Baumuntersuchung in Brandenburg - Forscher wollen Bäume unter Stress besser verstehen

Mo 12.08.24 | 06:23 Uhr
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Zwei Mitarbeiterinnen der HNEE laden Daten aus der Baummessstation auf einen Laptop.(Quelle:rbb/E.Kirchner-Rätsch)
Audio: Antenne Brandenburg | 09.08.2024 | Eva Kirchner-Rätsch | Bild: rbb/E.Kirchner-Rätsch

Bäume reagieren unterschiedlich auf Stress und werfen beispielsweise Äste ab, das kann in Parks gefährlich werden. In Brandenburg werden deswegen Bäume mit neuester Messtechnik untersucht – irgendwann könnte sie auch in Parks zum Einsatz kommen.

Langsam und vorsichtig geht es mitten in den Wald im Bereich der Oberförsterei Reiersdorf bei Templin (Uckermark). Kein Weg oder Trampelpfad führt die Wissenschaftler an ihr Ziel. Ohne Navigation geht es nicht. "Die Förster würden es viel schneller finden, aber wir machen es per GPS", sagt Ina Holst, während sie auf ihr Handy blickt.

Nach etwa fünf Minuten Fußmarsch taucht mitten im Wald eine Messstation auf, die an eine Wetterstation erinnert. Aus einem Kasten, der in etwa 1,5 Meter Höhe hängt, kommen etliche Kabel. Diese führen zu vier Kiefern in der näheren Umgebung. Die Bäume sind zwischen 60 und 80 Jahre alt und werden hier ganz genau vermessen, sagt Holst, die am Projekt "pro Öko-Forst" von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNEE) arbeitet. "Wir haben diverse Dendrometer. Das sind Baumumfang-Maßbänder, die messen sowohl das Wachsen als auch das Schrumpfen der Bäume."

Den Laptop an den Baum anschließen

Das Projekt der HNE im Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin umfasst insgesamt 54 solcher sogenannten Plots, also Untersuchungsflächen. Vermessen werden mal reiner Kiefernbestand, mal Mischwald und auch Laubwälder. "Es geht darum, festzustellen, wie unterschiedliche Behandlungsweisen von Wäldern sich entwickeln – unter dem Einfluss vom Wetter und vor allem bei Extremereignissen", sagt Pierre Ibisch, Biologe und Professor an der HNEE. Um das zu untermauern, brauche es Unmengen von Daten. Bis Ende 2026 sollen sie im Biosphärenreservat erfasst werden.

Am Nachmittag verbindet Ina Holst mitten im Wald die Messstation mit einem Laptop und bekommt ganz frische und erstaunliche Werte. "Man sieht, dass am Anfang des Jahres seit Aufbau der Station – ab März – erstmal die Bäume geschrumpft sind bis ungefähr Mai. Danach haben sie ordentlich an Zuwachs gewonnen", sagt sie. Es gelte herauszufinden, unter welchen Wetterbedingungen die Bäume schrumpfen und dann wieder zulegen. Dazu sollen bis zum Projektende in drei Jahren Millionen von Daten miteinander verglichen und ausgewertet werden.

Schneller reagieren, bevor ein Baum Äste abwirft

Etwa 100 Kilometer südwestlich von Reiersdorf werden auf dem Potsdamer Telegraphenberg auch Bäume vermessen. Allerdings kommt hier eine völlig andere Technik in Einsatz, die eigentlich Erdbeben aufspürt. Kleine, gelbe Kisten, mit Gurten an riesigen Bäumen befestigt, leuchten durchs Grün. Gerd Helle vom Geoforschungszentrum Potsdam bringt einen der letzten Seismografen an einer uralten Eiche an. Das Gerät soll Baumbewegungen und Vibrationen im Holz erfassen.

"Wir hoffen, dass wir beobachten können, wie ein Baum ein Ast abwirft, um Frühwarnsignale und geschädigte Bäume zu erkennen, die möglicherweise kurz davor sind, einen Stab zu werfen", sagt Helle. Es gehe um die Bäume, denen man ihren Trockenheitsstress kaum ansieht. Gerade für Parks könnten Informationen über den wirklichen Zustand der Bäume nützlich sein, glaubt Helle.

Teure Seismografen sind nur ein Teil des Projekts

Der Klimawandel führt dazu, dass ein Spaziergang durch unsere Parks immer mehr zum Risiko wird. Mitten im Sommer brechen bei grünen Bäumen wegen Trockenheit und Hitzestress ohne Vorwarnung Äste ab. Für Parkverwaltungen wird das zum Problem. Sie müssten immer zwischen Sicherheit und Parkanblick abwägen, sagt Helle: "Gerade sehr alte Bäume wie knorrige Eiche, Buchen, die schön aussehen, die will man nicht präventiv verstummeln und irgendwelche Äste absägen, wenn man das nicht muss." Er wolle mit seiner Methode Entscheidungshilfe liefern, ob eine präventive Astabnahme notwendig ist.

Von der Kiefer bis zur Buche: Das Geoforschungszentrum stattet insgesamt 15 Bäume jetzt auf dem Telegraphenberg mit Seismografen aus. Da sie etwa 6.000 Euro pro Stück kosten, suchen die Forscher bereits nach günstigeren Lösungen. Demnächst sollen in Zusammenarbeit mit der TU Berlin zudem mit Drohnenflügen und Farbanalyse noch weitere Daten zum Baumzustand erfasst werden. Erste Ergebnisse der Pilotstudie sollen bis Oktober vorliegen.

Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch und Alexander Goligowski.

Sendung: Antenne Brandenburg, 09.08.2024, 15:40 Uhr

6 Kommentare

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  1. 6.

    Das würde ich gut finden. Macht aber nach meinem Wissen keiner bei den Kastanien. Da gibt es dann nur Aufrufe, das Laub einzusammeln.

  2. 5.

    Die pflegeintensiven Bäume sollten Stück für Stück ausgewechselt werden. Beispielsweise die weißblühenden Kastanien, die anfällig für die Miniermotte, mit der rosa blühenden Sorte austauschen.

  3. 4.

    Forschen schön und gut, aber mir fehlt bei diesem Projekt die Risikoeinstufung. Wie oft wurden Menschen in Parks aus heiterem Himmel von herabfallenden Ästen erschlagen?
    "Es gelte herauszufinden, unter welchen Wetterbedingungen die Bäume schrumpfen und dann wieder zulegen." Das ist doch alles bereits erforscht, z. B. von der eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft.
    Im Monitoring TreeNet wurde anhand von Messdaten analysiert, wie stark die Bäume an einem Wasserdefizit leiden. Je stärker die Schrumpfung und je länger die Phase dauert, desto stärker ist der Baum trocken-gestresst.
    Die Mittel für das Projekt der HNEE sollten besser für die Bewässerung der gestressten Bäume verwendet werden statt für Technik, die keinen praktischen Nutzen hat.

  4. 3.

    Das sehe ich auch so. Wenn man Zeit hat und Leute die messen statt pflegen, ist dieser „Luxus“ aber auch o.k.
    Ein Gedanke der sofort auftritt: „Besser verstehen, wann ein Baum Äste abwirft“ ist nichts wert, wenn man weiß, welche reinigende Wirkung Wind und Sturm haben (müssen)..-

  5. 2.

    Das Forscher besser Zusammenhänge verstehen wollen ist eine Binsenweisheit.
    Allerdings halte ich die Methodik eines Frühwarnsystems bei Bäumen eher für Spielerei. Die Gründe warum Bäume so reagieren müssen, sind im Groben verstanden und der Stress beginnt in Städten nicht erst beim Wasserentzug. Solange man Bäume weiter wie eine beliebig austauschbare Ware und nicht als Lebewesen behandelt, sind die Erkenntnisse zwar schön aber eher Selbstbefriedigung.

  6. 1.

    Auf einen Weinstock habe ich mal einen Strauch mit mehreren Yara Water Sensoren gesehen, die (soo Google) magnetisch den Gegendruck vom Blatt messen. D.h bei Trockenstress wird der Messwert größer. Wäre sowas nicht passend für so ein Projekt?

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