Interview mit dem Macher des Twitter-Accounts "Big City Club" - "Habe mit Lars Windhorst geschrieben"
Mit dem Twitter-Account "Big City Club" setzte Hertha-Fan Tommy Kempert-Gmuer der Häme gegenüber seinem Verein und Investor Lars Windhorst etwas Positives entgegen. Endet mit dem Verkauf der Windhorst-Anteile nun auch das Projekt?
rbb|24: Tommy Kempert-Gmuer, Sie sind beziehungsweise waren der Betreiber des Twitter-Accounts "Big City Club" zu Ehren Ihres Lieblingsvereins Hertha BSC und in Anlehnung an den berühmten Ausspruch von Ex-Investor Lars Windhorst. Nun soll dieser Begriff nach dem Willen der Hertha-Verantwortlichen der Vergangenheit angehören. Wie war es, aus den Medien von der eigenen Beerdigung zu erfahren?
Tommy Kempert-Gmuer: Das ist natürlich ein unangenehmes Gefühl. Und es kam auch überraschend, weil ich nicht mal eingeladen war. Aber Spaß beiseite. Es war ein bisschen komisch, weil es natürlich ein Begriff ist, der mich begleitet hat die letzten zweieinhalb Jahre. Auf der anderen Seite weiß ich auch, dass nicht wirklich ich damit angesprochen war. Aber ja, für mich war dann klar, dass das auch meine Beerdigung war.
Nachdem Lars Windhorst ihn im Juni 2019 geprägt hatte, ist der Begriff "Big City Club" schnell zum Schmähbegriff mutiert. Sie wollten dem mit Ihrem Twitter-Account bewusst etwas Positives entgegen setzen. Sind Sie erleichtert, dass diese Mammut-Aufgabe nun ein Ende gefunden hat?
Ein bisschen bin ich froh. Andererseits ist mir der Begriff auf absurde Weise ans Herz gewachsen. Aber der Job ist nun getan. Die Medien werden ihn hoffentlich nicht mehr benutzen und Herr Windhorst ist auch weg. Würde ich weitermachen, auf Teufel komm’ raus, würde das infantil wirken, fast aufsässig, insofern: It’s time to go.
Dabei hätten Sie doch spätestens jetzt die absolute Deutungshoheit über die drei magischen Worte erlangen können.
Ich habe auch kurz überlegt und gedacht: Jetzt ist die Bahn frei, ich kann den Begriff vollends selbst besetzen. Aber es gibt genug Leute, die wirklich genervt sind von diesem Begriff und die es wahrscheinlich nicht so geil finden, wenn ich ihn unnötig am Leben erhalte. Jetzt, wo wir die Chance haben, ihn loszuwerden. Also: Nee, es ist vorbei, ich überlege mir was Neues.
In Ihrem Schluss-Statement sprechen Sie von "Gegenwind", der Ihnen schon früh begegnet sei.
Wann immer ich anfangs etwas gepostet habe, haben die Leute drunter geschrieben, ich soll aufhören damit. Es würde nerven, es würde den Verein in Verruf bringen und es sei peinlich. Auch im echten Leben haben die Leute gesagt: Hör doch mal auf mit dem Mist. Und ehrlich gesagt würde auch heute noch nicht mit einem Big-City-Club-T-Shirt in die Ostkurve gehen.
Immerhin im Internet kommt der Humor inzwischen aber sehr gut an.
Es hat bestimmt ein Jahr gedauert, bis es richtig geflogen ist. Als ich begonnen habe, Merchandise-Artikel anzubieten, ging es richtig los. Ich hatte eher einen minimalistischen Ansatz, den die Fans im klassischen Fanshop nicht gefunden haben.
Besonders beliebt sind die Tassen mit dem "Big City Club"-Schriftzug. Jeweils eine ging an den Gewinner eines Tippspiels, das Sie zu jedem Hertha-Match veranstaltet haben. Plötzlich interessierten sich auch Nicht-Hertha-Fans für die Ergebnisse der Alten Dame.
Die Tasse als solche scheint ein Sehnsuchtsobjekt des Deutschen zu sein. Egal, was drauf steht. Wenn es dann noch etwas einigermaßen Provokantes ist, was man zum Beispiel im Büro dem Union-Kollegen unter die Nase halten kann, dann scheint das die Leute besonders zu triggern. Dazu das Tippspiel — auch ein sehr, sehr deutsches Ding. In der Kombination war das unschlagbar. Deshalb wird es vermutlich auch in Zukunft eine Tasse geben. Da steht dann aber nicht mehr "Big City Club" drauf.
Der Namenswechsel des Accounts wird derzeit von Twitter geprüft, bis dahin rücken Sie nicht raus mit der Sprache, was die über achttausend Follower demnächst erwartet.
Es wird einen ähnlichen Spirit haben. Es ist nicht so ein Kampfbegriff wie bisher und wird eher über den Inhalt kommen.
Dass Hertha einen Investor mit im Boot sitzen hat, bleibt. Die Ostkurve hat das im Zuge des Heimspiels gegen Mainz 05 deutlich kritisiert.
Mir wäre es lieber, es würde ohne Investoren funktionieren. Aber ich fürchte, es gibt keine Zukunft ohne sie. Und es wird auch nicht ohne irgendein Netzwerk von Vereinen gehen. Selbst Bayern München hat einen Partner-Klub in den USA. Man sollte schauen, dass die richtigen Personen dahinter stehen und dass Menschen mit dem Geld hantieren, die auch Ahnung davon haben.
Mit Ihren ganzen Merch-Erlösen hätten Sie doch selbst in die Rolle des Investors schlüpfen können.
Ich habe da keinen Reichtum angehäuft. Im Gegenteil, im besten Fall bin ich auf Plus-Minus-Null hinausgekommen.
Ihr Treiben wird sicher auch vom Verein nicht unbeobachtet geblieben sein. Gab es mal Kontakt? Vielleicht sogar mit Mr. Big City Club himself?
Lars Windhorst folgt mir auf Twitter. Wir haben auch mal über die DMs [Direct Messages; Anm. d. Red.] geschrieben. Aber das war völlig substanzlos, da ging es um nichts Wichtiges.
Und aus dem Innern des Klubs? Ex-Geschäftsführer Michael Preetz ist schließlich ein legendärer Twitterer. Sein letzter Tweet lautete "hinzufügen. I k kkmm mom". Das war zwar vermutlich eher ein Versehen, heimste aber dennoch 7.192 Likes ein.
Mit Ingo Schiller [ehemaliger Finanzchef; Anm. d. Red.] hatte ich mal Kontakt. Er mochte ein paar meiner Merch-Ideen. Das hat sich dann aber wieder verlaufen.
Der Erfolg Ihres Twitter-Accounts beruht auch darauf, dass Sie vom Fach sind. Sie arbeiten hauptberuflich in der Werbebranche. Die hat sich auch immer mal daran versucht, Hertha ein neues, hippes Images zu verpassen. Mit streitbarem Erfolg.
Es gab viele Bemühungen und bemüht war es auf jeden Fall. Zum Einen saßen da, glaube ich, die falschen Leute bei der Ausführung. Man kann einer Hamburger Werbeagentur nicht zutrauen, den Geist von Hertha BSC zu erfassen.
Besonders die Kampagne "We try. We fail. We win." der Hamburger Agentur "Jung von Matt" kam nicht sonderlich gut an beim Großteil der Fans.
Es ist aber auch total leicht, als Außenstehender zu sagen: Ist eine Scheiß-Kampagne. Um ehrlich zu sein, ich weiß auch nicht, ob ich es so viel besser gemacht hätte. Ich habe damals zu einem Kollegen gesagt: Müsste ich eine Kampagne für Hertha planen, würde ich einfach ein weißes Blatt Papier abgeben und sagen, das macht ihr jetzt die nächsten fünf Jahre — nämlich gar nichts. Und wahrscheinlich sind wir dann weiter als vorher.
Weil jede Zuspitzung auf eine Zielgruppe in dieser Stadt zwangsläufig scheitern muss?
Wir sind vielmehr Berliner Eckkneipe als Rosenthaler Platz. Und trotzdem ist der Rosenthaler Platz auch Hertha. Das zusammenzukriegen, ist gar nicht so leicht.
Vielleicht braucht es nur eine Tasse, die alle eint. Wieviele mit Big-City-Club-Aufdruck haben Sie denn noch zu Hause?
Keine einzige. Das ist eigentlich absurd.
Vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ilja Behnisch, rbb Sport.
Sendung: rbb24, 17.03.2023, 22:00 Uhr