Interview | Para-Schwimmerin Semechin - "Ich möchte die Spiele ohne Symptome und Schmerzen genießen"

Mo 26.08.24 | 12:53 Uhr
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Para-Schwimmerin Elena Semechin auf einer Pressekonferenz vor den Paralympics in Paris. Quelle: picture alliance/Bernd von Jutrczenka
Audio: Interview mit Elena Semechin | Stephanie Baczyk | Bild: picture alliance/Bernd von Jutrczenka

Bei den Paralympics 2021 holte sich die Schwimmerin Elena Semechin Gold. Genießen konnte sie die Zeit aber kaum. Kurz nach den Spielen wurde bei ihr ein Hirntumor entdeckt. In Paris kehrt die Berlinerin nun auf die ganz große Bühne zurück.

rbb: Elena Semechin, jetzt geht es bald endlich los mit den Paralympics. Wie hat sich Ihr Training in den letzten Wochen verändert?

Semechin: Bei mir hat sich generell in letzter Zeit sehr viel geändert. Früher war meine Stärke, dass ich im Ausdauerbereich relativ viel rausholen konnte. Das war nach der langen Chemotherapie nicht mehr so einfach. Wir musste also das ganze Training umstellen. Wir arbeiten jetzt mehr mit Explosivität, Power und Schnelligkeit. Wir mussten nun - kurz vor den Spielen - die beiden Blocks Schnelligkeit und Ausdauer zusammenführen. Das war schon eine Herausforderung.

Zur Person

Elena Semechin wurde 1993 in Kasachstan geboren.

Mit elf Jahren kam sie mit ihrer Familie nach Deutschland.

Im Kindesalter brach bei ihr die Erb-Erkrankung Morbus Stargardt aus, die ihre Sehfähigkeit stark einschränkt.

Bei ihren dritten Paralympics sicherte sie sich 2021 die Goldmedaille über 100 Meter Brust.

Im Anschluss wurde bei ihr ein Hirntumor diagnostiziert, der mit einer OP und Chemotherapie entfernt werden konnte.

In Paris nimmt Semechin in diesem Sommer zum vierten Mal an paralympischen Spielen teil.

Das ist schwerer vorstellbar als Sie es klingen lassen.

Es ist nicht ganz so einfach. Vor allem, wenn man eine Technik zu schwimmen gewohnt war. Auf einmal hieß es: Das geht jetzt nicht mehr und wir müssen das umstellen. Man hat dann aber gar keine andere Wahl. Wenn du nichts änderst, kommst du nicht vorwärts. Ich möchte wieder Bestleistungen schwimmen, mein Weltrekord ist schon etwas veraltet. Ich arbeite daran, wieder schnell schwimmen zu können.

Wenn man mit Ihnen spricht, sieht man immer ein Lächeln in Ihrem Gesicht. Das ist fast schon ein Markenzeichen. Ist es für Sie wichtig, Lebensfreude für sich, aber auch die Leute auszustrahlen?

Definitiv. Ich bin ein sehr positiver Mensch und das gibt mit die Kraft, all die Herausforderungen, die ich in den letzten Jahren hatte, durchzustehen. Ich glaube, wenn die Menschen mehr lächeln und positiver denken, kann das Leben eigentlich keinen anderen Weg einschlagen. Wir kontrollieren unsere Gedanken. Wenn wir positive Gedanken haben, wird der Tag viel schöner und angenehmer.

Haben Sie sich in den letzten Jahren, die für Sie neben der zunehmenden Erblindung durch die Diagnose Hirntumor und eine anschließende Chemotherapie geprägt waren, verändert?

Im Moment sehe ich noch gut zwei Prozent. Das versuche ich so gut es geht zu nutzen. Natürlich prägen einen die Herausforderungen, die man auf seinem Lebensweg bestreiten muss. Das prägt auch den Charakter. Man hat im Prinzip zwei Möglichkeiten: Entweder geht man gestärkt da raus und sagt sich: Das hat mir für mein Leben etwas gelehrt. Oder man gibt auf und sagt sich: Die Krankheit hat mich besiegt. Das war für mich nie eine Option. Im Gegenteil: Ich wollte dagegen kämpfen und habe mir gesagt, dass ich das alles durchstehen werde. Ich bin aus der Situation stärker herausgekommen und jetzt geht es weiter.

Ihren größten sportlichen Erfolg haben sie 2021 bei den Paralympics in Tokio erlebt: Gold über 100 Meter Brust. Welche Gefühle und Erinnerungen haben Sie noch an diesen großen Moment?

Das war ein total schönes Gefühl, als ich angekommen bin. Obwohl ich erst später realisiert habe, dass ich gewonnen habe, weil ich es auf der Anzeigetafel ja nicht gesehen habe. Dann habe ich unfassbar angefangen zu heulen (lacht). Da sind die ganze Last, der Druck und die Erwartungen von mir abgefallen. Ich habe schließlich drei Anläufe gebraucht, bis ich diese Goldmedaille gewonnen habe. Das war für mich ein ganz besonderer Moment, den ich in der ersten Phase aber gar nicht genießen konnte, weil ich so starke Kopfschmerzen hatte. Ich hatte schon vor und während der Spiele gemerkt, dass da etwas ist. Ich dachte aber, dass es vielleicht das Klima ist, das in Japan ja ganz anders ist als in Europa. Wenn du so ein wichtiges Rennen hast, achtest du auch nicht auf deinen Körper. Da heißt es, alles auschalten und Vollgas geben. Danach hat es mich dann mehr und mehr eingeholt.

Was ist Ihr großes Ziel für Paris?

Ich möchte die Spiele ohne Symptome und Schmerzen genießen. Ich werde die wahrscheinlich volle Halle in mich aufsaugen und die Stimmung mitnehmen. Das hat in Tokio schon sehr gefehlt. Und natürlich werde ich versuchen, noch einmal zu Gold zu schwimmen. Mein Traum wäre es außerdem, noch einmal eine Bestzeit zu schwimmen. Dafür kämpfe ich schon sehr lange.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Stephanie Baczyk, rbb sport. Das Gespräch können Sie mit einem Klick ins Titelbild nachhören.

Sendung: rbb24 Inforadio, 08.08.24, 11:15 Uhr

1 Kommentar

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  1. 1.

    Viel Erfolg allen Para-Olympioniken :-)
    Ihr seid Vorbilder für Durchhalten und einfach machen, wenn es auch schwerfällt. Hoffentlich kann Frau Semechin Medaillen nach Hause bringen. Ich werde die Paragames sehr gerne verfolgen. :-D

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