Erste Ampel am Potsdamer Platz - Berlin sieht Rot - seit 100 Jahren

Sa 14.12.24 | 16:15 Uhr
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Berlins erste Verkehrsampel, noch immer bestehend, am Potsdamer Platz, November 2024 (Quelle: rbb / Schneider)
Bild: rbb / Schneider

Seit genau 100 Jahren wird der Verkehr in Berlin durch Ampeln geregelt - den Anfang machte ein dunkelgrünes Türmchen am Potsdamer Platz. Sich daran zu gewöhnen, fiel den Menschen zunächst schwer. Ein Fußgänger starb gleich am ersten Tag.

Berlins erste Ampel feiert 100. Geburtstag: Am 15. Dezember 1924 wurde der kleine Turm am Potsdamer Platz eingeschaltet. Er war nicht nur die erste Verkehrsampel in Berlin, sondern auch in Deutschland.

Der Architekt Jean Krämer hatte den damals topmodernen Lichtturm entworfen, Siemens hatte ihn gebaut. Krämer war in den 20ern ein äußerst produktiver Architekt, er leitete zuvor das Atelier von Peter Behrens - den kennt man in Berlin zum Beispiel wegen der von ihm erdachten AEG-Hallen in Moabit und im Wedding , dem Berolinahaus am Alex sowie dem späteren Fernsehwerk in Oberschöneweide. Krämer sah sich als Mann der neuen Zeiten. Eine Gedenktafel am Ampelturm am Potsdamer Platz erinnert heute an ihn.

Verkehr am Potsdamer Platz am 31.12.1929 mitsamt der Verkehrsampel in der Mitte (Quelle: dpa / SZ Photo / Scherl).
Die Ampel im Jahr 1929 - damals war der Potsdamer Platz der verkehrsreichste Europas. Bild: SZ Photo/Scherl

Vorher Verkehrsregelung per Trompete

Die Idee, Verkehr mit einer Lichtsignalanlage zu regeln, kam nicht von Krämer. Die erste Ampel der Welt wurde am 10. Dezember 1868 auf dem Parliament Square in London aufgestellt und mit Gaslicht betrieben. Sie explodierte. Als erste elektrische Ampel gilt eine Anlage von 1914 in Cleveland, USA. Die ersten dreifarbigen Exemplare standen 1920 in New York und Detroit, die erste Europas blinkte in Paris.

Berlin zog nach und ließ den dunkelgrün lackierten Turm an einem Montag zum ersten Mal leuchten. Zunächst war er umstritten, weil viele Menschen es nicht einsahen, Anweisungen von einem Lichtsignal entgegenzunehmen. Doch die Ampel war überfällig: Vorher hatten bis zu zehn überforderte Schutzmänner gleichzeitig versucht, den Verkehr mit Trompeten, Trillerpfeifen und Händen zu regeln - was im Übrigen auch deutlich teurer war, als das grüne Türmchen.

Offensichtlich fiel es Verkehrsteilnehmern aber schwer, sich an die Neuerung zu gewöhnen: Gleich für den ersten Tag meldete das "Berliner Tageblatt" einen Unfall an Ort und Stelle: Durch "eigene Unvorsichtigkeit beim Überqueren des Potsdamer Platzes" sei der 60 Jahre alte Reichsbankrat Adolf Voigt aus Charlottenburg von einer Pferdedroschke angefahren und auf den Boden geschleudert worden. Voigt habe "kein Augenmerk auf den neuen Verkehrsturm gerichtet", hieß es in der Meldung. Er starb am nächsten Morgen.

Berlins erste Verkehrsampel, noch immer bestehend, am Potsdamer Platz, November 2024 (Quelle: rbb / Schneider).
Befehle per Lichtsignal? Soweit kommts noch! Anfangs hatten viele Berliner Autofahrer so gar keine Lust auf dieses Ding.Bild: rbb / Schneider

Zuerst gings nur mit Stoppuhr

"Das Wiederaufleben des durch den Krieg und die ersten Nachkriegsjahre gedrosselten Berliner Verkehrs", schrieb die "Vossische Zeitung" zur Eröffnung. Weil fünf Straßen auf den Platz mündeten, erhielt der stählerne Turm auch fünf Seiten. Auf jeder Seite leuchteten drei Lampen waagerecht nebeneinander. Im verglasten Signalturm saß ein Polizist, früher auch "Verkehrsschupo" genannt, der mit einer Stoppuhr die Zeit maß, Schalthebel umlegte und die Lampen zum Leuchten brachte. Unnützes Wissen: Der Erste hieß Friedrich Lange und war 39 Jahre alt. Er überarbeitete sich nicht, denn die neue Technik war nur für begrenzte Zeit in Betrieb: vormittags dreieinhalb Stunden und nachmittags drei Stunden lang.

Doch die Ampel entwickelte sich schnell zu einem Wahrzeichen des modernen Berlins der 1920er Jahre und war auf vielen Postkarten abgebildet. Der Potsdamer Platz galt als der verkehrsreichste Platz Europas mit 26 Straßenbahnlinien, fünf Buslinien und 20.000 Autos täglich. Die Berliner verloren allerdings schnell ihre Begeisterung für Ampeln, die bald an jeder größeren Kreuzung auftauchten. Die erste zentral gesteuerte Lichtsignalanlage bescherte 1926 ein großes Verkehrschaos, weil alle Ampeln gleichzeitig auf Grün wechselten.

Erscheint vor dir die Farbe rot, dann wirst du von Gefahr bedroht. / Musst warten, wenn's auch sehr pressiert, bis wieder frei die Fahrbahn wird. / Solange flammt das gelbe Licht, ist die Geschichte sauber nicht. / Doch wenn es leuchtet hoffnungsgrün, dann überschreit die Straße schön, / weil vorschriftsmäßig keiner dann dich überfahren darf und kann.

Gedicht aus den "Münchner Neuesten Nachrichten", 1927

Heute mehr als 2.100 Ampeln in Berlin

Sonderlich lange war die Ampel auf dem Potsdamer Platz nicht einmal in Betrieb: Schon 1937 wurde der originale Verkehrsturm abgebaut - mit dem Bau des unterirdischen S-Bahnhofs Potsdamer Platz. Nach dem Krieg gab es im "Dreiländereck" zwischen den Sektoren der Besatzungsmächte lange keinen Bedarf für eine neue Ampel. Mit dem Bau der Mauer wurde der Platz jahrzehntelang zur Brache. Verkehrstürme mit eingebauten Ampeln gerieten spätestens in den 1960ern aus der Mode. Seit dem Jahr 2000 aber steht eine Nachbildung als Denkmal und beliebtes Fotomotiv wieder am ursprünglichen Ort auf dem Potsdamer Platz.

Sie leuchtet immer noch, im Rhythmus ihrer Nachfolgerinnen. Inzwischen gibt es in Berlin mehr als 2.100 Ampeln. Zwei Wochen seines Lebens verbringt der westliche Mensch rein statistisch beim Warten an solchen Gerätschaften.

Sendung: rbb 88.8, 15.12.2024, 9 Uhr

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3 Kommentare

  1. 3.

    Ich bin für mehr Ampeln und längere Grünphasen für Fußgänger, statt völlig nutzlose Appelen zu gegenseitige Rücksichtnahme.

  2. 2.

    Ein sehr aufschlussreicher Kommentar. Vielleicht wäre noch wichtig zu erwähnen, dass sich sämtliche Verkehrsarten nicht zufällig am Potsdamer Platz kreuzten und somit auch stauten: Das Kaiserreich hielt sich jahrzehntelang außerstande, Durchlässe in den noch existierenden Stadtmauerabschnitten hineinzubrechen. Und dass die Konzentration in und aus Richtung Südwesten kam, lag schlichtweg am praller gefüllten Portemonaie derer aus Charlottenburg, Schöneberg und Steglitz.

    Ansonsten ist bezüglich Ampeln Nüchternheit eingekehrt: Es werden in Berlin völlig zu Recht mehr Ampeln abgebaut als neue in Betrieb genommen. Und das liegt an den ZUWEILEN kontraproduktiven Effekten, dass zu wenig geschaut wird, denn in der Tat kann keine technische Anlage das lösen, wozu Menschen nicht bereit sind.

  3. 1.

    "...weil viele Menschen es nicht einsahen, Anweisungen von einem Lichtsignal entgegenzunehmen. ... Die Berliner verloren allerdings schnell ihre Begeisterung für Ampeln...". Da soll mal einer sagen, die Berliner seien nicht traditiosbewusst.

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