Fußball-Europameisterschaft - Was Hertha und Union (und alle anderen) von der EM lernen können

Mo 15.07.24 | 18:30 Uhr
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Spaniens Dani Olmo mit dem EM-Pokal (imago images/Michael Zemanek)
Bild: imago images/Michael Zemanek

Die Europameisterschaft ist vorbei, lang lebe die Europameisterschaft. Denn neben aller Freude, die das Turnier vielen Menschen gebracht hat, lässt sich auch sportlich einiges in den Alltag retten. Von Ilja Behnisch

Liebe Traditionalisten, Sie müssen jetzt ganz stark sein, denn im Folgenden geht es um: Learnings. Und nein, man kann eben nicht einfach "Erkenntnisse" schreiben, wenn es darum gehen soll, was die nun vergangene Europameisterschaft denn mitzugeben hat in den fußballerischen Alltag von, sagen wir mal, Hertha BSC und Union Berlin zum Beispiel. Denn Erkenntnisse klingt nach "könnte man mal machen". Learnings hingegen nach "muss man so machen!". Viel zwingender also. Und zwingend ist gut. Zumindest im Fußball.

Wobei die Beschränkung auf Hertha und Union allein der Bequemlichkeit dient. Denn Learnings lassen sich natürlich beliebig, Achtung, skalieren. Weshalb man sich schon darauf freuen darf, dass demnächst irgendein Kreisliga-Trainer seine Mannschaft mit Aussagen folgender Größenordnung überrascht: "So wie Spanien im Finale gegen England!"

Nun hat mit Spanien die entschieden stärkste Mannschaft triumphiert bei dieser Europameisterschaft. Oder um es mit den Worten des Fußball-Gelehrten und Ex-Nationalspielers Lukas Podolski zu sagen: "Manchmal gewinnt der Bessere." Ob die Spanier dabei auch noch über die besten Einzelspieler verfügten, wie ihr Trainer Luis de la Fuente befand, oder ob dieses Zeugnis nicht eher den Engländern, Franzosen, Portugiesen oder gar Deutschen zustünde, darüber ließe sich trefflich streiten. Und es wäre zugleich ganz egal. Denn, und das ist Learning Nummer eins: Fußball bleibt ein Mannschaftssport und ist doch mehr als "11 Freunde müsst ihr sein".

Jeder wusste zu jeder Zeit, was er zu tun hatte

Neben den Überraschungsteams wie Georgien, Österreich oder der Türkei war EM-Sieger Spanien neben aller individueller Klasse auch deshalb so stark, weil jeder Spieler zu jeder Zeit wusste, was er zu tun hatte. Bei den Spanien war dabei das Resultat einer eineinhalb Jahre andauernden Zusammenarbeit von Trainer und Team zu bestaunen. Eine Zusammenarbeit, an deren Beginn im März 2023 eine 0:2-Niederlage in Schottland stand. Mit fast identischem Kader. In einem EM-Qualifikationsspiel wohlgemerkt. Nicht in einem unbedeutenden Testspiel.

"Wenn man die Spanier sieht durch ein ganzes Turnier, da gibt es einen Plan für jede Phase des Spiels. Ob der Gegner hoch anläuft, tief anläuft, ob die selbst hoch anlaufen, selbst tief dann stehen", sagte Bo Svensson nun im Trainingslager von Union Berlin und nach seiner Vorstellung von gemeinsamem Spiel befragt.

Es ist das, was Julian Nagelsmann auch für seine deutsche Elf im Kopf hatte, als er im März dieses Jahres begann, von klaren Rollenprofilen für die Mannschaft zu sprechen. Es ist das, was viele Bundesliga-Trainer meinen, wenn sie von Entwicklungen, Prozessen und noch zu findenden Automatismen sprechen. Und das war es auch, was Union unter Urs Fischer so stark gemacht hat und bis auf Platz vier in der Bundesliga brachte.

Eine gemeinsame Idee, so Bo Svensson weiter, führe dazu, dass die Spieler "schneller spielen" könnten, weil "viele Spieler nehmen die gleiche Situation gleich wahr".

Unions Learning führt in die Vergangenheit

Die hohe Kunst nun ist es, herauszufinden, wie komplex eine gemeinsame Idee zum jeweiligen Zeitpunkt sein darf. Deutschland etwa, das einen ähnlichen, spielerischen Ansatz wie Spanien verfolgte, hängt noch ein gutes Stück hinterher in der Entwicklung.

Womit wir wieder bei Union Berlin sind. Ausgerechnet in der Saison der ersten Champions League-Teilnahme hatte sich der Klub in der vorigen Spielzeit in jeder Hinsicht vergaloppiert. Der Kader gab plötzlich nicht mehr für jede Position genügend Alternativen oder gar überhaupt Qualität her. Zudem schien es plötzlich gleich mehrere Ideen zu geben innerhalb der Mannschaft, wie Fußball denn nun genau auszusehen habe. Ein Köpenicker EM-Learning dürfte also sein, dass es wieder eine gemeinsame, demütige Vorstellung davon braucht, wie Union-Fußball auszusehen hat. Die gute Nachricht für alle Fans: Mit Bo Svensson scheint man dafür genau den richtigen Trainer verpflichtet zu haben.

Taktisch diszipliniert, mannschaftlich geschlossen

Ein weiteres EM-Learning dürfte eher Stadtrivale Hertha BSC betreffen. Zwar hat Ex-Bundestrainer Rudi Völler schon vor 20 Jahren zu Protokoll gegeben, es gäbe keine Kleinen mehr. Inzwischen hat diese Erkenntnis aber tatsächlich auch die Kleinen erreicht. Ob Slowenien, die Slowakei oder Georgien — sie alle verteidigten bei dieser EM auf hohem Niveau. Taktisch diszipliniert, jederzeit mannschaftlich geschlossen. Den Aufstiegskandidaten Hertha BSC werden in der kommenden Zweitliga-Saison ähnliche Bollwerke erwarten.

Die engen, taktischen Korsette der Europameisterschafts-Defensiven ließen sich zumeist nur über herausragende Einzelaktionen lösen. Vielleicht also sollte Hertha trotz der unbedingten Kader-Aufwertung durch die Neuzugänge Cuisance, Demme und Sessa eine Anfrage einreichen beim Berliner Senat. So etwas wie den "Reese-Rubel". Damit Fabian Reese, DER Unterschieds-Spieler der Hertha schlechthin, den Klub nicht doch noch oder tatsächlich Richtung Bundesliga verlässt.

Ansonsten, ließe sich noch festhalten, sind bei der EM vor allem in der Gruppenphase Eigentore satt gefallen. Wobei das wohl weniger ein Learning ist, als eine Erkenntnis. Sie wissen schon.

Sendung: rbb|24, 15.07.2024, 19:15 Uhr

17 Kommentare

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  1. 17.

    Erschreckend ist eher, dass es Menschen gibt wie sie, die anderen vermitteln wollen, dass sie den Durchblick haben, aber offensichtlich von unternehmerischen Aspekten keine Ahnung haben. Fünf Millionen zahlt Hertha BSC jedes Jahr. Seit 20 Jahren wird diese Diskussion geführt. Wäre längst eine Entscheidung getroffen worden, hätte Hertha BSC rund 50 Millionen an Stadionmiete gespart und durch die Einnahmen wäre das Stadion längst bezahlt. Also bitte nicht so daherreden. Immer erst nachdenken, bevor Sie einen unsinnigen Kommentar abgeben.

  2. 16.

    Kaum übt man ein wenig Kritik an der großen Hertha wird man Dünnhäutig.
    Ich bleibe bei meiner Meinung, daß ein neues Stadion Unsinn ist.

  3. 15.

    Hertha ist nicht mein hochgepriesener Hauptstadtclub.
    In Berlin leben inzwischen mehr Zugezogene, als in Berlin Geborene, die Konkurrenz von anderen Sportarten und Kultur ist im Vergkeich zu anderen Städten riesengroß. Ich finde, dass der Zuschauerschnitt bei Hertha für 2. Liga und den letzten Jahren grandios ist. Und die Stimmung ist auch gut. Machen die FCK Fans mehr Stimmung im Ligaalltag? Nein.

  4. 14.

    Worum geht es Ihnen hier in Ihrem Kommentar? Sich wiederholt despektierlich über Hertha BSC zu äußern, oder haben Sie auch etwas zum Artikel beizutragen? Im Übrigen kostet Hertha BSC die Stadionmiete rund fünf Millionen Euro im Jahr. Da ist es rein aus unternehmerischen Aspekten klar, dass der Verein über ein eigenes Stadion nachdenken sollte. Seit rund 20 Jahren wird jetzt mit der jeweiligen Berliner Regierung über ein eigenes Stadion gesprochen. Hätte man längst eine Entscheidung getroffen, wären dem Verein rund 50 Millionen in den letzten 20 Jahren an Stadionmiete erspart geblieben. Also bitte nicht über Dinge reden oder sich abfällig äußern, ohne augenscheinlich den Kontext zu verstehen.

  5. 13.

    Wenn man in einer Stadt wie Berlin das Oly selbst in der 1. Bundesliga nicht voll bekommt ist ihr hochgepriesene Hauptstadtclub wohl doch nicht so beliebt, oder.
    Gute Stimmung kann man auch im Oly erzeugen, wie vor allem die FCK Fans im Pokalfinale bewiesen haben. Wenn das die Herthaner nicht hinbekommen ist das deren Schuld und fraglich ob es in einem reinen Fussballstadion besser wird.

  6. 12.

    Was ist eigentlich ein 'Kraut und Rübenverein'? Nur so, um von ihrer Expertise zu lernen.
    Ich finde das Olympiastadion übrigens auch grandios, nur leider zu groß für die Hertha. Und den normalen Bundeslia/ 2.Liga Alltag kann man mit einem DFB Pokalfinale halt nicht vergleichen.

  7. 11.

    Bitte bewerben Sie sich für einen Posten in der Geschäftsführung von Hertha BSC. Ihr Fachwissen und Ihre Kompetenz könnte da sehr weiterhelfen.

  8. 10.

    DFB Pokalfinale ist ein Highlight jedes Jahr.
    Die beiden Vereine die dort gegeneinander spielen freuen sich auf dieses Spiel in diesem tollen Stadion.
    Viele Anwohner sind gegen diesen neuen Hasenkasten direkt neben dem Oly. Hertha BSC braucht kein neues Stadion, sie brauchen neue Spieler. Selbst dafür fehlt diesem Kraut und Rübenverein das Geld.
    Wie will dieser Verein ein neues Stadion finanzieren ?

  9. 9.

    "Das Oly ist ein sehr schönes Stadion, viele Vereine sind stolz an so einem Geschichtsträchten Ort spielen zu dürfen."

    Hm, mir fällt da jetzt gerade kein anderer Verein ein, der da aktuell spielt. Die Einzigen, die neben Hertha im Oly gespielt haben, war letzte Saison Union Berlin, und deren Fans betiteln das Olympiastadion gerne als Suppenschüssel. Spricht nicht gerade für Stolz.
    Mit der Finanzierung eines neuen Stadions ist das sicherlich nicht einfach, grundsätzlich ist aber auf die Zukunft gesehen ein kleineres Stadion durchaus vernünftig, für einen, wie Sie sagen, "Kraut und Rüben Verein". :-)

  10. 8.

    Aber Ihre Einlassungen sind objektiv und von Belang!
    Besonders dann, wenn Sie Ihnen völlig fremde Menschen be- und sogar verurteilen.
    MfS, ähm, MfG!

  11. 7.

    Das soviele Herthaner es einfach nicht kapieren, das ein Schuldenverein wie Hertha BSC sich garkein eigenes Fussballstadion leisten kann ist erschreckend.
    Woher soll das Geld für den Bau, den Unterhalt usw. Kommen ?
    Das Oly ist ein sehr schönes Stadion, viele Vereine sind stolz an so einem Geschichtsträchten Ort spielen zu dürfen.
    Außer Hertha BSC.

  12. 6.

    Da für sie die Modalitäten eines Vertrages zweier Parteien völlig irrelevant sind ist ihre Einlassung völlig subjektiv und letztendlich belanglos.

  13. 5.

    Dem schließe ich mich an .
    Das Olympia Stadion war hervorragend für die Austragung vorbereitet.
    Die vielen Zugänge und auch ausreichend Toiletten, alles sauber uns gepflegt.
    Also Hertha spielt erfolgreich und dann kommen auch genügend Zuschauer.

  14. 3.

    Ich verstehe den Begriff "Stadtrevale" nicht.
    Um Fußball kann es ja nicht gehen, da Union in der Bundesliga sielt und die hier gerne Hofierten in der 2.Liga.
    Gut, der Verein hat den Herthaner des Jahres, eine Hertha-Legende, Jesus, die Torkanone und aus Hertha-Super-Star wird jetzt noch ein "Reese-Rubel"( Der Rubel befindet sich im Sturzflug). Natürlich kommt noch der Verweis auf den Neuzugang aus Neapel, den man noch schonen muss, ein Aufbautrainig angedacht, da er bei Neapel eher das Sitzfleisch trainierte, als das Spielerische.

  15. 2.

    „ Was Hertha und Union (und alle anderen) von der EM lernen können“
    Dass sich Fans wie vernünftige Menschen benehmen können!

  16. 1.

    Hert(h)a könnte lernen, dass das Oly ein erstklassiges Stadion ist. Sie müssten es nur vernünftig bespielen und natürlich auch bezahlen können.

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