Beispiel Ostprignitz-Ruppin - Warum es immer noch wenige Frauen in der Kommunalpolitik gibt

Do 12.01.23 | 18:32 Uhr | Von Björn Haase-Wendt
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– Lysann Gutenmorgen wollte nicht nur meckern und ging deshalb in die Kommunalpolitik. (Foto: Björn Haase-Wendt/rbb)
Audio: Antenne Brandenburg | 12.01.2023 | Björn Haase-Wendt | Bild: Björn Haase-Wendt/rbb

Frauen sind in Politik immer noch unterrepräsentiert. Das zeigt sich vor allem in Kommunalvertretungen. Die Gründe reichen von Beleidigungen bis hin zu Problemen, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Von Björn Haase-Wendt

  • Frauen sind in der Kommunalpolitik immer noch unterpräsentiert
  • Beispiel Kreistag Ostprignitz-Ruppin: Nur elf von 46 Verordneten sind Frauen
  • Landesregierung sieht Nachholbedarf bei Parität

Wer den Kreistag von Ostprignitz-Ruppin im Nordwesten Brandenburgs besucht, der sieht vor allem eines: Männer, denn Frauen sind auch hier deutlich unterrepräsentiert. Von den 46 Sitzen im Kreistag entfallen gerade einmal elf auf Frauen. Dabei könnten es mehr sein, findet Lysann Gutenmorgen, die für die CDU im Kreistag sitzt. "Der Mix, der sich bunt gestaltet, ist doch das erfolgreiche für die Politik", sagt sie.

Die Unternehmerin aus Flecken Zechlin, einem Ortsteil der Stadt Rheinsberg, ist seit 2019 gewählte Abgeordnete für den Kreistag von Ostprignitz-Ruppin. Zuvor war sie in der Rheinsberger Stadtverordnetenversammlung aktiv. Vor allem die Probleme in ihrem Ort hätten sie motiviert, in die Politik zu gehen, sagt Gutenmorgen. "Ich habe die unsanierte Turnhalle gesehen, die Schule und die alte Kita. Da habe ich mir gedacht: Du musst was machen und nicht nur meckern."

Verordnete berichtet von Anfeindungen auf Social Media

In ihrer Partei habe sie bisher keine Probleme gehabt, sagt Gutenmorgen. Aber in der politischen Diskussion und in den sozialen Netzwerken erfahre sie immer wieder Anfeindungen. "Du wirst angegriffen, weil du eine andere Sichtweise hast, und teils so aggressiv, dass ich sage, das war unter der Gürtellinie", erklärt die 40-Jährige. Solche Situationen sorgen bei der Unternehmerin und Kommunalpolitikerin für schlaflose Nächte, in denen sie sich um ihre Familie, ihr Unternehmen und ihre Mitarbeiter sorge. "Das macht einen nachdenklich, und ich hätte nicht gedacht, dass so etwas in der heutigen Zeit noch existieren kann."

Die Beleidigungen im digitalen Raum, der Sexismus und auch eine Männerkultur in den Parlamenten seien unter anderem Gründe, warum es so wenige Frauen in der Politik gibt, sagte die Brandenburger Gleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg auf einer Podiumsdiskussion zu Frauen in der Politik in Neuruppin. Den Frauen würde in der Politik noch oftmals Gegenwind in Form von sexistischen und abwertenden Äußerungen entgegenschlagen.

Auch Kreistagsvorsitzende kennt unschöne Briefe

Das Problem ist nicht neu. Auch Sigrid Nau, ein Politik-Urgestein in Ostprignitz-Ruppin, musste diese Erfahrung machen. Mit der Wende ging sie in die Politik und gründete in Neustadt (Dosse) den Ortsverband der CDU. "Als Politikerin habe ich viele anonyme unschöne Briefe bekommen. Damit muss man erstmal fertig werden", sagt sie rückblickend. Die heutige Kreistagsvorsitzende hatte sich zunächst nicht getraut, die Briefe jemanden zu zeigen, dann aber habe sie bei der Polizei Anzeige erstattet. "Auch wenn das nichts gebracht hat: Mir ging es dadurch besser", so Nau.

Probleme bei Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Ehrenamt

Neben den Anfeindungen ist aber auch die schwierige Vereinbarkeit von Familie, Beruf und politischem Ehrenamt auf lokaler Ebene ein Problem. Die Kreistags-, Stadtverordneten- und Ausschusssitzungen ziehen sich oftmals vom Nachmittag bis spät in die Nacht. Wer Kinder hat oder Angehörige pflegt, stößt schnell an Grenzen.

Das sieht auch Jenny Salzwedel so, die für die Linke in der Neuruppiner Stadtverordnetenversammlung sitzt. "Wäre ich alleinerziehend, könnte ich das politische Ehrenamt nicht ausführen oder zumindest nicht in dem Umfang", sagt die 27-jährige Neuruppinerin, die den Bau- und Wirtschaftsförderungsausschuss der Stadt leitet.

Damit es mehr Frauen in der Politik gibt, spricht sich die Neuruppinerin für eine Quotenregelung aus. Ihr habe das in der Partei als Newcomerin geholfen, um einen vorderen Listenplatz zu bekommen und es so ins Stadtparlament zu schaffen. Grundsätzlich wünscht sich Jenny Salzwedel in den Parteien mehr Offenheit für junge Frauen und Anerkennung für deren Themen. "Dass man auf Augenhöhe spricht und nicht gleich die Anforderungen so hochschraubt", wie Salzwedel sagt.

Brandenburg will Thema Gleichstellung weiter vorantreiben

Auch die Brandenburger Landesregierung sieht weiter Verbesserungsbedarf, wenn es um die Parität geht. Denn das Land war einst Vorreiter mit seinem Paritätsgesetz. Dieses wurde 2019 vom Landtag verabschiedet und sah vor, dass Parteien ihre Männer und Frauen wechselweise auf Parteilisten platzieren müssen. Allerdings kassierte 2020 das Verfassungsgericht das Gesetz wieder, nachdem mehrere Parteien geklagt hatten.

Brandenburg will den seit dem Jahreswechsel übernommenen Vorsitz der Gleichstellungs- und Frauenministerinnenkonferenz nun nutzen, um die Gleichstellung von Frauen voranzubringen. "Da geht es natürlich über die Politik hinaus. Also nicht nur um die gleichberechtigte Sitzverteilung. In allen gesellschaftlichen Bereichen müssen wir schauen, dass die sogenannte Genderperspektive, also die Perspektive der Frauenbelange auch wirklich vorkommt", sagt die Landesgleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg.

Verbesserungsvorschläge in der Pipeline

Und was muss sich auf kommunaler Ebene bessern, damit für Frauen der Schritt in die Politik gelingt? Manuela Dörnenburg und die Kommunalpolitikerinnen aus Ostprignitz-Ruppin sehen mehrere Ansätze: So könnten etwa hybride Sitzungsformate helfen, um lange Fahrtwege zu sparen; auch brauche es veränderte und familienfreundlichere Sitzungszeiten. Aber auch Mentoringprogramme über Parteigrenzen hinweg oder Quoten für kommunale Gremien und Ausschussbesetzungen könnten Frauen den Einstieg in die Politik erleichtern, so die Kommunalpolitikerinnen. Und die Frauen sollten mutig sein und sich Neues trauen, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Wiebke Papenbrock: "Wir müssen die Frauen motivieren, selbst Dinge verändern zu wollen. Sie sollten sich nicht entmutigen lassen und einfach machen."

Sendung: Antenne Brandenburg, 12.01.2023, 14:40 Uhr

Beitrag von Björn Haase-Wendt

17 Kommentare

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  1. 17.

    Immer wieder herrlich diese blasenbildung in der frauenwelt, als ob es unter Männern nur Liebe geben würde.
    Das Gegenteil ist der Fall wenn man das mal mitkriegen würde bei den Frauen würden sie glaube ich komplett sich von allen entsagen.
    Anders gesagt, Männer werden brutal diskriminiert ohne dass es irgendjemand interessiert, bei allen anderen wird sofort ein großer Aufschrei gemacht.

  2. 16.

    Frauen werden daran gehindert in die Politik zu gehen, weil sie es nicht schaffen Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Wenn sie noch nicht eimal das können, was haben sie dann in der Politik zu suchen. Und wenn sie das mal geschafft haben, kommt so was raus wie unsere Verteidigungsministerin. Frauen die was können kommen überall weiter. Auch in der Politik.

  3. 15.

    @Steffen
    Nicht sämtliche Parteien haben einen Männerüberschuss. In mehreren BVV in Berlin sitzen Abgeordnete der Tierschutzpartei, die auf 4,5% kam.Zirka 68 % ihrer Mitglieder sind Frauen. Das sollte nicht verschwiegen werden.

  4. 14.

    Vollkommen richtig!
    Es geht sozusagen um das generelle Gemoser der Gesellschaft
    aktuell bezüglich solcher Themen. Zugegebenermaßen war meine Wortwahl
    in diesem Zusammenhang eher ungünstig. Die Zuschreibung
    des "halben Hänchens" bleibt also schlagfertig und angebracht,
    wenn es mein Bestreben gewesen wäre, einen sexistischen Kommentar abzusetzen.

  5. 13.

    Wusste gar nicht,dass männliche Politiker nicht beleidigt werden. Aber ich lerne ja gerne dazu.

  6. 12.

    @Steffen
    "68% der Mitglieder sind Frauen ." (Partei Mensch, Umwelt, Tierschutz. )Sie ist in Berlin in einigen Bezirksverordnetenversammlungen vertreten.
    Von wegen "In ALLEN Parteien sind Männer in der Mehrheit. "

  7. 11.

    Abwertende Kommentare bekommen Männer genau so und da diese mangels Argumenten meistens auf Äußerlichkeiten bezogen werden, unterscheiden sie sich gegenüber Frauen und Männern zwar im Detail, sind aber im Grunde identisch unter die Gürtellinie. Das muss man strafrechtlich verfolgen, wo überhaupt strafbar oder leider aushalten. Frauen sind auch nicht immer gerade sehr sensibel und zurückhaltend, sie drücken es nur nicht derart plump aus. Und was ist denn eine "Männerkultur"? Die werden ja wohl kaum bei Abstimmungen ihr Ja oder Nein im Stehen in den Schnee pinkeln. Frauen wird auch nicht das Wort verboten, sie dürfen sich einbringen. Wenn sie gute und richtige Argumente haben, werden die Männer das teilen. Bezüglich der Vereinbarkeit von Mandat und Familie, müssen Frauen das in ihrer Partnerschaft selbst regeln. Da helfen weder Quoten, noch Gesetze.

  8. 10.

    Erstens haben wir in Deutschland eine parlamentarische Demokratie, in der Jeder Jeden parlamentarisch vertreten kann und soll, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Beruf oder sonstigem. Zweitens sind Frauen in sämtlichen Parteien unterrepräsentiert. Wer also rechtliche Quoten für Posten verlangt, die vom jeweiligen Frauen-Männer-Verhältnis der jeweiligen Partei abweichen, verstößt gegen das Grundgesetz. Frauen haben bereits heute eine größere Chance, in Parteien Karriere zu machen, da sie als Sympathieträgerinnen überdurchschnittlich stark zur Wahl aufgestellt werden. Da beschweren sich die Männer auch nicht. Wer leitende Aufgaben übernehmen will, muss auch damit klarkommen, dazu gehört auch teils heftiger Gegenwind. Die Grenze ist die Strafbarkeit, nicht das persönliche Empfinden. Beleidigungen und Bedrohungen gehen gar nicht, weder bei Männern, noch bei Frauen. Aber die ewige Opferrolle ist auch nicht zielführend. Engagement bedeutet für alle, privat zurückstecken zu müssen.

  9. 9.

    Qualifikation vor Geschlechterspezifik, ansonsten haben wir Parität vor Qualität. Das kann ja wohl kaum gewollt sein. Jegliche weitere Diskussion ist eigentlich überflüssig

  10. 8.

    Ich glaube auf keinen Fall das dies sexistisch gemeint war. Die Erklärung folgt ja gleich dahinter.
    Vielmehr zeigt dies etwas anderes: "in der Kommunalpolitik immer noch unterpräsentiert" behautet einfach folgendes:
    Das es so ist (ohne Nachweis) und warum dies schlimm sein sollte (Männer können Fraueninteressen vertreten und umgekehrt. Frauen trauen sich auch zu queere Interessen zu vertreten)
    Das Frauen benachteiligt sind... immer
    Das wir Quoten brauchen wird unterschwellig "eingeschoben"
    Das es noch andere Geschlechter gibt, die unterpräsentiert sind.
    Letztendlich bedeutet "gackern", dass es genug Feststeller in unserem Lande gibt.

  11. 7.

    ""Der Mix, der sich bunt gestaltet, ist doch das erfolgreiche für die Politik", sagt sie."

    Die bunt gestalteten Erfolgsmixe sieht man aktuell in Berlin. Der von Glück beselte Berliner singt, klatscht, tanzt und dankt täglich dem lieben Gott dafür. ;-)

  12. 6.

    "Oh bitte, Was haben die Hühner da wieder zu gackern?"
    "Die Beleidigungen im digitalen Raum, der Sexismus und auch eine Männerkultur ... Gegenwind in Form von sexistischen und abwertenden Äußerungen entgegenschlagen."
    Sind noch Fragen, halbes Hähnchen?

  13. 5.

    Oh bitte, Was haben die Hühner da wieder zu gackern?
    Ein Bekannter von mir ist der Meinung, dass es ins unserer Kommunalpolitik eigentlich relativ ausgeglichen zu sein scheint.
    Die Ausschüsse in den Gemeinderäten und Kreistagen werden in der Regel auch sowohl mit Frauen als auch mit Männern besetzt.

  14. 4.

    Ob Frau oder Mann, zuerst kommt die Einstellung „Ich will das machen“. Die Leidensfähigkeit bei Frauen ist groß. Bei taktischen rauhen persönlichen Anfeindungen bin ich mir nicht so sicher. Austeilen können aber alle Seiten...
    Die Vereinbarkeit mit dem Privatem ist dann am größten, wenn nur die Zielerreichung gilt, nicht die Anwesenheiten. Was macht denn nun Politik für „ihren Nachwuchs“? Habe ich was überlesen? Wenn eine Frau darin eine Berufung sieht, wird ein guter Mann sie unterstützen. Sonst passt es woanders auch nicht (Kopfsache).

  15. 3.

    Es sollte natürlich "die jungen Männer" heißen. Erwachsen waren und sind sie schließlich alle.

  16. 2.

    Wieso "unterrepräsentiert"? Parität als "erstrebenswertes" Ziel? Zu welchen Zweck? Bequeme ca. 8000€ im Monat?
    An sich kann der Autor ja diese Meinung haben.
    Aber weder handelt es sich um eine logische noch um eine rechtliche Gesetzmäßigkeit.
    Zum einen spielt das Geschlecht eines MENSCHEN für die meisten rechtlichen Bereiche keine Rolle.
    Oder inwiefern spielt das z.B. bei der Genehmigung von Bauvorhaben eine Rolle? Beim Lärmschutz? etc.
    Zum Anderen müsste es tatsächliche Nachteile Geben, die eine "Gleichstellung" erforderlich machen - Art 3 Abs. 2 S.2 GG:
    Link: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_3.html - wo sind diese? Angriffen sind doch viele Politiker ausgesetzt.
    Solche Allgemeinplätze rechtfertigen aus meiner Sicht keine Eingriffe - "harte" Zahlen, Fakten, Statistiken?

  17. 1.

    Männer scheinen sich immer da zusammenzuballen, wo es geht, gerade Linien durch Landschaften zu ziehen, fast gleich zu welchem Zweck; wenn es darum geht, Zahlenkolonnen aufzuaddieren, auch wenn der Beweggrund völlig nebensächlich, gar unsinnig ist. Frauen scheinen in der Tat dem Leben in seiner immer auch Ungeplantheit näher zu sein: kein Sprößling, der nach Plan Zentimeter für Zentimeter wächst, ausrechenbar in einer Formel weit mehr in Sprüngen.

    Selbst bei der NABU-Jugend scheint das so zu sein, wie ich auf einem Jubiläum mitbekam: Die jungen Erwachsenen beschäftigen sich mit Verkehrs- u. Raumordnungspolitik, die jungen Frauen mit der KONKRETEN Renaturierung von Gewässern.

    Also alles naturbedingt?
    Nicht ganz. Vieles, was unabänderlich erscheint, ist ein Ergebnis hartnäckiger Vorstellungen. Mutter Courage, Regine Hildebrandt, hatte ihr Ministerium nach klass. Auffassung fast gar nicht im Griff, als Sozialpolitikerin war sie hochgeachtet und blieb dies bis zum heutigen Tag.

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