Landesamt für Einwanderung - Wenn das Warten auf einen Amtstermin zum Jobverlust führt
Das Landesamt für Einwanderung bleibt ein Berliner Problemfall. Die Wartezeit für Termine ist lang, das kann die Antragstellerinnen in große Probleme bringen. Das zeigt exemplarisch der Fall einer Frau aus Libyen. Von Vanessa Materla und Simon Wenzel
Marwa Barka erlebt einen Albtraum. Der 26-jährigen droht die Kündigung ihres Jobs und sie kann nichts dagegen tun. Denn Barka wartet seit Monaten vergeblich auf einen Amtstermin, um ihren Aufenthaltstitel zu verlängern. Vergeblich. Jetzt ist er abgelaufen und der Arbeitgeber muss handeln.
Barka kam 2015 als Geflüchtete aus Libyen nach Berlin, vor zwei Jahren begann sie als Pflegeassistentin in Festanstellung bei einem mobilen Pflegedienst in Berlin zu arbeiten. Den Namen des Unternehmens will sie nicht sagen, um ihren Vorgesetzten keine Probleme zu machen. "Ich helfe gerne Leuten", sagt Barka über ihren Job. Trotzdem bekam Marwa Barka vor kurzem einen Anruf von ihren Vorgesetzten: Sie müsse leider bald gekündigt werden, hieß es.
Es tue ihnen leid, aber das Unternehem dürfe sie ohne gültigen Aufenthaltstitel nicht weiter beschäftigen, ohne sich strafbar zu machen. Sie droht zu verlieren, was sie sich mühsam in Berlin aufgebaut hat. "Wenn ich diesen Job verliere, würde es mir sehr schlecht gehen. Ich müsste dann wieder neu suchen und könnte vielleicht auch meine Miete nicht mehr bezahlen", sagt Barka.
Wartezeiten von bis zu sechs Monaten, Eilanträge erfolglos
Das Problem: Sie weiß nicht, was sie hätte anders machen sollen. Seit Monaten versuche sie, einen Termin im Landesamt für Einwanderung (LEA) zu bekommen, um ihren Aufenthaltstitel zu verlängern. Ohne Erfolg. "Ich habe es online versucht, habe viele Mails geschrieben, ich habe auch angerufen und mir den Wecker auf fünf Uhr morgens gestellt, um nach Terminen zu schauen, aber es gab einfach keine", sagt Barka. Sogar persönlich habe sie es vor Ort bei der Ausländerbehörde versucht, "aber die lassen keine Leute ohne Termin rein".
Wie schwierig es ist, einen Termin beim LEA zu bekommen, darüber hatte rbb24 bereits im Juli berichtet. Damals räumte das Amt ein, einen riesigen Rückstau abarbeiten zu müssen, von über 10.000 unbeantworteten Mails. Ein Sprecher des LEA teilte rbb|24 am Donnerstag auf Anfrage mit, derzeit gebe es Wartezeiten von "bis zu sechs Monaten" auf einen Termin. Allerdings würden eilbedürftige Fälle "bevorzugt und auch zeitnah" bedient, schreibt der Amtssprecher. Dafür gebe es eine eigene Rubrik in den Kontaktformularen.
Das hat Marwa Barka natürlich auch versucht. Ohne Erfolg. Martina Maurer vom Flüchtlingsrat sagt, die Geschichte von Barka sei aus ihrer Sicht kein Einzelfall, im Gegenteil, sie gehe davon aus, dass es hunderte in ähnliche Situationen gebe. "Bei uns melden sich täglich verzweifelte Menschen, die seit Monaten versuchen, das LEA zu erreichen und daran scheitern", sagt Maurer. Auch davon, dass das Eilantragsformular erfolglos bleibt, hat sie bereits mehrfach gehört. "Auch diese Leute kriegen meistens wochenlang keine Antwort", so Maurer.
Wenn es dann, wie bei Barka, zu einer Kündigung komme, sei das nicht nur für die Betroffenen eine Katastrophe, "sondern auch für unsere Gesellschaft", so Maurer, "denn es gehen Arbeitskräfte verloren, nur weil die zuständige Behörde nicht erreichbar ist."
Berichte über Geschäft mit Terminen
Aus der Terminnot von Menschen wie Marwa Barka machen andere inzwischen ein Geschäft: Die "taz" [taz.de] und der "Tagesspiegel" [tagesspiegel.de] berichteten in dieser Woche darüber, dass Termine beim LEA von Drittanbietern zu Preisen von 50 oder 100 Euro im Internet angeboten werden. Martina Maurer vom Flüchtlingsrat sagte dem rbb, dass sie sich das gut vorstellen könnte. "Die Menschen sind verzweifelt", sagt Maurer, für einige sei es dann vielleicht die bessere Option, für den Termin zu zahlen, als seinen Job zu verlieren.
Das LEA teilt dazu mit, die Problematik sei bekannt, es gebe allerdings keine technische Handhabe, diese Angebote von Drittanbietern gänzlich auszuschließen. Das IT-Dienstleistungszentrum arbeite daran, Terminbuchungen mit Bot-Unterstützung zu verhindern. In Bezug auf die grundsätzliche Problematik des Terminstaus teilte der Sprecher mit, der Berliner Senat plane, die Behörde im nächsten Doppelhaushalt (2024/25) zu verstärken.
Der Berliner Staatssekretär für Inneres, Christian Hochgrebe (SPD), sagte dem rbb, es sei damit eine Aufstockung des Personals und unter anderem Maßnahmen zur weiteren Digitalisierung geplant - auch zur Digitalisierung der Antragsstellung. Er gehe davon aus, dass sich die Zahl der Vorsprachen in absehbarer Zeit nicht ändern werde.
"Das Problem besteht seit zwei Jahren und es verbessert sich nicht"
Die Zahl der "Kunden" des LEA habe sich in den letzten zwei Jahren um 80 Prozent erhöht, sagt Hochgrebe. Am Ende des Jahres werden es 400.000 Menschen sein, die das LEA "bedient" habe, wie Hochgrebe sagt.
Martina Maurer vom Flüchtlingsrat sieht zwar auch die Herausforderungen, mit denen die Behörde insbesondere seit Beginn des Krieges in der Ukraine konfrontiert sei. Dennoch kritisiert sie die Behörde deutlich: "Das Problem besteht seit zwei Jahren und es verbessert sich nicht", sagt sie. "Ich denke, es gibt auch eine falsche Prioritätensetzung. Der Bereich Rückführungen funktioniert sehr gut, während der Bereich Aufenthaltserteilung nicht funktioniert. Wenn bei einem Amt, das sich Einwanderungsamt nennt, nur die Rückführungen funktionieren, läuft was schief", sagt Maurer.
Sie fordert umfassende Verbesserungen: Es brauche mehr Personal, eine bessere Erreichbarkeit und ein niedrigschwelligeres Buchungsportal. In Fällen wie dem von Marwa Barka, wo es um die Verlängerung einer bereits erteilten Aufenthaltsgenehmigung geht, sieht Maurer aber einen noch viel naheliegenderen Lösungsansatz: "Diese Termine sollten von Amtswegen mitgeteilt werden. Das Amt weiß sowieso, wann die Genehmigung ausläuft, da könnte es auch einen automatisierten Vorgang zur Terminvergabe geben", sagt Maurer.
Provisorische Lösung des LEA: Wer einen Termin gebucht hat, hat eine Bescheinigung
Vorerst hat sich das LEA allerdings eine andere provisorische Lösung überlegt: Auf seiner Homepage teilt das Amt mit, wer vor dem Ablauf seines Aufenthaltstitels einen Termin bucht, könne diesen bis zum Termin als fortbestehend betrachten - arbeiten oder studieren sei also weiter möglich. Als Nachweis gelte die Buchungsbestätigung, die beim Arbeitgeber vorgelegt werden könnte. "In dem Moment, wo Sie einen Termin bekommen und beantragt haben, bekommen Sie eine automatische Mail-Beantwortung, die als Bescheinigung dient und eine so genannte Fiktionsbescheinigungen darstellt", sagt Staatssekretär Hochgrebe.
Der Antrag auf einen Termin - beispielsweise per Mail - reicht dabei wohlgemerkt nicht. In der Praxis stellt sich diese Lösung deshalb schwierig dar. Denn für die Fiktionsbescheinigung bräuchte es ja erstmal einen Termin. Und den zu bekommen, ist ja genau die Hürde, an der Marwa Barka und so viele andere monatelang scheitern.
Sendung: rbb24 Abendschau, 26.10.2023, 19.30 Uhr