Gerda-Henkel-Preis - Osteuropa-Historiker Karl Schlögel bekommt 100.000-Euro-Preis

Di 02.07.24 | 12:01 Uhr
Archivbild:Karl Schlögel am 17.09.2023.(Quelle:imago images/J.Heinrich)
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Audio: Antenne Brandenburg | 02.07.2024 | Dorett Kirmse | Bild: imago images/J.Heinrich

Der Osteuropa-Historiker Karl Schlögel, einer der profiliertesten deutschen Kenner Russlands, ist mit dem mit 100.000 Euro dotierten Gerda Henkel-Preis ausgezeichnet worden. Das berichteten mehrere Nachrichtenagenturen übereinstimmend.

Nach dem Urteil der Jury prägte der 76-Jährige in seinem langjährigen Schaffen das Verständnis der neueren Geschichte Russlands, der Sowjetunion und des östlichen Europa wesentlich. "Karl Schlögel zeigt auf eindrückliche Weise, dass historische Urteilskraft und stetige kritische Selbstreflexion unerlässlich sind, wenn wir die Konflikte der Gegenwart angemessen verstehen wollen", heißt es in der Jury-Begründung.

Lob gab es auch für den Stil in Schlögels Büchern. "Seine Werke verbinden persönliche Reiseerfahrungen und Alltagsbeobachtungen mit profundem historischem Wissen und scharfsinniger Analyse", so die Jury. Das mache die Dinge besonders anschaulich.

Langjährige Viadrina-Tätigkeit

Schlögel war von 1995 bis 2013 Professor für Osteuropäische Geschichte an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder) und lehrte zuvor an der Universität Konstanz.

Die Themen der Forschers reichen vom stalinistischen Terror und der sowjetischen Moderne über die russische Emigration und Diaspora in Berlin bis hin zur Geschichte der Ukraine und zum russischen Angriffskrieg gegen das Nachbarland.

Zuletzt wandte sich Schlögel mit dem Buch "American Matrix" (2023) den USA zu und erzählte die Geschichte des 20. Jahrhunderts als eine Verflechtungsgeschichte der Imperien USA und Sowjetunion neu.

Die offizielle Preisverleihung findet am 25. November in Düsseldorf statt. Die Leitung der Jury hatte die Historikerin Barbara Stollberg-Rilinger.

Die Gerda-Henkel-Stiftung vergibt den Preis für herausragende Forschungsleistungen seit 2006 alle zwei Jahre an exzellente und international anerkannte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Zuletzt hatte die US-Wissenschaftshistorikerin Lorraine Daston die Auszeichnung 2022 erhalten [gerda-henkel-stiftung.de].

Forschte zu Sowjetzeiten in Moskau

Schlögel kam 1948 in Hawangen im Allgäu zur Welt. Er studierte an der FU Berlin Philosophie, Soziologie, Osteuropäische Geschichte und Slawistik. Während seines Studiums engagierte er sich in verschiedenen kommunistischen Organisationen. 1981 schloss er eine Dissertation über Arbeiterkonflikte in der Sowjetunion nach Stalin ab. 1982 ging Schlögel als Stipendiat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an die Lomonossow-Universität Moskau, wo er sich schwerpunktmäßig mit der Geschichte der russischen Intelligenzija im 19. und 20. Jahrhundert beschäftigte.

Nach seiner Rückkehr arbeitete der Historiker unter anderem als Wissenschaftler, Übersetzer und freier Autor für den Rundfunk. Er schrieb auch für verschiedene Zeitungen, darunter den "Rheinischen Merkur", den "Tagesspiegel", die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Die Zeit". 1990 wurde er auf den neu geschaffenen Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Universität Konstanz berufen. 1995 wechselte er an die Europa Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).

Sendung: Antenne Brandenburg, 02.07.2024, 11:30 Uhr

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