BSW-Gründungsparteitag - Wagenknecht im Scheinwerferlicht ihrer Partei

Sa 27.01.24 | 20:38 Uhr | Von Boris Hermel
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27.01.2024, Berlin: Sahra Wagenknecht, Parteivorsitzende, winkt beim Gründungsparteitag der neuen Wagenknecht-Partei.(Quelle:dpa/K.Nietfeld)
Video: rbb24 Abendschau | 27.01.2024 | Sebastian Schöbel | Bild: dpa/K.Nietfeld

Die neue Partei Bündnis Sahra Wagenknecht hat ihren ersten Parteitag absolviert. Im Vorstand sitzt etwa die Berlinerin Friederike Benda als Vize-Parteichefin. Auch ein Brandenburger ist Teil der am Samstag gewählten Parteispitze. Von Boris Hermel

Der ehemalige Kinosaal im Kosmos an der Karl-Marx-Allee ist in dezentes Orange getaucht. Die knapp 400 Mitglieder müssen bis zum frühen Nachmittag warten, bis die unumstrittene Hauptperson des Gründungsparteitags endlich die Bühne betritt. Und Sahra Wagenknecht, in hochgeschlossenem roten Kostüm, weiß genau, wie sie ihr Publikum in Wallung bringen kann.

"Verwöhnte Jungpolitiker"

In der Ampel sieht sie "verwöhnte Jungpolitiker" am Werk, "die mit jedem im Käfig gehaltenen Huhn leiden, aber den Menschen die Heizkosten erhöhen". Beifallsstürme im Saal. Sie werden noch lauter, als Wagenknecht die Ampelkoalition erneut als "die dümmste Regierung Europas" bezeichnet. Die Parteichefin geißelt die "unverantwortlichen Waffenexporte" an die Ukraine, die die Regierung Scholz offenbar bis zu einem vermeintlichen Sieg fortführen wolle, "an den nicht mal die ukrainischen Generäle mehr glauben".

Besonders laut wird der Applaus, als die Parteichefin den Grünen, der SPD und der FDP ein Hofieren der Rüstungslobby vorwirft, allen voran, so Wagenknecht hämisch, "Marie-Agnes Strack-Rheinmetall". Und "wenn in den Rüstungsverträgen gegendert wird, dann ist die grüne Welt wieder in Ordnung".

Am Ende ihrer halbstündigen Rede steht der Saal minutenlang in rhythmischen Klatschen vereint - Wagenknecht genießt das Scheinwerferlicht und winkt in die Menge. Das Gefühl von Aufbruch ist mit Händen zu greifen.

Berlinerin Benda will sich klar abgrenzen von Rechtsextremismus

Viele Mitglieder haben sich in Anzug oder Kostüm geworfen, bunte Haare oder abgewetzte Jeansjacken wie auf Parteitagen der Linken sind im Kosmos nicht zu finden – das BSW gibt sich optisch ein seriöses, eher konservatives Image.

Vorn im Saal sitzen die rund 50 Berliner Mitglieder, eine der großen Landesgruppen des BSW. Eine von ihnen, die 36-jährige Friederike Benda, bis vor Kurzem Kommunalpolitikerin der Linken in Schöneberg, wird gleich zu Beginn des Parteitags zu einer der vier stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt – mit 96 Prozent der Stimmen.

"Es braucht eine Kraft, die sagt, wir stellen uns gegen Waffenlieferungen, wir setzen uns für Frieden ein", sagt Benda. Im Gegensatz zur Ampel wolle sie nicht die Superreichen, sondern die "hart arbeitende Mitte der Bevölkerung" entlasten - ein Satz, der in vielen Reden immer wieder zu hören ist. Benda will sich klar abgrenzen von Rechtsextremisten und Nazis. Für diejenigen, die die AfD aus Protest wählten, wolle das BSW aber durchaus eine wählbare Alternative sein.

Früher bei Linken, Grünen oder der FDP

Im erweiterten Bundesvorstand ist mit Stefan Roth aus Senftenberg auch ein Brandenburger vertreten, Ex-Landesvorstandsmitglied der Linken und Mitarbeiter im Bundestagsbüro von Sahra Wagenknecht. Für ihn hat die Linke ihre ursprüngliche Rolle als Ventil für sozialen Protest verloren. "Heute erleben wir eine Linke in Brandenburg, die sich von Sozial- und Friedensprotesten distanziert."

Roth organisiert den Aufbau des BSW-Landesverbands in Brandenburg, der auf dem Parteitag mit nur 14 Mitgliedern vertreten ist. Sein klares Ziel ist die Teilnahme an der Landtagswahl Ende September. In jüngsten Umfragen wird dem BSW in Brandenburg ein Potential von bis zu 13 Prozent prognostiziert.

Neben Roth schaffen es auch der Islamwissenschaftler und Publizist Michael Lüders und Reinhard Kaiser für Berlin als Beisitzer in die Parteispitze. Kaiser war 41 Jahre lang bei den Grünen, hat 1998 auf der Arbeitsebene den rot-grünen Koalitionsvertrag der Schröder-Regierung mitverhandelt und für Bundesumweltminister Jürgen Trittin gearbeitet. Die Grünen hätten mal für Verhandlungen und Diplomatie gestanden. "Heute machen sie das Gegenteil", sagt Kaiser, "Eskalation, Waffenlieferungen in einem Ausmaß, das früher undenkbar war." Wer heute bei den Grünen das Wort "Verhandlungen" benutze, der gelte "als Putin-Knecht".

Sehr ähnliche Motive hat auch Jürgen Kunze für seinen Eintritt in das BSW. Er war von 1981 bis 1983 Vorsitzender der Berliner FDP. "Wir sind auf dem Weg vom Trommeln für Kriegstüchtigkeit zur Kriegssüchtigkeit, das darf nicht sein", so Kunze. Die Entspannungspolitik eines Hans-Dietrich Genscher "ist in der Ampel doch völlig im Eimer!"

Berliner Landesverband bis Sommer

Eine der bekannten Berliner BSW-Vertreterinnen ist Jutta Matuschek, langjährige Linken-Verkehrs- und Haushaltsexpertin im Abgeordnetenhaus. Den Ausschlag gegeben für ihren Wechsel zum BSW habe die "völlig inakzeptable Haltung der Linken zur großen Friedensdemonstration vor einem Jahr". Man könne nur für den Frieden eintreten, wenn man die Waffenexporte an die Ukraine ablehne – und das hätten die Linken eben nicht konsequent getan. Matuschek wurde am Abend mit 92 Prozent auf Platz zehn der BSW-Liste für die Europawahl im Juni gewählt.

Bis zur Sommerpause könnte der Berliner Landesverband des BSW gegründet sein, hofft der ehemalige Linken-Abgeordnete Alexander King aus Schöneberg, der in der Hauptstadt den Parteiaufbau koordiniert. Ob er selbst als Landesvorsitzender kandidieren wird, lässt der zur Zeit fraktionslose Parlamentarier noch offen.

Sendung: rbb24 Abendschau, 27.01.2024, 19:30 Uhr

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Beitrag von Boris Hermel

165 Kommentare

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  1. 165.

    Inzwischen habe ich Popcorn gefunden. Also weitermachen. Ganz großes Kino. Sie haben einen gewissen Unterhaltungswert.

  2. 164.

    Inzwischen habe ich Popcorn gefunden. Also weitermachen. Ganz großes Kino. Sie haben einen gewissen Unterhaltungswert.

  3. 163.

    Wer schon Dinge wie Abschreckung nicht versteht, der wird wohl nicht verstehen, warum es unklug ist einen Aggressor mit Landgewinn zu belohnen.

    Quizfrage: Wann wurde das letzte Mal ein Angriffskrieg mit Landgewinn für den Angreifer belohnt?

    (Halten Sie das wirklich für sinnvoll? Die Welt wird das sehen und die Zeiten der gewaltsamen Grenzverschiebung erst richtig beginnen.)

  4. 162.

    "Sie wissen schon, das sie im durch billiges russischen Gas enstandenem Wohlstand groß geworden sind!? "

    Nein, kann ich auch nicht wissen, weil es nicht stimmt. Sie sollten sich statt Dreifaltigkeit besser Einfätigkeit nennen.

  5. 161.

    Beleidigungen sehen aber anders aus. Das müssten Sie doch am Besten wissen. Das ich ausdrücklich erfreulich erwähnt habe, scheint Ihnen gar nicht aufgefallen zu sein.

  6. 160.

    "Ganz eindeutig spricht für die Partei, dass sie glaubhaft der Kriegsgefahr auf der Welt begegnen will und Kriege beendet werden."

    Das ist schon keine Realitätsverweigerung mehr, das ist schon Realsatire.

  7. 159.

    Tja, ich muss nicht hundert Jahre zurück gehen, um ihre Haltung kritisieren zu können! Es ist genau diese Arroganz, Scheinheiligkeit und Heuchelei, die BSW und Afd stark machen und die Etablierten schwächer. Apropo bockige Kinder, Sie wissen schon, das sie im durch billiges russischen Gas enstandenem Wohlstand groß geworden sind!?

  8. 158.

    Hey Thomas, da haben Sie ja mal weitestgehend Recht was Waffenlieferungen angeht, trotzdem sollten Sie die Sanktionen nicht unterschätzen. Die sind zwar nicht perfekt, können aber sowohl die Einnahmeseite deutlich einschränken als auch Russlands Zugang zu Technologie erschweren. Maschinenbaufreunde mit eigener mittelständischer Firma (teils hunderte Angestellte) berichten nur zu gern von den russischen Emails. Keinem würde einfallen denen ernsthaft Maschinenersatzteile zu liefern, leider sind gerade große Tech-Unternehmen nicht so konsequent und liefern gern in zentralasiatische Länder.

  9. 157.

    "Klassenkämpfer"? Zuviel der Ehre, nochmal sie haben keinen blassen Schimmer was mein nick bedeutet. Und ich werde den Teufel tun es ihnen zu verraten.

    Ah, noch eins. Umso schlimmer sie mich beleidigen wollen, desto lächerlicher machen sie sich. In diesem Sinne, machen sie weiter so.

    Irgendwo muß ich auch noch Popcorn haben...

  10. 156.

    Richtig, gezahlt wird er jedoch nicht von allen und daher fällt dieser jetzt geringer aus. Der Geldfluss sollte hier aber mal überdacht werden.

  11. 155.

    Herr Dominik wie die BSW-Partei Inflation, wirtschaftlichen Niedergang, Umweltzerstörung und Klimawandel begegnen will, wird bis zur nächsten Wahl die Zukunf zeigen. Schlechter wie die in der Vergangenheit dafür verantwortlichen Parteien kann die BSW nicht sein. Ganz eindeutig spricht für die Partei, dass sie glaubhaft der Kriegsgefahr auf der Welt begegnen will und Kriege beendet werden. Es ist ein Unding weiter Waffen in ein Kriegsgebiet zu liefern, wenn dort wie z.B. in der Ukraine in den letzten beiden Jahren je nach Quellenangabe auf russischer Seite 6.000 bis 278.000 Tote und auf ukrainischer Seite 50.000 bis 106.000 Tote zu verzeichnen sind. Was im Jemen mit deutschen Waffen angerichtet wird, ist genau so verwerflich. Ein weiterer Schwerpunkt ist das Verhindern des Auseinanderdriftens der Gesellschaft in Deutschland und Europa.
    Hässlich von Dominik ist ebenfalls, dass er Frau Wagenknecht ihre 20-jährige DDR-Vergangenheit vorwirft. Länger, 34 Jahre, dauerte ihre BRD-Prägung.

  12. 154.

    Aha, der blaue Pirol der hier vorher als Blaue Narzisse unterwegs war bis der rbb gemerkt hat welche Bedeitung die blaue Narzisse unter Rechtsextremen hat.

    Alles was sie mir vorwerfen trifft zu 100 % auf sie zu. Und was mein nick bedeutet haben sie auch nicht verstanden. Aber nett mit ihnen geplaudert zu haben, mein Kommentar scheint sie ja sehr getroffen zu haben. Sie wissen schon, Hunde, bellen und so...

  13. 153.

    Es ist wirklich immer wieder sehr erfreulich, dass sich solche Klassenkämpfer hier so hemmungslos ins Zeug legen und für den Fun-Faktor sorgen. Hoffentlich trifft ihn nicht der journalistische Bannstrahl....

  14. 152.

    „Was jetzt LNG mit Pipelinegas zu tun haben soll und warum uns Russland kein Pipelinegas mehr liefern wollte, LNG aber noch liefert müssen Sie Putin fragen.“

    Na diese Frage ist doch ganz einfach zu beantworten, weil Putin die Reaktion Deutschlands auf seine „kleine Spezialoperation“ komplett unterschätzt hatte und dachte, über die Drosselung der Gaszufuhr, insbesondere die Leistungsfähigkeit der Deutschen Wirtschaft schwächen und genug Gegendruck aufbauen zu können.
    Das man weltweit natürlich Russlands riesige Bodenschatzvorkommen nicht einfach aus der Gleichung schmeißen kann, war ja all denen klar, die von Anfang an eine entschiedene militärische Unterstützung für die Ukraine gefordert haben, um aus Putins Gleichung den entscheidenden Faktor Zeit zu eliminieren.

  15. 151.

    Oha, jetzt haben sie es mir aber gegeben. Und so inhaltlich detailliert und treffend.

    Und sie wissen sogar ganz genau was ich lese und was ich die letzten 35 Jahre gemacht habe...

    Aber was hat eigentlich ihr "Kommentar" mit meinem zu tun? nichts.

  16. 150.

    Der Solidaritätszuschlag wird weiterhin erhoben und brachte die letzten Jahre zwischen 12 bis 20 Milliarden pro Jahr.
    Je nach dem. Die Ausnahmen waren nur ein Beruhigungsmittel für ein gebrochenes Versprechen.

  17. 148.

    Hauptsache dagegen und diffamieren. Das ist Ihre angeblich demokratische Art, von der Sie glauben, anderes als Andere, diese als Einziger verstanden zu haben. Die abwertenden Begriffe wie dünn, Quatsch und ähnliche gravierende Fehleinschätzungen zeugen aber nicht gerade von einem Hero mit dem Anspruch, Rächer der Enterbten zu sein. Die unbeabsichtigte Selbstreflexion hat schon deutliche Spuren hinterlassen. Deshalb wechseln Sie auch immer Ihre Nicknames.

  18. 147.

    Der WorkingClassHero ist nicht von dieser Welt, zumindest hat er nicht verstanden, was in den letzten 35 Jahren in Deutschland abgelaufen ist. Wer sich als ChattingClassFool nur von der Schundpresse berieseln lässt, dessen Hirn ist nur zu unflätigem Gedankengut fähig. Zur Info, es gibt auch seriöse Quellen.

  19. 146.

    "Ich bin ein Bürger der sich Sorgen um sein Land macht.
    Weil immer mehr Populismus aus allen Ecken erfolgreich zu sein scheint. Realpolitik die sich den tatsächlichen Gegebenheiten stellt, ist immer seltener gefragt und wird immer seltener akzeptiert.
    Sehr schade. Italienische oder amerikanische Verhältnisse sind nicht das was ich unserem Land wünsche."

    Chapeau!

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