Landwirtschaft im Klimawandel - Brandenburger Betrieb versucht sich an Reis-Anbau im Karpfenteich
In ehemaligen Karpfen-Teichen im brandenburgischen Linum wird künftig Reis angebaut. Ein Agrarbetrieb hat dort Zehntausende Setzlinge gepflanzt und spricht vom "nördlichsten Reisanbau-Versuch der Welt". Kann das Reis-Experiment gelingen? Von Jonas Wintermantel
Rund 60 Kilometer nördlich von Berlin liegt Linum und das daran angrenzende Feuchtgebiet – der Linumer Bruch. Gleich daneben befindet sich ein Teichland aus mehreren künstlich angelegten Teichen, in denen einmal Karpfen gezüchtet wurden. Die Karpfen sind nicht mehr – nun wird hier Reis angebaut. Ein Agrar-Unternehmen hat das Experiment vor kurzem gestartet und auf einer Fläche von knapp einem Hektar Tausende Setzlinge gepflanzt.
Reisanbau kennt man eigentlich eher aus Ländern wie China, Indien oder Vietnam. Und das nicht ohne Grund: Die Reispflanze wächst nämlich am besten in feuchten, tropischen und subtropischen Klimazonen mit Temperaturen zwischen 20 und 35 Grad Celsius. Reis aus Brandenburg wäre etwas komplett Neues. Immerhin gehört Brandenburg zu den trockensten Regionen des Landes.
Der Klimawandel macht es möglich - womöglich
In Linum ist man trotzdem überzeugt, genau die richtigen Bedingungen für den Anbau zu haben. "Wir haben das Teichland zur Verfügung, wir haben den Wasserstand zur Verfügung. Und die klimatischen Bedingungen verändern sich auch in eine Richtung, die den Anbau hier möglich machen", sagt Wiebke Fuchs, die in Linum am Projekt mitarbeitet.
Es ist bereits Versuch Nummer zwei. Schon vor drei Jahren hat das Unternehmen hier mit einem ersten Anbau-Versuch begonnen und ist im ersten Anlauf gescheitert. "Das lag in erster Linie an uns", sagt Guido Leutenegger, Gründer und Inhaber von Natur Konkret, der Betreiberfirma des Reis-Projektes. "Wir haben den Reis damals schlichtweg unter Wasser gesetzt anstatt ins Wasser. Außerdem hatten wir uns nur auf die Ansaat konzentriert. Jetzt haben wir eine Kombination aus Ansaat und Setzlingen." Damit soll es nun klappen.
Im Oktober sollen in Linum bis zu zehn Tonnen Reis geerntet werden – wenn das Wetter mitspielt: "Wenn es ein ausgesprochen kühler Sommer wird, dann kann es nicht funktionieren. Aber wenn es ein durchschnittlicher Sommer werden sollte, dann bin ich sehr hoffnungsvoll", sagt Leutenegger. Wenn alles klappt, könnten dann die ersten Hofläden und die regionale Gastronomie mit Brandenburger Reis beliefert werden.
Reisanbau trotz Wassermangel?
Der Reis-Anbau verbraucht große Mengen Wasser, entweder durch Bewässerungssysteme oder durch natürlichen Niederschlag. Für die Produktion von einem Kilo Reis werden zwischen 2.000 und 5.000 Liter Wasser benötigt. Inwiefern kann sich der Reis-Anbau im trockenen Brandenburg also überhaupt lohnen?
"Der Reis ist grundsätzlich keine Kultur, die für Brandenburg gut geeignet ist", sagt Ralf Bloch. Bloch ist Agrarökonom an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung in Eberswalde. Dort forscht er unter anderem an der Entwicklung von Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel im Acker- und Pflanzenbau. Der Reis-Anbau in Linum ist für ihn ein interessantes Experiment – eine Ausdehnung auf größere Flächen sei jedoch unrealistisch.
Reisanbau bleibt wohl eher eine Nische
"Wir brauchen Wasser, um beispielsweise Moore in Brandenburg wiederzuvernässen, das ist ein gesamtgesellschaftliches Thema angesichts des Klimaschutzes und der Anpassung an den Klimawandel", so Ralf Bloch. "Deswegen wäre es doch eher ratsam, auf Kulturen zu setzen, die einen geringeren Wasserbedarf haben als der Reis. Der kann aber vielleicht trotzdem auf speziellen Standorten wie den Karpfen-Teichen wachsen."
Für Bloch besonders interessant: sogenannte Futter-Leguminosen, die viel Eiweiß für die menschliche und tierische Ernährung liefern – zum Beispiel: die Kichererbse. Die werde in Brandenburg schon in einigen Betrieben angebaut. "Am Ende geht es auch darum, gezielt Wertschöpfungsketten aufzubauen", so Bloch. "Gerade bei der Kichererbse bin ich da optimistisch, weil sie schon etabliert ist in der Ernährung – denken wir nur an Hummus oder Falafel."
Vermutlich bleibt der Reis-Anbau in Brandenburg damit also ein interessantes Experiment. Über Erfolg oder Misserfolg wird im Herbst entschieden sein. Bis dahin ist Linum aber in jedem Fall eine Attraktion reicher: den vermutlich "nördlichsten Reisanbauversuch der Welt".
Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 19.05.2023, 19:30