Fußball-Bundesliga - Mit Volland zum neuen FC Union
Kevin Volland ist einer der Königstransfers des 1. FC Union. Von ihm erhofft sich Union ein neues sportliches Niveau. Trotzdem hat er seinen Stammplatz noch lange nicht sicher. Von Till Oppermann
Es wäre keine Überraschung, wenn Kevin Volland am Mittwochmorgen einen Anruf aus der Kommunikationsabteilung des 1. FC Union bekommen hat. Im Interview mit der "Sport Bild" brach der Angreifer nämlich mit einem eisernen Gesetz: "Wir haben schon den Anspruch jedes Jahr in Europa zu spielen", sagte Volland forsch.
Dabei spricht sein Trainer Urs Fischer doch weiterhin bei jeder Gelegenheit davon, dass der Klassenerhalt Unions Saisonziel in der Bundesliga sei. Vielleicht passt sich der Neuzugang bald noch an die bewährten Sprachregeln der Berliner an. Aber eines macht seine Aussage klar: Der ehemalige Nationalstürmer Volland steht für einen neuen 1. FC Union.
Volland ist Erfolg gewohnt
Während die Fans weiterhin genügsam sind und ihre Mannschaft trotz der 0:3-Niederlage gegen Leipzig frenetisch gefeiert haben, ist die Anspruchshaltung intern schon längst ambitionierter als "Klassenerhalt". Union will sich als Topteam etablieren und verpflichtet dafür Spieler, die in ihrer Karriere meistens am oberen Ende der Tabelle standen.
Neben Champions League-Finalist Robin Gosens und Europameister Leonardo Bonucci gilt das auch für Volland. Seit 2018 beendete er mit seinen Mannschaften keine Saison schlechter als auf dem sechsten Platz. Dieses Selbstverständnis bringt er mit in eine Mannschaft, die weiterhin aus vielen Spielern besteht, die ohne Union nicht gegen Real Madrid spielen würden.
Kein Stammplatz sicher
Umgekehrt fühlt sich der 31-Jährige im Kreis seiner neuen Mannschaft bereits nach wenigen Wochen wohl. In jedem seiner Interviews lobt er die klare Hierarchie und die "Arbeitermentalität". Union zeichne ein besonderer Zusammenhalt aus, so Volland. "Ich habe auch schon etwas anderes erlebt: Dass Spieler abdrehen, Star-Allüren raushängen lassen." Von ihm ist das nicht zu erwarten, und das ist für Union noch wichtiger als man vielleicht denken könnte.
Denn obwohl Volland zu den erfolgreichsten Spielern im Kader gehört, ist noch lange nicht klar, dass er zum Stammspieler wird. Mit Goalgetter Kevin Behrens, dem hochveranlagten David Datro Fofana und Sheraldo Becker, der in der Vorsaison Topscorer war, erheben gleich drei weitere Stürmer einen Anspruch auf einen Platz in Unions Doppelspitze. Dass Volland seine Rolle da noch finden muss, zeigte sich überdeutlich beim 0:3 gegen Leipzig. Nicht nur, weil sein Startelf-Debüt vorzeitig mit einer unnötigen roten Karte beendet wurde und er den Köpenickern in der Bundesliga nun bis Anfang Oktober fehlen wird.
Wo ist Platz für Volland?
Wegen der Verletzungsmisere im Mittelfeld und der Rotsperre von Brenden Aaronson hatte Urs Fischer sein bewährtes 5-3-2-System zu einer Formation mit drei Stürmern umgebaut. Das störte aber Unions sorgsam austariertes Gleichgewicht zwischen Offensive und Defensive, insbesondere bei zweiten Bällen und nach Ballverlusten in der Vorwärtsbewegung fehlte den Berlinern die Staffelung.
Um den perfekten Platz für seinen neuen Stürmer zu finden, müsste Urs Fischer das Spiel seiner Mannschaft umbauen. Denn weder ist Volland so groß wie Mittelstürmer Behrens, der durch seine Kopfballstärke immer wieder lange Bälle verlängern kann, noch ist Volland so schnell wie Fofana und Becker, die immer wieder hinter die Kette starten. "Hier stellt keiner zwei Busse vor dem eigenen Tor auf und setzt nur auf Konter – wie es in Frankreich schon mal der Fall war", lobt Volland die Bundesliga. Böse Zungen könnten antworten: "Hä, hast du Union mal spielen sehen?"
Mit Volland die Mannschaft entwickeln
Dabei kann man Urs Fischer nicht absprechen, dass er alles versucht, um seine Mannschaft auch spielerisch zu entwickeln. Im Sommer nahm sich der Trainer gemeinsam mit Oliver Ruhnert vor, Union im eigenen Ballbesitz weniger ausrechenbarer zu machen. Auch gegen tiefstehende Gegner, die Läufe hinter die Kette verhindern, soll Union künftig zu Torchancen kommen.
Genau hier kommt Volland ins Spiel, der nicht nur einen relativ sicheren Abschluss hat, sondern außerdem zu den spielstärksten Stürmern Europas gehört. Bei Statistiken wie Vorlagen pro 90 Minuten, erwarteten Vorlagen und raumgewinnenden Pässen gehört er mindestens zu den besten 10 Prozent in den fünf besten Ligen. In Unions Angriff bringt Volland damit eine neue Farbe. "Wir freuen uns auf diesen offensiv flexibel einsetzbaren Spieler", sagte Oliver Ruhnert als der Transfer verkündet wurde. Denn mit Volland, so ist die Hoffnung, gibt es auch auf dem Fußballplatz einen neuen 1. FC Union.
Sendung: rbb24, 7.9.2023, 18 Uhr