafür hat er mächtig viel Prügel bezogen in der Schule." Heute sei es alles anders, ihr gehe es darum, die alte Sprache zu bewahren und zukunftsträchtig machen, so Meinke. "Da werden wir nicht aufhören."

Mit Material von Fred Pilarski

Hinweis: Wir haben das Zitat in der Überschrift und im Text angepasst. Nele Hübner sagte nicht ""Ich finde es schön, wenn die Kinder einen mit gutem Platt ansprechen"" sondern "Ich finde es schön, wenn die Kinder einen mit 'Gooden Tach' ansprechen". Wir bitten das Missverständnis zu entschuldigen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 25.04.2024, 15:40 Uhr

38 Kommentare

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  1. 38.

    "Beide in Deutschland, und Berlin liegt irgendwie zwischen Angeln und Sachsen ;)"
    Seit der Neuzeit ist das so. Sagen sie aber nie zu einem Niedersachsen, Sachse. NDS ist das moorreichste Bundesland. ;-)

  2. 37.

    Zitat: "Plattdeutsch hat hier in Berlin nichts verloren, hier wird wenn überhaupt berlinert."

    Kennste "Icke, dette, kieke ma..."? Dit is Berliner Niederdeutsch und hat daher sehr wohl was in Berlin verloren, Frau Gerdi.

  3. 36.

    Englisch? Es wird von Anglo-Saxon als Vorgänger von Englisch gesprochen, kommt wohl aus Angeln an der Schlei und Sachsen.

    Beide in Deutschland, und Berlin liegt irgendwie zwischen Angeln und Sachsen ;)

  4. 35.

    Plattdeutsch hat hier in Berlin nichts verloren, hier wird wenn überhaupt berlinert.

  5. 33.

    Moin kenn ich auch, ebenso die Wörter schnacken, vertellen oder Tüch (Zeug). Ich bin mit 13 von Niedersachsen (Südharz) nach Schleswig-Holstein (Kreis Pinneberg nahe Hamburg) gezogen. Ich begrüße noch heute die Leute mit einem "Moin", weil es ein Teil meiner Identität ist. Ich finde es schön, das die Sprache einen Raum im Land Brandenburg findet. Nun hab' ich aber genug vertellt...

  6. 30.

    Vielen Dank für die Übersetzung…habe gerade feuchte Augen.
    Ich glaube, dass die Dialekte wichtig sind . Sie sind ein Stück (Länder)Kultur, ein Stück Heimat, oft auch Kindheit. Und Erinnerung…Im Dialekt gibt es vieles auch bewegender auszudrücken als in der hochdeutschen Sprache. Ihr Text ist hier das beste Beispiel. Auch wenn der Dialekt in anderen Ohren nicht immer wohlklingend ist :-) darf er für mein Empfinden nicht verloren gehen.

  7. 26.

    Sicher ist es sehr wichtig, das Hochdeutsche zu beherrschen, wurde es doch einst u.a. auch geschaffen, damit sich z.B. Brandenburger mit Bayern und Hessen verständigen können. Andererseits könnte man ohne Kenntnis des Dialektes wohl kaum noch Fontanes Gedicht von Herrn Ribbeck auf Ribbeck im Havelland verstehen, in dem er seinen Protagonisten Platt sprechen lässt. Die Texte von Dichtern wie Fritz Reuter, John Brinckman oder Klaus Groth sind uns heute schon fast so fremd wie die von Walther von der Vogelweide. Und doch gehören sie zu unserer Kultur und sollten deshalb nicht völlig in Vergessenheit geraten. Ich finde es gut, wenn man Dialekte wiederbelebt, denn sie fördern neben dem besseren Verständnis von Kultur und Geschichte einer Region auch durch ihr Erlernen auch das Sprachverständnis allgemein.

  8. 25.

    Die Verödung der deutschen Sprachvielfalt zum "Hochdeutschen" (also dem Dialekt aus Hannover)wurde im Wesentlichen durch die Schulen sowie Funk und Fernsehen bewirkt. Da wirkt es absurd, dass der Staat das fördert, was er gleichzeitig abschafft.

    Der Erhalt regionaler Sprachvarianten ließe sich eher durch eine Rückkehr der Dialekte im institutionellen Bereich erreichen. Das würde dann aber z. B. auch Plattdeutsch in Schulen, Behörden und beim öffentlichen Rundfunk bedeuten. Aber das würde die Mehrheit wahrscheinlich nicht wollen.

  9. 24.
    Antwort auf [Konrad D.] vom 26.04.2024 um 13:35

    ...hatte eben "pmv" schon sehr richtig kommentiert...

  10. 23.

    hmm... ich bin da unromantisch.
    Ich finde starkte Dialekte tatsächlich anstrengend. Im Umkehrschluss bin ich aber kein "Grammatiknazi". Es sollte in unser aller Interesse sein einander zu verstehen und uns nicht durch zu viele sprachliche Differenzen zu verfremden.

  11. 22.

    Es ist eine druckreife Forderung!
    Der es nichts weiter hinzuzufügen gibt.

  12. 21.

    "Guden Tach"?

    Bei uns bellt man "Moin!"

  13. 20.

    Laut Ex-Bundespräsident Christian Wulff gehört ja auch der Islam zu Deutschland. Es gibt offensichtlich Verzichtbares.
    Das Schrift- oder Hochdeutsche - so es denn nur gesprochen und beherrscht würde - hat den Vorteil, in Inland von Jedem verstanden zu werden. Ähnliche Vorteile einer Standardisierung gelten auch für die Normalzeit, Masse und Gewichte, u.ä.

  14. 19.

    Mir würde es ja schon reichen, wenn es das Ziel wäre, zu korrektem Deutsch zurückzukommen. D a n a c h kann man über die Wiederbelebung von Dialekten nachdenken. Bis dahin ist es ein „Luxusproblem“.

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