Besonders hohe Sicherheitsstufe - Warum der Schutz von Joe Biden Berlin lahmlegt
Für besonders hochrangige Politiker gilt eine entsprechend hohe Sicherheitsstufe, wenn sie Berlin besuchen - so auch für den scheidenden US-Präsidenten Biden. Die Sicherheitsvorkehrungen für seinen Besuch ab Donnerstag haben weitreichende Auswirkungen auf die Stadt.
US-Präsident Joe Bilden besucht in dieser Woche Berlin. Um seine Sicherheit zu gewährleisten, treffen die Behörden in der Hauptstadt besondere Vorkehrungen, die auch für die Bürger zu spüren sein werden: beispielweise durch Straßensperrungen oder Ausfälle im öffentlichen Nahverkehr.
Insbesondere das Regierungsviertel und der Ort, an dem der US-Präsident Joe Biden übernachten wird, unterliegen einer besonders hohen Sicherheitsstufe und sind Sperrgebiete während des Staatsbesuchs. Aber auch auf den Routen, auf denen er durch die Stadt fährt, wird es Einschränkungen geben.
BKA nimmt individuelle Bewertungen vor
Für sehr hochrangige Politiker gilt in der Regel die höchste Sicherheitsstufe 1 - wobei sich die Maßnahmen, die tatsächlich ergriffen werden, von Fall zu Fall unterscheiden können - alleine schon, weil das Besuchsprogramm unterschiedlich ist.
Zuständig für die Festlegung der Schutzmaßnahmen bei Staatsgästen ist das Bundeskriminalamt (BKA). Die Fachleute unterteilen die Gefährdung der Besucher normalerweise in drei Stufen. Zur ersten Sicherheitsstufe zählen Personen, die als erheblich gefährdet gelten und bei denen jederzeit mit einem Anschlag zu rechnen ist.
Das BKA teilte dem rbb anlässlich des Biden-Besuchs mit, die Sicherheitsmaßnahmen für gefährdete Personen basierten "auf einer ausführlichen Bewertung der individuellen Gefährdung". In Präsident Joe Bidens Fall dürfte es auch Anforderungen des Secret Services geben. Das BKA arbeitet nach eigenen Angaben "regelmäßig mit den ausländischen Sicherheitskräften von Staatsgästen zusammen". Der Grad der festgestellten Gefährdung bestimme dann die Intensität der Maßnahmen, schreibt das BKA.
Scharfschützen und versiegelte Gullis
Zu den Maßnahmen der Sicherheitsstufe 1 gehört die zeitweise Überwachung des für die meisten Flüge und Drohnen gesperrten Luftraums mit Hubschraubern, technische Geräte sollen Flug und Steuerung von Drohnen stören, auch werden Boote der Wasserschutzpolizei auf der Spree eingesetzt.
Im Sperrbereich des Hotels gelten Parkverbote, sogar für Fahrräder und Ausweiskontrollen, Menschen dürfen nur mit einem berechtigten Grund in das Gebiet - zum Beispiel wenn sie dort wohnen oder arbeiten und sie müssen sich mit Ausweisen legitimieren könne. Auch große Hausmülltonnen dürfen beispielsweise nicht auf die Straße gestellt werden. Versammlungen sind in diesem Bereich verboten.
Mitunter werden auch Gullideckel einzeln überprüft und versiegelt, Imbissbuden müssen je nach Lage schließen und werden ebenfalls versiegelt. Teilweise mussten Anwohner bei Staatsbesuchen in der Vergangenheit Fenster geschlossen halten und durften ihre Balkone nicht betreten, um Scharfschützen nicht zu irritieren - so beim Berlin-Besuch des damaligen Papstes Benedikt XVI. im September 2011.
Je nach Besuchsprogramm gab es auch schon umfassende Sprengstoff-Suchaktionen in Veranstaltungsräumen. Im Regelfall sind mehrere Tausend Polizisten im Einsatz, viele davon unterstützen aus anderen Bundesländern.
Unterbrechungen bei der S-Bahn
Für den Biden-Besuch - und vor einer Woche den von Wolodymyr Selenskyj - sei die ohnehin geltende höchste Sicherheitsstufe gewissermaßen auf die "allerhöchste" Stufe hochgesetzt worden, schreibt die "Berliner Zeitung" am Donnerstag. Eine ähnlich hohe Sicherheitsstufe wie bei Präsident Biden galt beispielsweise bei der Ukraine-Konferenz im Juni 2024, beim Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan im November 2023 oder dem des israelischen Premiers Benjamin Netanjahu im März desselben Jahres.
Daher kommt es nun voraussichtlich auch zu Unterbrechungen im S-Bahn-Verkehr auf Strecken, die in der Nähe des Kanzleramtes und dem Sitz des Bundespräsidenten vorbeiführen.
Bahnen und Busse betroffen
Schon für Donnerstagnachmittag kündigte die S-Bahn Ausfälle an. Der Verkehr auf einigen Strecken wird ausgedünnt, manche Züge müssen voraussichtlich zu bestimmten Zeiten in der Innenstadt langsamer fahren, das hängt von den Anweisungen der Polizei ab.
Auch bei den Regional- und Fernzügen gibt es Änderungen, weil Zugstrecken am Schloss Bellevue entlang verlaufen, wo Biden von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfangen wird. Betroffen sind voraussichtlich auch Busse und - wenn auch in geringerem Maße - U-Bahnen.
Genaue Informationen wollte die Polizei wegen der Gefährdungsstufe erst am Donnerstag – oder eventuell auch gar nicht - veröffentlichen.
S-Bahn im Notfall-Modus
Der Chef der Leitstelle Plus, Tobias Mertens, spricht von einer "absoluten Ausnahmesituation" [s-bahn.berlin] bei Staatsbesuchen. Zum Schutz vor Attentaten müssten in solchen Fällen immer wieder einzelne Streckenabschnitte gesperrt werden - welche, erfahre auch die S-Bahn selbst nur sehr kurzfristig. Daher werde zunächst auf einen Grundtakt umgestellt, "das heißt, dass auf allen Linien nur im 20-Minuten-Takt gefahren wird". Nicht zuletzt deshalb seien die Auswirkungen solcher Staatsbesuche dann oft in der ganzen Stadt zu spüren.
Bei hohen Staatsbesuchen werde die S-Bahn zudem kurzfristig immer wieder von der Bundespolizei aufgefordert "auf Sicht zu fahren" (Tempo so langsam, dass S-Bahn-Zugführer vor beispielsweise Hindernissen sicher anhalten kann – höchstens 40 Stundenkilometer) oder den Betrieb ganz einzustellen. Es sei eine große Herausforderung für das Unternehmen, so Mertens.
Die ausfallenden Fahrten stünden dann in den Fahrgastinformationen wie der App nicht mehr zur Verfügung. Daher informiere man grundsätzlich, dass es wegen eines Staatsbesuchs währenddessen kurzfristig zu Verspätungen und Ausfällen kommen könne.
Während des Berlin-Besuchs von US-Präsident Joe Biden am Donnerstag und Freitag kann es nach Angaben der Verkehrsinformationszentrale (VIZ) auf auf den Straßen zu "massiven Verkehrseinschränkungen" kommen. Besonders während der An- und Abreise von Biden sei mit Sperrungen und Staus zu rechnen - vor allem in Berlin-Mitte. Verkehrsteilnehmer sollten die genannten Bereiche meiden und möglichst weiträumig umfahren, hieß es von der Verkehrsinformationszentrale weiter.
Herbstferien-Beginn fällt mit Bidens Abflug zusammen
Am Freitagnachmittag soll der US-Präsident dann auf dem militärischen Teil des Flughafens BER wieder in seine Air Force One, eine Boeing 747, steigen.
An diesem Tag werden wegen des Ferienbeginns fast 100.000 Fluggäste am Hauptstadtflughafen erwartet. Inwiefern der Biden-Besuch die Situation am Flughafen selbst beeinflusst, ist derzeit noch unklar. Der normale Linienverkehr ist nicht vom Staatsbesuch betroffen.
Der Nahverkehr zum und vom Airport jedoch wird sicherlich zumindest temporär betroffen sein. BER-Flughafen Flughafen-Sprecherin Sabine Deckwerth empfiehlt Fluggästen, sich vor ihrem Abflug genau zu informieren, wie man am besten zum Flughafen kommt. Auch, weil es Baumaßnahmen auf den S-Bahnlinien S9 und S45 gebe.
Interessant: Als der damalige US-Präsident Barak Obama Berlin im November 2016 besuchte, gab es zwar weitreichende Sperrungen in der Stadt und auch der Luftraum war gesperrt. Doch im Nahverkehr gab es nur "einige Einschränkungen": Die U-Bahnlinie 55 zwischen dem Brandenburger Tor und dem Hauptbahnhof fuhr während des Besuchs nicht und bei der S-Bahn hielten die Nord-Süd-Linien nicht am Bahnhof Brandenburger Tor.
Sendung: Antenne Brandenburg, 17.10.2024, 15 Uhr