Für 50 Euro im Internet - Kommerzielle Anbieter handeln mit Terminen beim Berliner Einwanderungsamt

Mi 03.04.24 | 17:05 Uhr | Von Efthymis Angeloudis
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Archivbild: Das Landesamt für Einwanderung am friedrich-krause-ufer in Berlin ist die Ausländerbehörde der Hauptstadt. (Quelle: imago images/Kremming)
Audio: Fritz | 04.04.2024 | Nachrichten | Bild: imago images/Kremming

Zu wenig Personal, tausende unbeantwortete E-Mails und kein einziger freier Termin – die Probleme der Berliner Ausländerbehörde sind bekannt. Nun aber kommt noch eins dazu: Kommerzielle Webseiten greifen die wenigen Termine ab und verkaufen sie im Netz. Von Efthymis Angeloudis

  • Termine beim Berliner Landesamt für Einwanderung werden für 50 Euro gehandelt
  • Wartezeit beträgt bis zu sechs Monate
  • Senatsverwaltung hat keine rechtliche Grundlage dagegen
  • Wechsel des Terminbuchungsverfahrens soll Handel unterbinden

Ein Bild der Berliner Innenstadt, samt Dom und Fernsehturm, das Logo mit dem Brandenburger Tor und die Landesfarben in rot-weiß: Auf den ersten Blick sieht die Homepage des Anbieters Appointments Berlin den Seiten der Senatsverwaltung zum Verwechseln ähnlich - wohl bewusst. Nur wenn man oben rechts den Reiter "NOW only for 50€ - Book it now" sieht, wird man stutzig.

Denn auf der Webseite appointmentsberlin.com werden Termine verkauft - Termine beim Landesamt für Einwanderung. Und die sind Mangelware.

"Wichtigste Behörde" nur über Schwarzmarkt erreichbar

Denn das Geschäft des dubiosen Anbieters fundiert auf den Defiziten der Landesbehörde und die sind all zu bekannt: Zehntausend unbeantwortete E-Mails und kein einziger Termin im nächsten halben Jahr – die Berliner Ausländerbehörde ist überlastet und kommt ihren Aufgaben nur noch schwer nach. Und das, obwohl das LEA laut dem Grünen-Abgeordneten Jian Omar für viele Menschen die "wichtigste Behörde in ihrem Leben" ist. Immerhin entscheidet das Amt, wer hier leben kann oder ausreisen muss.

Über Menschen, die hier arbeiten und mit ihrer Familie ansässig sind, deren Aufenthaltstitel ohne weiteres verlängert werden würden, die aber keinen Termin bekommen und wochen- wenn nicht monatelang in der Schwebe hängen. Menschen, die auch bei beim CDU-Abgeordneten Dennis Haustein aufschlagen. "Es kommen immer Menschen in mein Bürgerbüro und wissen nicht mehr weiter, weil ihre Aufenthaltsgenehmigung formell ausläuft, sie aber keinen Termin beim Landesamt erhalten", sagt Haustein rbb|24.

In ihrer Not wenden sich viele an den "Markt" - an Seiten wie appointmentsberlin.com, Facebook- und Telegram-Gruppen. "Genau diese Not nutzen diese Terminhändler, diese Verbrecher aus", attestiert der CDU-Mann.

Wie kommen Webseiten an die raren Termine?

Die Webseite appointmentsberlin.com verspricht, Termine beim LEA innerhalb von einer bis maximal drei Wochen zu organisieren – und das für "nur 50 Euro". "Nachdem wir Ihren Termin gebucht haben, erhalten Sie eine E-Mail, in der Ihnen mitgeteilt wird, dass Ihr Termin gebucht und bereit ist. Nach der Zahlung erhalten Sie Ihren Termin im PDF-Format per E-Mail", heißt es dazu auf der Seite. Wer genau hinter dem Anbieter steckt - unklar. Ein Impressum gibt es auf jeden Fall nicht.

Doch wie kommen solche Seiten überhaupt an die raren Termine?

Aus der Antwort auf eine schriftlichen Anfrage von Haustein an die Senatsverwaltung für Inneres und Sport geht hervor, dass diese Anbieter offenbar sogenannte Bots - automatisierte Programme - zum Anzeigen freier Termine im Terminvereinbarungssystem des LEA einsetzen und abgreifen.

Aus Sicht des Senats seien diese kommerziellen Angebote unerwünscht, heißt es weiter. "Die Möglichkeit, einen zeitnahen Termin zu buchen und zu erhalten, sollte kostenlos bestehen und nicht die Zahlung eines Entgelts an einen kommerziellen Dienstleister erfordern."

Neues System verspricht Besserung

Für die Terminvereinbarung beim LEA wird, wie von den meisten Berliner Behörden, das gleiche Zeitmanagementsystem benutzt. "Dieses System ist eine Eigenentwicklung des Landes Berlin und bereits seit über 10 Jahren im Land Berlin etabliert, also eine gemeinsame standardisierte Software."

Nach Angaben der Senatsverwaltung für Inneres enthält das System keine besonderen Schwachstellen, die eine kommerzielle Nutzung mit maschineller Unterstützung ermöglichen oder erleichtern. "Jedoch schöpft das aktuelle Terminvereinbarungssystem noch nicht sämtliche Abwehrmöglichkeiten, die technisch umsetzbar sind und dabei die Nutzungsmöglichkeit in eigener Sache ohne inakzeptable Erschwernisse aufrechterhalten, aus."

Mit dem im zweiten Quartal 2024 anstehenden Wechsel des Terminbuchungsverfahrens werde aber die Grundlage dafür gelegt, den Terminhandel stärker als bisher technisch zu unterbinden oder zumindest zu erschweren.

Keine Strafe ohne Gesetz

Etwas gegen den Handel mit den Terminen tun kann die Senatsverwaltung momentan nicht. Nach derzeitiger Bewertung bestehe keine rechtliche Grundlage, um gegen derartige Angebote und Terminbuchungen vorzugehen. Es gebe keine Regelungen, die eine Terminbuchung für eine beauftragende Person verbieten. Nach dem Motto: Wo kein Gesetz, da keine Strafe.

"Grundlegend dürfen kostenlose Termine von staatlichen Behörden nicht durch Dritte kostenpflichtig gemacht werden", meint Haustein. "Ich prüfe deshalb auch eine mögliche gesetzliche Anpassung."

Darüber hinaus sollen mit dem Haushalt 2024 der ausländerbehördliche Bereich des LEA um 88 zusätzliche Stellen sowie 20 hinzukommende und 80 verlängerte Beschäftigungspositionen verstärkt werden. Mit mehr Personal gibt es dann, so zumindest der Plan, auch mehr Termine.

Sendung: Fritz, 04.04.2024, 01:30 Uhr

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Beitrag von Efthymis Angeloudis

52 Kommentare

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  1. 52.

    Leider fällt es mir immer schwerer, derartigen Artikeln mit dem nötigen Ernst zu begegnen. Das Thema ist nicht neu, bereits im Jahr 2015 gab es gleiche Diskussionen Stellungnahmen Meinungen etc. von schwarz rot grün links. Die ganze Bandbreite von "wie kann das denn passieren" bis "... dem muss unbedingt entgegengewirkt werden" wurde herangezogen, aber passiert ist - offensichtlich (oder besser gesagt wiedermal) - nichts. Im Gegenteil. Schlimmer geht eben immer. Und die Regierenden wissen um diese Probleme. Ist das etwa schon das Sommerloch?

  2. 51.

    Wozu Ihnen was erklären? Da trifft jede/r auf Tauben Boden. Sie kennen ja nicht mal den Unterschied zwischen Bundes- und Landesregierung. :-P

  3. 50.

    Sie outen sich hier ständig durch unqualifizierte Kommentare. Aber wat will ma von einer erwarten, die den Unterschied zwischen Bundes-, Landes-, Kommunalpolitik und zwischen Legislative und Exektuve nicht drauf hat?!

  4. 49.

    Genau. Bestimmt auch am Saharastaub, dafür sind sie gewählt worden. Oh man...

  5. 48.

    Ein mieses Geschäftsmodell, da nicht unentgeltlich! Wenn diese ,,Geschäftsleute'' nur ein bißchen sozialen Anstand hätten, würden Sie diesen Service, Strammer max mit zwei Eiern, auch kostenlos anbieten. das wäre sinnvoll. Aber so nicht!

  6. 46.

    Wir haben in Leipzig ähnliche Situationen, die die Wartezeiten betreffen und ein Termin, der vor 3 Jahren unsererseits gewünscht war, hatte jetzt zufolge, Post zu erhalten und in dem Schreiben machte man uns Hoffnung, dass der Termin zur Beratung wahrscheinlich im Juli vergeben wird. Tatsächlich. In der Zwischenzeit haben wir freiwillig den Einbürgerungstest absolviert und hingeschickt. Aber das ist tatsächlich erst der Beratungstermin.

    Überall, wo es Mangel gibt, gibt es vielleicht eher Korruption, siehe DDR, da funktionierte nichts ohne Korruption. Korrupt war man schon, wenn man für einen Bonus Bückdichware reservierte. Wer da nicht mitmachte, war der Verlierer.

    Im Moment ist das eben so, man muss warten, wir können es nicht ändern und vergessen wir nie, wir leben in einer der besten Gesellschaften dieser Erde und da warten wir lieber geduldig und sind ein wenig demütig der Situation gegenüber, uns geht es doch gut in Deutschland.

  7. 45.

    Sinnloses Gefasel. Die Regierung hat mit allem zu tun, dafür sind sie gewählt worden.

  8. 43.

    Apropos Bot: Wenn man es sich antut und öfter mal ihre Beiträge liest kann man sich schon mal fragen, ob sie auch ein Bot sind. Er wäre jedenfalls leicht zu programmieren. Immer die gleichen Phrasen, ob sie passen oder nicht.

  9. 41.

    Was passiert Ihnen denn so alles täglich, "Toscana", wofür sich die Regierung nicht interessiert? Und meinen Sie die Bundesregierung oder die Landesregierung? Wenn Sie das genauer ausführen, kann ich (und andere) vielleicht verstehen, in welchen Situationen Ihres Alltags Sie sich von der Regierung vernachlässigt fühlen.

  10. 40.

    Was soll das ewige Politiker Bashing? Die Regierung hat damit gar nichts zu tun und Sie betrifft das Problem nicht.

  11. 39.

    Falsch Denkweise. Dieser Anbieter sorgt ja erst mit dafür das Termine die sonst frei wären und von jedem auszuwählen sind gar nicht erst als frei verfügbar angezeigt werden. Das sind schlicht weg kriminelle. Erinnert mit an die Corona Testzentren

  12. 38.

    Sollte Ihr Beitrag keinen satirischen Hintergrund haben, gestatten sie mir eine Frage. Wie würden sie auch so bei Zahnschmerzen reagieren, so sie denn betroffen wären, und ein Termin für, sagen wir mal, 5000 Euro käuflich zu erwerben wäre. Da könnte ein Selbstversuch schon läuternd wirken, oder?

  13. 37.

    Mein Anwalt erzählte inzwischen seien laut Insidern beim LEA in Berlin 80.000 Neuanträge auf die deutsche Staatsbürgerschaft eingereicht worden. Mit den ca. 40.000 Altanträgen, wären das jetzt 120.000 offene Anträge. Bei der beabsichtigten Bearbeitung von 20.000 Anträgen im Jahr, würde die Wartezeit inzwischen für einige sechs Jahre betragen. Und es werden weiterhin in großer Zahl neue Anträge eingereicht. Von einer "Beschleunigung der Einbürgerungen", wie in den neuen gesetzlichen Regelungen vorgesehen, können die Antragstellenden wohl nur träumen.

  14. 36.

    Da sieht man wieder , wie uninteressant dieses Thema für unsere Regierung ist…..so wie alles was uns Bürger täglich passiert.

  15. 35.

    Die kann man schaffen, indem der Anbieter der Termine auf seiner Webseite die kostenpflichtige Vermittlung und Weitergabe untersagt. Und fertig wäre die Grundlage.

  16. 33.

    Wenn man wollte wäre diese Seite schon vom Netz. Der Wille fehlt. Ein Impressum ist für gewerbliche Pflicht. Vielleicht greift Steuerhinterziehung? Ach nee las mal, zu viel Arbeit. Der Amtsschimmel ist so bei einigen Verstößen so müde. Dit ist Berlin.

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