Landesamt für Einwanderung - Wenn das Warten auf einen Amtstermin zum Jobverlust führt

Do 26.10.23 | 19:43 Uhr | Von Vanessa Materla und Simon Wenzel
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Schriftzug am Gebäude des Landesamts für Einwanderung in Berlin (Quelle: dpa/Janine Schmitz)
Video: rbb24 Abendschau | 26.10.2023 | Bild: dpa/Janine Schmitz

Das Landesamt für Einwanderung bleibt ein Berliner Problemfall. Die Wartezeit für Termine ist lang, das kann die Antragstellerinnen in große Probleme bringen. Das zeigt exemplarisch der Fall einer Frau aus Libyen. Von Vanessa Materla und Simon Wenzel

Marwa Barka erlebt einen Albtraum. Der 26-jährigen droht die Kündigung ihres Jobs und sie kann nichts dagegen tun. Denn Barka wartet seit Monaten vergeblich auf einen Amtstermin, um ihren Aufenthaltstitel zu verlängern. Vergeblich. Jetzt ist er abgelaufen und der Arbeitgeber muss handeln.

Barka kam 2015 als Geflüchtete aus Libyen nach Berlin, vor zwei Jahren begann sie als Pflegeassistentin in Festanstellung bei einem mobilen Pflegedienst in Berlin zu arbeiten. Den Namen des Unternehmens will sie nicht sagen, um ihren Vorgesetzten keine Probleme zu machen. "Ich helfe gerne Leuten", sagt Barka über ihren Job. Trotzdem bekam Marwa Barka vor kurzem einen Anruf von ihren Vorgesetzten: Sie müsse leider bald gekündigt werden, hieß es.

Es tue ihnen leid, aber das Unternehem dürfe sie ohne gültigen Aufenthaltstitel nicht weiter beschäftigen, ohne sich strafbar zu machen. Sie droht zu verlieren, was sie sich mühsam in Berlin aufgebaut hat. "Wenn ich diesen Job verliere, würde es mir sehr schlecht gehen. Ich müsste dann wieder neu suchen und könnte vielleicht auch meine Miete nicht mehr bezahlen", sagt Barka.

Wartezeiten von bis zu sechs Monaten, Eilanträge erfolglos

Das Problem: Sie weiß nicht, was sie hätte anders machen sollen. Seit Monaten versuche sie, einen Termin im Landesamt für Einwanderung (LEA) zu bekommen, um ihren Aufenthaltstitel zu verlängern. Ohne Erfolg. "Ich habe es online versucht, habe viele Mails geschrieben, ich habe auch angerufen und mir den Wecker auf fünf Uhr morgens gestellt, um nach Terminen zu schauen, aber es gab einfach keine", sagt Barka. Sogar persönlich habe sie es vor Ort bei der Ausländerbehörde versucht, "aber die lassen keine Leute ohne Termin rein".

Wie schwierig es ist, einen Termin beim LEA zu bekommen, darüber hatte rbb24 bereits im Juli berichtet. Damals räumte das Amt ein, einen riesigen Rückstau abarbeiten zu müssen, von über 10.000 unbeantworteten Mails. Ein Sprecher des LEA teilte rbb|24 am Donnerstag auf Anfrage mit, derzeit gebe es Wartezeiten von "bis zu sechs Monaten" auf einen Termin. Allerdings würden eilbedürftige Fälle "bevorzugt und auch zeitnah" bedient, schreibt der Amtssprecher. Dafür gebe es eine eigene Rubrik in den Kontaktformularen.

Das hat Marwa Barka natürlich auch versucht. Ohne Erfolg. Martina Maurer vom Flüchtlingsrat sagt, die Geschichte von Barka sei aus ihrer Sicht kein Einzelfall, im Gegenteil, sie gehe davon aus, dass es hunderte in ähnliche Situationen gebe. "Bei uns melden sich täglich verzweifelte Menschen, die seit Monaten versuchen, das LEA zu erreichen und daran scheitern", sagt Maurer. Auch davon, dass das Eilantragsformular erfolglos bleibt, hat sie bereits mehrfach gehört. "Auch diese Leute kriegen meistens wochenlang keine Antwort", so Maurer.

Wenn es dann, wie bei Barka, zu einer Kündigung komme, sei das nicht nur für die Betroffenen eine Katastrophe, "sondern auch für unsere Gesellschaft", so Maurer, "denn es gehen Arbeitskräfte verloren, nur weil die zuständige Behörde nicht erreichbar ist."

Berichte über Geschäft mit Terminen

Aus der Terminnot von Menschen wie Marwa Barka machen andere inzwischen ein Geschäft: Die "taz" [taz.de] und der "Tagesspiegel" [tagesspiegel.de] berichteten in dieser Woche darüber, dass Termine beim LEA von Drittanbietern zu Preisen von 50 oder 100 Euro im Internet angeboten werden. Martina Maurer vom Flüchtlingsrat sagte dem rbb, dass sie sich das gut vorstellen könnte. "Die Menschen sind verzweifelt", sagt Maurer, für einige sei es dann vielleicht die bessere Option, für den Termin zu zahlen, als seinen Job zu verlieren.

Das LEA teilt dazu mit, die Problematik sei bekannt, es gebe allerdings keine technische Handhabe, diese Angebote von Drittanbietern gänzlich auszuschließen. Das IT-Dienstleistungszentrum arbeite daran, Terminbuchungen mit Bot-Unterstützung zu verhindern. In Bezug auf die grundsätzliche Problematik des Terminstaus teilte der Sprecher mit, der Berliner Senat plane, die Behörde im nächsten Doppelhaushalt (2024/25) zu verstärken.

Der Berliner Staatssekretär für Inneres, Christian Hochgrebe (SPD), sagte dem rbb, es sei damit eine Aufstockung des Personals und unter anderem Maßnahmen zur weiteren Digitalisierung geplant - auch zur Digitalisierung der Antragsstellung. Er gehe davon aus, dass sich die Zahl der Vorsprachen in absehbarer Zeit nicht ändern werde.

"Das Problem besteht seit zwei Jahren und es verbessert sich nicht"

Die Zahl der "Kunden" des LEA habe sich in den letzten zwei Jahren um 80 Prozent erhöht, sagt Hochgrebe. Am Ende des Jahres werden es 400.000 Menschen sein, die das LEA "bedient" habe, wie Hochgrebe sagt.

Martina Maurer vom Flüchtlingsrat sieht zwar auch die Herausforderungen, mit denen die Behörde insbesondere seit Beginn des Krieges in der Ukraine konfrontiert sei. Dennoch kritisiert sie die Behörde deutlich: "Das Problem besteht seit zwei Jahren und es verbessert sich nicht", sagt sie. "Ich denke, es gibt auch eine falsche Prioritätensetzung. Der Bereich Rückführungen funktioniert sehr gut, während der Bereich Aufenthaltserteilung nicht funktioniert. Wenn bei einem Amt, das sich Einwanderungsamt nennt, nur die Rückführungen funktionieren, läuft was schief", sagt Maurer.

Sie fordert umfassende Verbesserungen: Es brauche mehr Personal, eine bessere Erreichbarkeit und ein niedrigschwelligeres Buchungsportal. In Fällen wie dem von Marwa Barka, wo es um die Verlängerung einer bereits erteilten Aufenthaltsgenehmigung geht, sieht Maurer aber einen noch viel naheliegenderen Lösungsansatz: "Diese Termine sollten von Amtswegen mitgeteilt werden. Das Amt weiß sowieso, wann die Genehmigung ausläuft, da könnte es auch einen automatisierten Vorgang zur Terminvergabe geben", sagt Maurer.

Provisorische Lösung des LEA: Wer einen Termin gebucht hat, hat eine Bescheinigung

Vorerst hat sich das LEA allerdings eine andere provisorische Lösung überlegt: Auf seiner Homepage teilt das Amt mit, wer vor dem Ablauf seines Aufenthaltstitels einen Termin bucht, könne diesen bis zum Termin als fortbestehend betrachten - arbeiten oder studieren sei also weiter möglich. Als Nachweis gelte die Buchungsbestätigung, die beim Arbeitgeber vorgelegt werden könnte. "In dem Moment, wo Sie einen Termin bekommen und beantragt haben, bekommen Sie eine automatische Mail-Beantwortung, die als Bescheinigung dient und eine so genannte Fiktionsbescheinigungen darstellt", sagt Staatssekretär Hochgrebe.

Der Antrag auf einen Termin - beispielsweise per Mail - reicht dabei wohlgemerkt nicht. In der Praxis stellt sich diese Lösung deshalb schwierig dar. Denn für die Fiktionsbescheinigung bräuchte es ja erstmal einen Termin. Und den zu bekommen, ist ja genau die Hürde, an der Marwa Barka und so viele andere monatelang scheitern.

 

Sendung: rbb24 Abendschau, 26.10.2023, 19.30 Uhr

Beitrag von Vanessa Materla und Simon Wenzel

32 Kommentare

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  1. 32.

    Der Bericht ist sehr einseitig dargestellt. In der Regel erhalten Aufenhaltsgestattete und Geduldete innerhalb von wenigen Wochen einen Termin. Wenn mein Ausweis abläuft, kümmere ich mich auch selbstständig um einen neuen. Und die "Verlängerung" durch Termin ist schon länger üblich. Einfach nicht bei Ablauf melden, sondern 6 Wochen vorher online melden. Den Mitarbeitern hier Versagen vorzuwerfen, ist ziemlich billig. Eher liegt es an der enormen Aufgabe, die jeden Tag größer wird.

  2. 30.

    das DLZ ist seit 2 Jahren nicht in der Lage BOT's auszuschliessen? Achso. Vielleicht mal jemanden fragen, der sich damit auskennt?
    Das der kostenpflichtige Terminhandel überhaupt möglich ist, stellt schon diverse Fragen.
    Wer einen Titel hat, weiß das Amt. Wie lange der gültig ist auch.
    Warum wird da nicht automatisch via Mail/SMS/whatever eingeladen - Wenn Du Verlängerung haben willst, komm mit ID xxxx und meld Dich an.
    Fertig.
    Im Übrigen, wer seinen Status nicht verlängert bekommt, kann auch ruckzuck dauerhaft ausgewiesen werden.

  3. 29.

    Die Leute, die die Grenzen illegal übertreten wie auch die, die eingeflogen werden sind keine Fachkräfte und über diesen Weg werden auch niemals Fachkräfte zu uns kommen.

    Die ca 700000 offene Stellen gegenüber 2000000 nicht beschäftigten Personen zwingt das Märchen des Fachkräftemangels endlich aufzugeben. Die, die heute nach Fachkräften schreien, haben gestern versäumt diese auszubilden.

    Da in nächster Zeit die Zahl der Insolvenzen und Industrieabwanderung nicht rückläufig sein wird, steigt die Zahl der Nichtbeschäftigten immer weiter.

    Wer soll das alles bezahlen ?

    Danke

  4. 28.

    Ihren Aussagen stimme ich zu!
    Hier muss sofort gehandelt werden, der Bürgermeister muss das umgehend zur Chefsache machen!
    In einem Zeitfenster bis zu 8Wochen müssen Anfragen, Dokumente, Bescheide nachweislich beu Betroffenen sein!

  5. 27.

    Da der allgemeine Fachkräftemangel bekannt ist sollte die Erteilung bzw. Verlängerung von Arbeitserlaubnissen höchste Priorität haben. Wir brauchen auch dringend eine Entbürokratisierung, damit der Verwaltungsaufwand geringer wird, der den Staat offensichtlich selbst überfordert.

  6. 26.

    Erst einmal, nicht "die" Person wird gekündigt, sondern "der" Person wird (die Stelle) gekündigt; ein Mensch ist keine Sache! Vgl. "Sie müsse leider bald gekündigt werden".

    Da hilft wohl eine anwaltliche Vertretung zwecks Klage, denn die Abhängigen haben die personelle Unterbesetzung nicht zu verantworten. Day System ist vielmehr in der Pflicht und hat ggf. Schadenersetz zu leisten, vgl. Kita-Anspruch u. Tagesmütter.

  7. 25.

    Es reicht VÖLLIG, einen Termin bestätigt zu bekommen, wann der dann schlussendlich ist, spielt keine Rolle. Die Bestätigung gilt als temporäre Verlängerung des Aufenthaltstitels! Problem auch schon zweimal bei meinem Freund gehabt!

  8. 24.

    Es ist einfach ungeheuerlich, Menschen die sich bei uns integriert haben, so zu behandeln. Sind wir denn nur noch von unfähigen Führungskräften umgeben??? (DIE Mitarbeiter geben bestimmt ihr Bestes) Letztendlich schieben wir noch die " Falschen" ab und behalten die, die unsere Steuergelder " fressen ".

  9. 23.

    Der Bereich Rückführungen funktioniert sehr gut? Dazu wäre ein Bericht interessant. Wie viele Personen sind es denn?

    Die Probleme sind aber tatsächlich hausgemacht. Wenn jeder hier bleiben kann, obwohl er nicht berechtigt ist, braucht man sich nicht wundern, wenn alle anderen darunter leiden, weil die Masse an Menschen nicht abgearbeitet werden kann.

  10. 22.

    Als Ur-Berliner (Jahrgang 1960) kann man sich für diese Stadt nur noch in Grund und Boden schämen. Für jedes Gedöns ist Zeit und Personal da (Genderkram, Straßenumbenennungen, Sperrung der Friedrichstraße usw.). Aber für geflüchtete Menschen, die hier auf eigenen Füßen stehen, einer wichtigen Arbeit nachgehen und eine eigene Wohnung haben, bleibt nur ein Schlag ins Gesicht übrig. Das macht einen nur noch fassungslos.

  11. 21.

    Als nach Berlin zugezogener mit unbefristetem (!)Niederlassungserlaubnis muss man auch Initial zum Landesamt und darf nicht in die Bürgerbüros, damit die Karte (nicht der Titel selbst) erneuert wird.

    Verreisen ist mit einer abgelaufenen Karte theoretisch kein Problem, kann praktisch aber zu Problemen führen.

    Wenn ich aber so etwas lese, dann weiß ich gar nicht, ob ich solchen Menschen einen Termin "wegnehmen" sollte. Ich drücke allen den Daumen. Versuche es selbst seit 4 Monaten.

  12. 20.

    Wieso gibt es eine Einwanderungbehörde, wo wir nicht einmal ein Einwanderungsgesetz haben, mit dem gezielt die nötigen Fachkräfte angezogen werden? Oder was ist der Sinn dahinter?

  13. 19.

    Die Behörden wurden vom vergangenen Senat über Jahre kaputt gespart. Um grüne Sozial-Fantasien zu finazieren. Das sollte mal ganz deutlich gesagt werden. Der steuernzahlende Bürger, der die Behörden nutzt und braucht, kommt immer zu letzt.

  14. 18.

    Das Problem liegt im Personalschlüssel.
    Während im Landeseinwohneramt offensichtlich die Mitarbeiter sich mit Kinkerlitzchen befassen und die Bürger mit Spambriefen fluten. Gibt's keine Termine in vielen Bürgerämtern, Standesamt etc. Sperren im Register werden nicht beachtet und ratsuchende Bürger an andere Bürgeramter verwiesen, obwohl das LEA zuständig ist

  15. 17.

    Ich habe ein paar Fragen
    1. Was ist ein Landesamt für Einwnderung? Haben wir denn ein Einwanderungsgesetz?
    2. Ist jeder abgelehnte Asylbewerber dann automatisch Einwanderer?

  16. 16.

    Was ist wichtiger: der Aufenthaltstitel für Arbeitnehmer oder der für Menschen? Welche Prioritäten willst du da setzen? Ohne Titel kein Geld, egal ob vom Amt oder vom Arbeitgeber (da Kündigung). Ich habe sogar schon Mietverträge gesehen, die begrenzt sind bis Ablauf des Titels....
    Über deine Prioritäten bin ich sehr gespannt ;)

  17. 15.

    Die Politik und die verflochten verselbständigte Verwaltung dient schon lange nicht mehr dem Volk. Zu immer wieder aufgedeckt Missständen gibt es nur halbherzige Änderungsbekundigungen, die nicht selten in noch schlechteren Verhältnissen münden. Verantwortlich sind allein die Politiker/innen, die für die Verwaltung und deren Strukturen zuständig sind.
    Gewählt vom Volk! Somit bekommt das Volk nur, was es haben will, bzw. verdient!
    Problemlösungen und Zukunftsprientierung sehen anders aus.

  18. 14.

    Komischerweise geht es sehr schnell mit den Terminen, wenn man sich bei seinem Antrag von einer Agentur helfen lässt, was um die 700 Euro kostet. Wir haben das als Arbeitgeber für zwei Mitarbeiter bezahlt. Das kann natürlich nicht die Lösung sein. War es aber in unserem Fall, nachdem wir auch monatelang vergeblich versucht hatten einen Termin zu bekommen und das Formular einfach immer mitteilt: „es gibt derzeit keinen Termin, versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt wieder.“ Unmöglich!

  19. 13.

    Und wer ist für dieses Amt zuständig?
    Es ist die Politik, die das Handeln unterlässt! Die sollten mal das Gehirn einschalten, um Lösungen zu finden und nicht für ihr Geld nur die Schultern zucken lassen. Eine Unverschämtheit dieser gewissenlosen Politiker.

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