Bericht des Opferbeauftragten - Gewalt gegen Frauen hat in Berlin deutlich zugenommen

Do 05.12.24 | 06:00 Uhr | Von Ulf Morling
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Symbolbild: Gewalt gegen Frauen. Ein Mann erhebt seine Faust vor einer Frau die am Boden sitzt. (Quelle: dpa/Simon)
Audio: rbb24 Inforadio | 04.12.2024 | Ulf Morling, Roland Weber | Bild: dpa/Simon

Die neue Bericht des Berliner Opferbeauftragten listet alarmierende Zahlen auf: Im Jahr 2023 gab es so viele Opfer von Straftaten wie nie seit Beginn der Erhebung im Jahr 2012. Besonders häufig davon betroffen sind Frauen - und Kinder. Von Ulf Morling

Berlins Opferbeauftragter Roland Weber hat seinen jährlichen "Bericht zur Situation der Opfer von Straftaten im Land Berlin 2023" veröffentlicht. Darin kommt er zu einem ernüchternden Ergebnis: Seit Beginn seiner Tätigkeit im Jahr 2012 sei er aktuell zu dem Schluss gekommen, dass man "mit 30 bis 40 Prozent mehr Opfern in den letzten zehn Jahren rechnen" müsse, heißt es darin.

Allein für das letzte Jahr seien 106.671 Menschen Opfer von Straftaten gewesen. Allerdings erfasse das nur die polizeilich verfolgten Verdachtsfälle laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS). Wie viele Opfer von Straftaten es tatsächlich in der Hauptstadt gebe, sei Spekulation - es gebe ein großes Dunkelfeld.

Im aktuellen Bericht geht es explizit auch um Gewalt gegen Frauen. In diesem Zusammenhang betont der von der Justizsenatorin beauftragte Rechtsanwalt Weber, dass die seit Jahren in Aussicht gestellten zusätzlichen Frauenhaus-Plätze in Berlin endlich geschaffen werden müssten. Außerdem müssten Gerichtsverfahren verkürzt und Täterprogramme verstärkt ausgebaut werden, erklärt der Jurist, der seine Tätigkeit als Opferbeauftragter des Landes Berlin ehrenamtlich ausübt.

Deutlich mehr Vergewaltigungen und häusliche Gewalt

In der PKS sind im letzten Jahr 1.151 Vergewaltigungsfälle erfasst worden - das waren knapp 23 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Gewalttaten in Familie und Partnerschaft haben demnach um 8,8 Prozent zugenommen, in diesem Bereich wurden 18.784 gezählt.

Das Land Berlin habe zwar auch entsprechende Täteranlaufstellen, sagt Weber. Er hoffe aber, dass "jetzt nicht im Zuge der Einsparmaßnahmen die Täterarbeit abgebaut werden muss". Um Gewalt gegen Frauen effektiv bekämpfen zu können, müsse man mit Opfern und Tätern arbeiten. Er sei allerdings "relativ zuversichtlich", dass auch im neuen Haushalt die Täterarbeit einen wichtigen Raum einnehmen werde, da sich Justizsenatorin Felor Badenberg (CDU) stark für die Bekämpfung der Gewaltdelikte gegen Frauen einsetze.

Die Täter seien "sehr findig", sagt Weber: Gewalttätige Männer schmuggelten GPS-Tracker in Autos und Kinderspielzeug, um den geheimen Aufenthaltsort der vor ihrer Gewalt ins Frauenhaus geflüchteten Partnerin zu erfahren. Das allein stelle die Schutzeinrichtungen vor neue Herausforderungen: Um die Frauen weiterhin effektiv schützen zu können, bräuchten sie auch mehr Personal.

Häusliche Gewalt mit schnelleren Verfahren bekämpfen

Weber fordert schnelle Verfahren - von der Strafanzeige bis zum Strafprozess - , so wie es bereits vor zwei Jahrzehnten bei Jugendverfahren diskutiert wurde. Zwar reagierten Polizei und Familiengerichte verhältnismäßig schnell, wenn es darum geht, einen gewalttätigen Partner aus der gemeinsamen Wohnung wegzuweisen. Aber bis zu einem Strafprozess vergehe in einer Vielzahl von Fällen bis zu ein Jahr, müsse er aus seiner Erfahrung als Opferanwalt sagen.

Mit der Zeit fühle sich der Täter oft ermutigt, sein gewalttätiges und bedrohliches Verhalten fortzusetzen. Würde die Strafe für den Täter schnell auf dem Fuße folgen, könne man eine ganze Menge erreichen, meint Weber in seinem Jahresbericht: "Zügige und schnelle Verfahren sind mit Sicherheit einer der Schlüssel, wie sich häusliche Gewalt bekämpfen lässt!“

Sexuelle Übergriffe auf Kinder im Internet stark gestiegen

Eine weitere alarmierende Erkenntnis des neuen Opferberichts: Während es im letzten Jahr in Berlin 85 Fälle von Kindesmissbrauch weniger gab (das entspricht einem leichten Rückgang von 2,6 Prozent), stiegen die Fälle des sexuellen Kindesmissbrauchs ohne Körperkontakt deutlich an. Zu dieser Deliktgruppe gehört auch das "Cybergrooming", bei dem Täter den Kontakt mit Kindern etwa über soziale Medien aufnehmen und sie über das Internet zu sexuellen Handlungen nötigen.

Um 31,4 Prozent stieg der Missbrauch ohne Körperkontakt, das entspricht insgesamt 255 Fällen in der Hauptstadt. "Wo die Eltern sich nicht kümmern, oder nicht kümmern können, ist der Bereich des Missbrauchs von Kindern übers Internet viel stärker ausgeprägt", sagt Weber. Es sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bereits im Kindergarten, später auch in der Schule, die Kinder entsprechend zu sensibilisieren.

Besserer Schutz von Pflegebedürftigen nötig

Erstmals wird in diesem Jahr die Gruppe der Pflegebedürftigen im Bericht des Berliner Opferbeauftragten aufgeführt. 2021 wurde das Netzwerk "Gewaltfreie Pflege" gegründet und meldete für 2022 dreiundzwanzig Verfahrenseingänge mit Opfern ab 70 Jahren.

Im letzten Jahr hatten sich laut der Berliner Amtsanwaltschaft die Ermittlungsverfahren auf 42 fast verdoppelt. "Die Zahlen zeigen, dass pflegebedürftige Menschen erhöhten Schutzbedarf haben und hier unbedingt verstärkt gehandelt werden muss", schreibt Weber in seinem aktuellen Bericht.

Weber: Opfer müssen besser über Hilfsangebote informiert werden

Als Fazit seines neuen Berichts stellt Weber fest, dass Opfern besser geholfen werden könne, wenn ihnen frühzeitig der Weg zu professioneller Hilfe gezeigt würde. "Wir sehen aber, dass die Art der Information nicht ausreicht!" Im Regelfall werde den Geschädigten nur ein Informationsblatt von der Polizei in die Hand gedrückt, nachdem sie Opfer einer Straftat geworden seien. Darin erfahren sie, wo sie Hilfe bekommen könnten.

Doch den Weg zur richtigen Hilfseinrichtung zu finden, sei für viele immer noch ein Problem. Deshalb sei der in Berlin vor einigen Jahren eingeschlagene "proaktive Weg" sehr wichtig und funktioniere sehr gut. Dabei würde die Polizei mit dem Einverständnis der Opfer einige Daten an die "proaktiv - Servicestelle für Betroffene von Straftaten" weiterleiten. Über deren Vermittlung melde sich schließlich eine geeignete, oft hoch spezialisierte Hilfseinrichtung direkt beim Opfer. Denn Geschädigte seien nach einer Straftat oft nicht in der Lage, eigenständig Hilfe zu suchen.

Die Frage sei aber, ob die Ausweitung von "proaktiv" in den nächsten Jahren in Berlin weiter so erfolgen könne, denn es bedeute "einen gewissen Mehraufwand", Schulungen und die Ansprache der Geschädigten - und das in Zeiten knapper Kassen. Einen Zettel mit Hilfsangeboten den Opfern zu überreichen, sei jedenfalls nicht ausreichend.

Sendung: rbb24 Inforadio, 04.12.2024, 15:30 Uhr

Beitrag von Ulf Morling

33 Kommentare

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  1. 33.

    Es gibt gehirngesteuerte Menschen und Männer, die wegen Fehlen dieses Organs geschlechtsteilgesteuert sind.

  2. 32.

    Falsch! Die Versntwortung trägt allein der Mann, welcher die Frau mißhandelt schlägt und verfogt!

  3. 31.

    Die Verantwortung liegt auch darin, daß die Gerichte keinen Vernünftigen Gebrauch von den entsprechenden Gesetzen machen!
    Auch die inzwischen zur "Unart" ausgewachsene Herangehensweise der Jugendämter und Gerichte bei Sorgerecht und Umgangsrecht, auch bei vorallem "nur" psychischer Gewalt, und "leichtem" Fehlverhalten, die Eltern auch nach der Trennung zusammen auf ein Kind loszulassen, richtet viel Schaden an! in vielen Fällen wird zulange gewartet einen Elternteil den Kontakt zu verwehren!
    Es mag eine Zeit gegeben haben, da wurden Väter oft zu Unrecht ausgeschlossen! Heute ist es oft so, das viel zu lange auch völlig ungeeignete und für die Kinder schädliche Elternteile beteiligt bleiben dürfen!
    Und einfach mal in die Rechtsantragsstelle des Gerichts setzen und mit den Frauen sprechen.... wie lange nichts passiert und wieviele erfolglos wieder gehen!

  4. 30.

    Sorry. ich möchte keiner Frau etwas antun, auch nicht verbal. Grüße!

  5. 29.

    Sie haben absolut recht. Es sind solche Männer, die Gewalt ausüben, weil sie unfähig sind, auf andere Weise Stärke zu zeigen. Vielleicht sollte man nicht nur Mädchen fördern, sondern alle Kinder, damit sie rechtzeitig lernen, dass Gewalt der falsche Weg ist, um etwas im Leben zu erreichen. Aber geistige Fähigkeiten spielen ja leider zunehmend eine geringere Rolle. Man verlässt sich lieber auf das, was Google und die sozialen Medien sagen, statt selbst zu denken. Das Gehirn will jedoch ebenso trainiert werden wie die Muskeln.

  6. 28.

    Du selbst ,,kritisierst'' Zappa, aber hast keine Meinung/Haltung zur Gewalt an Frauen?

  7. 26.

    Erstens: bin ich EINE nicht Einer...
    Zweitens: Meine Antwort auf den Kommentator habe ich sehr subtil ironisch gemeint - sorry, wahrscheinlich zu subtil.

    Natürlich sind es die Männer, die Gewalt ausüben. Nur das wollte ich damit sagen. Gewalt gegen Fraune, Gewalt und Missbrauch gegen Kinder und eben auch Gewalt gegen andere Männer. Da gibt es nichts zu diskutieren - es IST SO!

  8. 25.

    Vielleicht sollten Sie mal anfangen zu hinterfragen, auf welche Weise die meisten der Männer, deren Erwähnung Sie im Artikel vermissen, zu Opfern wurden. Häufig wurden sie in Situationen zum Opfer, in denen sie genauso zum Täter hätten werden können, wenn sich beispielsweise Männergruppen bekämpfen. Frauen werden dagegen in der Regel hinterrücks angegriffen. Und das genau ist der entscheidende Punkt. Frauen setzen sich nicht freiwillig Situationen aus, in denen sie Opfer werden können. Für viele Männer gehört der Kampf gegeneinander dagegen zu den typisch männlichen Ritualen, die zunehmend brutaler werden und bei denen dem Gegner nichts geschenkt wird.

  9. 24.

    Diese rbb24-Plattform wird zunehmend von Hassern undd Spaltern, mitunter von rechtsextremen ,,Kritikern'' gekapert! Diese Entwicklung zur Verrohung, muß gestoppt werden, eh es zu spät ist. Sonst geht es in die Richtung wie der Hetzkanal X von Musk!!!
    Siehe diesen ,,Oh''!

  10. 23.

    "Whataboutism". Und? Sonst irgendwas beizutragen? Übrigens, der verstorbene Zappa würde sich im Grabe umdrehen, bei dem, was Du hier so immer vom Stapel lässt. Hat aber keine Relevanz. Vermutlich weißt Du nicht mal wer Zappa war. Auf jeden Fall kein Linker. Diese Ideologie hat er abgelehnt. Er war ein Liberaler, hat zeitlebens Republikaner und Demokraten kritisiert.

  11. 21.

    Du wiederholst Dich mit Deinem Versuch des Whataboutismus. Langeweile? Troll Dich.

  12. 20.

    Und wieder weisen Sie auf die männlichen Opfer hin, dieses Mal aber, indem Sie eine Statistik heranziehen, bei der Sie wohlweislich verschweigen, wer bei dieser Statistik die meisten Täter sind. Aus gutem Grund, wie ich vermute. Aber in diesem Artikel geht es um etwas anderes.

  13. 19.

    Das ist der immergleiche Kommentar, des immergleichen Foristen und nur eines ist dabei immer anders. Sie wechseln ständig Ihren Nick, um so etwas wie hier unter einem solchen Artikel wie hier zu posten. Warum tun Sie das? Ich habe es schonmal geschrieben und tue es jetzt wieder, warum schreiben Sie nicht einfach mal an den rbb, dass er einen Artikel über die männlichen Opfer herausbringt, wenn Sie das dermaßen beschäftigt, dass Sie ständig darauf aufmerksam machen?

  14. 18.

    Nicht nur Lehrer. Im Taxi hatte 'n Kunde sein Smartphone liegengelassen. Also nimmt man das Ding von der Rückbank, das Display geht an und ein Bild erscheint das man nicht sehen will. Also zur Polizei, abgeben, alles schick. 14 Tage später hat man ein Verfahren als Beschuldigter wegen des Besitzes von Kipo an der Backe. Wahrscheinlich habe ich noch Glück gehabt, das mir die Bude nicht auf den Kopf gestellt wurde. Mein "Liebling Kreuzberg" hats schnell geregelt. Auf den Kosten bin ich artig sitzen geblieben. Der Tipp des Beamten von der Kripo war super. Fassen sie solche Fundsachen nicht an, fahren sie zur nächsten Dienststelle und bitten die Beamten dort, das Stück aus der Taxe zu holen. Müsste ich mal mit dem nächsten Coffee-To-Becher machen. Solange landet alles was 'n Speicher hat in der Tonne, zusammen mit dem Kaffeebecher - fertig.

  15. 17.

    Nachsatz: Verzeihung, ich wollte nicht Sie einer Relativierung beschuldigen, sondern eigentlich eher den Kommentator, auf den Sie sich bezogen haben. Ich denke eher, Sie sind da eben über das hingehaltene Stöckchen gesprungen (wie ich auch...auf meine Art...:-))

  16. 16.

    Ja nu. Sicherlich ist die Gewalt zwischen Männern auch ein wichtiges Thema, aber nicht hier.
    Das kommt einer Relativierung gleich, im Sinne von: "Ja, es gibt viel Gewalt gegen Frauen, aber eben auch gegen Männer, guckt doch mal dahin."
    Diese Auslassung ist an dieser Stele unnötig, unpassend, und riecht nach Ablenkungsmanöver/Kleinreden.

  17. 15.

    Die Femizide sind der Alptraum! Was sind das für ,,Männer“? Höhere Strafen will ich für diese brutalen Mörder!

  18. 14.

    Dass das Frauenbild hierzulande noch vor zehn Jahren ein völlig anderes war, ist wohl nur Ihre subjektive Wahrnehmung. Was aber die Zunahme rechtsextremer Ansichten an Folgen für das Frauenbild nach sich zieht, lässt sich ja gut an der Entwicklung in den USA beobachten.

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