Unterstützung für Pro-Palästina-Camp - Stark-Watzinger "fassungslos" über Brief von Uni-Lehrkräften - Kritik auch vom Senat
Bundesbildungsministerin Stark-Watzinger und ihre Berliner Amtskollegin Czyborra haben mit scharfer Kritik auf einen Brief Berliner Uni-Dozenten reagiert. Die Lehrenden hatten ihre Unterstützung für ein pro-palästinensisches Protestcamp an der FU ausgedrückt.
Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) hat sich empört über eine Unterstützer-Erklärung von Berliner Hochschuldozenten für pro-palästinensische Proteste gezeigt. "Dieses Statement von Lehrenden an Berliner Universitäten macht fassungslos", sagte Stark-Watzinger der "Bild"-Zeitung.
Statt sich klar gegen Israel- und Judenhass zu stellen, würden "Uni-Besetzer zu Opfern gemacht und Gewalt verharmlost". Scharfe Kritik an dem Brief kam auch von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und Zentralratspräsident Josef Schuster. Auch bei einer pro-israelischen Demonstration am Freitag vor der Berliner Humboldt-Universität wurde der Brief verurteilt.
Berliner Wissenschaftssenatorin kritisiert Brief ebenfalls
Berlins Wissenschaftssenatorin Ina Czyborra (SPD) schloss sich der Kritik an. "Ich bin der Meinung, hier stimmt die Grundthese nicht. Hier gibt es eine falsche Annahme. Angefangen davon, dass es auch fraglich ist, wer die Akteure dort waren. Das werden wir mit der Polizei auswerten, wahrscheinlich nicht nur Studierende", sagte Czyborra dem rbb. "Wir haben es nicht mit friedlichem studentischem Protest zu tun."
Weiter sagte Cyborra: "Es gab von Anfang an verbotene Parolen, Hetze, Verbrennung von Israel-Fahnen, Handgreiflichkeiten gegen jüdische Gegendemonstranten und erhebliche Sachbeschädigung", so Czyborra gegenüber dem rbb|24 Inforadio.
Nach Anfrage des rbb ist der Polizei nichts über eine brennende Fahne bekannt. Allerdings soll eine Tür der Universität beschädigt worden sein. Außerdem wurden mehrere Brandmeldeanlagen ausgelöst. In diesem Zusammenhang gibt es eine Strafanzeige wegen des Missbrauchs von Nothilfeeinrichtungen, so die Polizei weiter.
Czyborra habe von den Protestierenden kein Gesprächsangebot vernommen. "Schon in dem Flugblatt [...] steht: 'Wir wollen keine Verhandlungen, wir haben Forderungen, die sind unverhandelbar.' [...] Es ging einfach darum, den Hochschulbetrieb hier lahmzulegen."
Sie wisse, so die Wissenschaftssenatorin, dass das Präsidium der Freien Universität Berlin (FU) viele Gespräche führe, auch mit den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des offenen Briefes. "Viele [...] antisemitische Narrative, die da bei diesen Demonstrationen auch eine Rolle spielen, [...] das zu diskutieren, ist ja eine der Fragen, für die Wissenschaft auch gerade da ist."
Protestcamp am Dienstag
Am Dienstag hatten Demonstrierende ein Protestcamp auf einem Hof der Freien Universität (FU) errichtet, das am Nachmittag von der Polizei geräumt wurde. Der Lehrbetrieb wurde für den Tag weitgehend eingestellt. Eine Gruppe mit dem Namen Student Coalition Berlin forderte die Universitäten in Berlin unter anderem dazu auf, sich für eine Waffenruhe im Gazastreifen einzusetzen und Israel "akademisch und kulturell" zu boykottieren.
Die Gruppe hatte in der vergangenen Woche bereits zu einer Protestaktion an der Humboldt-Universität aufgerufen. Die Protestkundgebung am Freitag hatte einen Polizeieinsatz ausgelöst. Dabei war es laut Polizei auch zu "volksverhetzenden Aufrufen" gekommen. 80 Strafermittlungsverfahren wurden eingeleitet.
"Verteidigen Recht auf friedlichen Protest"
In einer am Mittwoch online veröffentlichten Erklärung stellten sich rund 300 Lehrkräfte verschiedener Berliner Hochschulen hinter die Proteste. "Unabhängig davon, ob wir mit den konkreten Forderungen des Protestcamps einverstanden sind, stellen wir uns vor unsere Studierenden und verteidigen ihr Recht auf friedlichen Protest, das auch die Besetzung von Uni-Gelände einschließt", hieß es in dem Dozenten-Schreiben.
Zudem forderten die Lehrkräfte die Universitätsleitungen auf, "von Polizeieinsätzen gegen ihre eigenen Studierenden ebenso wie von weiterer strafrechtlicher Verfolgung abzusehen". In der Erklärung wird die "Dringlichkeit des Anliegens der Protestierenden" mit Israels Vorgehen im Gazastreifen und der humanitäre Lage in dem Palästinensergebiet als "nachvollziehbar" begründet. Der Hamas-Angriff, der den Krieg im Gazastreifen auslöste, sowie die von der Terrororganisation verschleppten israelischen Geiseln werden darin hingegen nicht erwähnt.
Wegner: "Überhaupt kein Verständnis"
Dass es sich bei den Unterstützern der Proteste um Lehrende handele, sei "eine neue Qualität", erklärte Stark-Watzinger. Gerade sie müssten "auf dem Boden des Grundgesetzes stehen". Aus ihrer Sicht sei es "richtig, wenn Hochschulleitungen bei Antisemitismus und Gewalt schnell handeln und die Polizei einschalten", betonte die FDP-Politikerin.
Deutliche Kritik an der Stellungnahme kam auch von Berlins Regierendem Bürgermeister Kai Wegner. "Für die Verfasser dieses Pamphlets habe ich überhaupt kein Verständnis", sagte er der "Bild"-Zeitung. Die Berliner Universitäten seien und blieben "Orte des Wissens, des kritischen Diskurses und des offenen Austauschs". "Antisemitismus und Israelhass sind aber keine Meinungsäußerungen, sondern Straftaten", betonte der CDU-Politiker. Er habe "volles Vertrauen", dass die Berliner Polizei "gegen solche Straftaten auch weiterhin konsequent rechtsstaatlich" vorgehe.
Zentralrat der Juden enttäuscht
Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, zeigte sich enttäuscht von den Unterzeichnern des Schreibens. Den Aktivisten gehe es "weniger um das Leid der Menschen in Gaza, sondern sie werden von ihrem Hass auf Israel und Juden angetrieben", sagte er der "Bild"-Zeitung. "Gerade von Hochschuldozenten hätte ich erwartet, dass dies zumindest klar benannt wird, wenn sich schon für diese Form des Protestes eingesetzt wird."
Sendung: rbb24 Inforadio, 10.05.24, 06:00 Uhr