Ergebnis der Befragung - Einwohner von Grünheide sprechen sich gegen Teslas Erweiterungspläne aus

Mi 21.02.24 | 12:55 Uhr
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Archivbild:Ein Besucher schaut sich die Radwegekonzeption der Tesla Fabrik «Gigafactory Berlin-Brandenburg» am 14.01.2024 an.(Quelle:picture alliance/C.Gateau)
Video: rbb24 Spät | 20.02.2024 | Michael Schon, Sabine Tzitschke | Bild: picture alliance/C.Gateau

Darf der E-Autobauer Tesla sein Werksgelände in Grünheide um weitere rund 100 Hektar erweitern? Nein, hat die Mehrheit der Einwohner der Gemeinde in einer Befragung entschieden. Doch das Votum ist letztlich nicht bindend.

  • Tesla will sein Gelände in Grünheide um rund 100 Hektar vergrößern
  • große Mehrheit der befragten Einwohner hat "Nein" zu den Plänen gesagt
  • Gemeindevertretung muss sich nicht an Votum halten
  • Wirtschaftsminister Steinbach: "Wichtig, die Menschen ernst zu nehmen!"
  • Tesla will weitere Gespräche führen
  • Bürgermeister Christiani will den Bebauungsplan in jetziger Form den Gemeindevertretern nicht mehr vorlegen

Die Erweiterungspläne für die Fabrik des Elektroautobauers Tesla in Grünheide (Oder-Spree) bei Berlin sind bei einer Einwohnerbefragung mehrheitlich auf Ablehnung gestoßen. Das teilte die Gemeinde am Dienstagabend mit. Mit Nein zu einer Erweiterung stimmten 3.499 Einwohner, mit Ja 1.882. Das Votum der Einwohner ist zwar für die Gemeindevertretung nicht bindend, es gilt aber als wichtige Wegmarke.

Tesla will neben dem 300 Hektar großen Werksgelände einen Güterbahnhof, Lagerhallen und einen Betriebskindergarten errichten. Dafür müssten aber rund 100 Hektar Wald gerodet werden. Das ist umstritten. Es gibt Befürworter der Pläne, aber auch Ablehnung einer Tesla-Erweiterung.

Tesla will weitere Gespräche führen

In einer ersten Reaktion nach dem Ergebnis der Einwohnerbefragung kündigte der US-Elektroautobauer weitere Gespräche zu dem Thema an. "Wir sind nach wie vor überzeugt, dass die logistische Optimierung des Werks ein großer Gewinn für die Gemeinde ist", erklärte Tesla am Dienstagabend dem rbb. Weitere Schritte sollen mit allen Beteiligten abgestimmt werden. "Ziel ist weiterhin eine signifikante Verlagerung des LKW-Verkehrs auf die Schiene zu ermöglichen, sowie generell einen schnellen Infrastrukturausbau rund um die Fabrik sicherzustellen."

Es obliege der Gemeinde über das B-Plan-Verfahren zu entschieden, so der US-Elektroautobauer weiter. Zum ablehnenden Ergebnis erklärte Tesla: "Wir sehen, dass die Bürgerinnen und Bürger von Gründheide Sorgen in Verbindung mit der Flächenerweiterung haben."

Bürgermeister von Grünheide zum Abstimmungsergebnis

Der Bürgermeister der Gemeinde, Arne Christiani (parteilos), bedauerte im rbb24 Inforadio das Ergebnis. Es sei offenbar nicht gelungen zu vermitteln, dass auch noch andere wichtige Infrastrukturprojekte an dem Bebauungsplan hingen - wie beispielsweise die neue Landesstraße L386 oder der Bahnhofsvorplatz für den geplanten neuen Bahnhof in Fangschleuse. Das hänge klar damit zusammen - so Christiani - dass die lokale Berichterstattung über das Gesamtvorhaben Tesla im vergangenen Jahr eher ins Negative gegangen sei.

Enttäuscht sei er aber nicht, denn das sei das Votum der Bürger. Den Bebauungsplan werde er den Gemeindevertretern in der jetzigen Form so nicht mehr vorlegen, so Christiani. Die Beratungen würden nun weitergehen. Die nächste Sitzung war für den 14. März geplant.

Wirtschaftsminister Steinbach sieht im Abstimmungsergebnis "Heilungsmöglichkeiten"

Der Brandenburger Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) sieht im Abstimmungsergebnis der Einwohner von Grünheide über die Erweiterung des Tesla-Fabrikgeländes ein wichtiges Votum. Es sei wichtig, die Menschen ernst zu nehmen, sagte Steinbach am Dienstag in rbb24 Brandenburg aktuell. Er sehe in der Abstimmung vor allem Heilungsmöglichkeiten.

Entscheidend sei, dass Ängste und Probleme deutlich würden, so Steinbach weiter. Tesla und die Gemeinde hätten nun die Möglichkeit, an den Problemen zu arbeiten und bis zum Mai überzeugende Antworten zu liefern.

Bürgerinitiativen sehen "historischen Sieg"

Bürgerinitiativen sehen das Nein zur Erweiterung der Tesla-Fabrik als historischen Sieg für den Wald- und Wasserschutz - nicht nur in Grünheide, sondern auch für ganz Brandenburg und Berlin, wie Manu Hoyer von der Bürgerinitiative Grünheide erklärt. Das Bündnis "Tesla den Hahn abdrehen" forderte nach dem Votum die Gemeindevertretung auf, gegen die Erweiterung zu stimmen. "Das Nein zeigt: Jetzt ist Schluss mit undemokratischen Ausnahmegenehmigungen und dem skandalösen Hinwegsehen über Umwelt- und Arbeitsverstöße", sagte Lou Winters vom Bündnis.

Alexander Schirp, Hauptgeschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) erklärte, das Votum sei ein klarer Auftrag, noch intensiver das Gespräch zu suchen und über die Erweiterung des Werks zu informieren. Dies gelte insbesondere für das Vorhaben, zukünftig einen Großteil der Logistik des Werks über die Schiene abzuwickeln. Tesla habe seit Produktionsbeginn für eine beispiellose wirtschaftliche Dynamik in der Hauptstadtregion gesorgt, mit Tausenden zusätzlichen Jobs und Hunderten Ausbildungsplätzen, so Schirp. Der Autobauer müsse Blaupause dafür bleiben, dass sich Großprojekte in Deutschland schnell realisieren ließen.

Tesla will Produktion deutlich steigern

Tesla sieht Vorteile für die Region, wenn der Bebauungsplan durchgekommen wäre. Der Güterverkehr könnte nach Ansicht des Autobauers mit dem Werksbahnhof entlastet werden. Es geht auch um mehr Liefersicherheit durch die Schaffung eigener Lagerflächen. Erst kürzlich musste Tesla die Autofertigung rund zwei Wochen aussetzen, weil Bauteile wegen der unsicheren Lage im Roten Meer fehlten beziehungsweise verspätet eintrafen

Tesla will mit der Erweiterung des Geländes auch indirekt ermöglichen, künftig mehr Autos am Standort Grünheide bauen zu können. Das Unternehmen will perspektivisch die Produktionskapazität vom aktuellen Etappenziel von 500.000 Autos im Jahr auf eine Million verdoppeln. Derzeit arbeiten in dem Werk in Grünheide rund 12.500 Beschäftigte, die zuletzt 6.000 Autos in der Woche fertigten - das sind umgerechnet 300.000 Fahrzeuge im Jahr.

Teilnahme an der Befragung

An der Befragung beteiligten sich rund 5.400 Menschen. Die Beteiligung lag nach Angaben der Gemeinde bei mehr als 70 Prozent. Abstimmen durften alle Einwohnerinnen und Einwohner von Grünheide über 16 Jahren, die seit mindestens drei Monaten ihren Wohnsitz in der Gemeinde haben.

Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 20.02.2024, 19:30 Uhr

Korrekturhinweis: In einer früheren Version dieses Textes war von einer zusätzlichen Fläche von rund 170 Hektar die Rede. Richtig ist: Der Güterbahnhof, Lagerhallen und Betriebskindergarten sollen auf einer Fläche von rund 100 Hektar gebaut werden. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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166 Kommentare

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  1. 166.

    Meinen Sie die „Bürgerinitiative Grünheide“ oder eine andere BI? Die BI Grünheide jedenfalls hat als einzige Unterstützer den NABU-Kreisverband Fürstenwalde, die NABU-Ortsgruppe Petershagen/Eggersdorf sowie den „Gemeinnützigen Verein zur Förderung & Erhaltung der Biodiversität in Deutschland“ angegeben und verwahrt sich ausdrücklich gegen parteipolitische Vereinnahmung.

  2. 165.

    In erster Linie einfach besorgte Anwohner. Ich würde hier nicht zuviel Verschwörung bzw. Vereinnahmung durch Dritte hineininterpretieren. Gehen sie mal davon aus, dass die Bewohner der angrenzenden Gemeinden selbstständig denken können.

  3. 164.

    Kenntnisreiche Menschen wissen vor allem um die freien Flächen für die Ansiedlung von Industrie. Während aktuell z.B. die Stadt Brandenburg lediglich 13 ha auf der Entwicklungsfläche "Magdeburger Straße Nord" sowie voll vermarktete Industrie- und Gewerbegebiete meldet, hatte Grünheide 300 ha überplantes Industriegebiet im Angebot gehabt.

  4. 163.

    Die BI wird u.a. unterstützt nach deren Angaben u.a. von den Linken (Die auch bei YouTube zu findende Rede von Carola Rackete Ende vorigen Jahres war dazu entlarvend), Ende Gelände, ASAN (autonomes, solidarische, antifaschistische Netzwerk) Berlin und der IL (Interventionistischen Linke). Das erklärt auch, warum die mit den Heimatschützern der AfD nichts zu tun haben wollen.

  5. 162.

    Wer steht eigentlich hinter diesen Initiativen gegen Tesla? Die werden doch sicher von größeren Verbänden oder NGOs unterstützt? Ich würde hier langsam aufpassen, daß das nicht schon Ausläufer des Präsidentenwahlkampfs in den USA sind, da ja Musk bekanntlich eher auf Seiten der Republicans steht und die Umweltschutz-NGOs eher auf Seiten der Democrats.

  6. 161.

    Die Interessen eines einflußreichen Investor haben eben Vorrang vor den Ergebnissen eine Volksbefragung. Das ist die Einstellung der Entscheidungsträger zur Demokratie.

  7. 160.

    Der Brandenburger ist gesättigt, will seine Ruhe und gönnt anderen nicht den Arbeitsplatz.

    Musk sollte das ganze Ding einfach von einem auf den anderen Tag schließen. Der Brandenburger sorgt selbst für wirtschaftlichen Aufschwung.

  8. 159.

    Das stimmt!! Ein Blick in statistische Vorgaben sagt zu diesem Ergebnis, eindeutiger geht gar nicht! Da werden Wahlen in Deutschland mit deutlich weniger Beteiligung anerkannt, leider! Aber was an dieser Stelle nochmals gesagt werden muss. Die verantwortlichen Landespolitiker haben den Investor hergeholt, haben ihn von vorn bis hinten umgarnt, haben Versprechungen gemacht und haben Redeverbote verhangen. Das alles in der Hoffnung, wenn die Fabrik steht, werden die Betroffenen ruhig sein. Es wurden Gesetze aus dem Bundesland, aus Deutschland sowie der EU gebogen und teilweise ignoriert! Es wurde vorsätzlich der Schutz von Umwelt, Natur und der Bevölkerung (übrigens weit über die Grenzen von Grünheide hinaus) missachtet! Es wurden Warnhinweise der Wissenschaft, der Verantwortlichen für unser Grundwasser, für unseren Wald, für das Klima nicht angehört bzw. einfach übergangen! Dieses Monster muss zurück gebaut und der Wald aufgeforstet werden! Natur- und Wasserschutzgebiet!!

  9. 158.

    Das Abstimmungsergebnis spiegelt auch eine Form von Deindustrialisierung wieder. Andererseits gibt es ja schon eine Vielzahl von PKW-Werken in Deutschland, leider nur in anderen Bundesländern, die dadurch wirtschaftlich enorm profitieren und offenbar dabei Aspekte des Naturschutzes berücksichtigen. Jedenfalls sind mir keine solchen Proteste bezüglich der Standorte gegenüber BMW, Mercedes, VW und Co. bekannt wie gegen Tesla.

  10. 156.

    Wenn interessiert der Bürgerentscheid eigentlich keinen die Behörden die ,dass genehmigen machen das was in Potsdam ,Berlin und in den USA gesagt wird der Bürger ist da nicht gefragt .Das ist dann aktive Demokratie oder.

  11. 155.

    Herr Patel hat gestern auf das Ergebnis reagiert, auf X und klar gesagt
    ....wir respektieren diese Entscheidung, ABER .......es hat keine Auswirkung auf die Erweiterungsplanung......
    auch im Tagesspiegel teilweise nachzulesen

  12. 154.

    Sie haben aber schon mitbekommen, dass die Arbeitsplätze mittlerweile nur durch Zuwanderung besetzt werden können? Obwohl, die derzeitige Wirtschaftspolitik sorgt ja inzwischen für Entlastung. Da werden künftig Fachkräfte frei.

  13. 153.

    Sie machen den Fehler, daß Sie die Nein-Stimmen im Verhältnis zur Gesamteinwohnerzahl setzen. Die sind aber nicht alle stimmberechtigt. Stimmberechtigt waren nur 7600. Demzufolge sind 46,04 % Neinstimmen. Das ist fast die Hälfte. 65,03 % der abgegebenen gültigen Stimmen sagten Nein, also fast 2/3. Auf eine Ja-Stimme kommen fast 2-Nein-Stimmen.

  14. 151.

    Knapp über 70% der Grünheider haben abgestimmt. Von diesen 70% haben sich über 65% gegen die Erweiterung ausgesprochen. Wie sich die Nichtwähler entschieden hätten, lässt sich nur mutmaßen. Aber offensichtlich war ihnen das Thema nicht wichtig genug um abzustimmen oder es war ihnen nicht möglich. Mir fallen gleich 14 Personen ein, die noch im Wählerregister erfasst sind, aufgrund von Demenzerkrankungen aber nicht abgestimmt haben. Mit vielen weiteren Faktoren lässt sich das mögliche Wahlvolk mit Sicherheit deutlich unter 7000 Wähler reduzieren. Somit steigt der Anteil der ablehnenden Bevölkerung noch weiter.
    65% ist ein verdammt eindeutiges Ergebnis. Das sollte von allen respektiert werden.
    Und von dümmlichen Aussagen von Unbetroffenen haben wir in Grünheide in den letzten Jahren genug gehört.
    Es reicht einfach.

  15. 150.

    „Wieso entscheidet man sich gegen einen Betriebskindergarten?“
    Weil Kenntnisreiche erkannt haben, dass der Kindergarten nicht bindend ist, der Bebauungsplan geändert werden kann und nicht rückgängig gemacht wird, wenn die Fragen in der Abstimmung nicht umgesetzt werden. Obwohl die Fragen so formuliert waren, dass man Ja ankreuzen kann, ist es durchschaut.
    Eine Metapher: Stellen Sie sich vor, Sie sind für ein T.limit und bekommen dann 90 km/h, was Sie gar nicht wollten? Fragen Sie mal in den Niederlanden nach...

  16. 149.

    Sie sollten sich erstmals wirklich Zeit nehmen und sich nicht immer wieder nur auf Herrn Klink oder Ihr Gedächtnis verlassen. Über der Wasserschutzgebietsverordnung steht z.B. ein Gesetz, welches Ausnahmen zulässt.

  17. 147.

    Wenn Sie den Artikel vor Abgabe Ihres Kommentars am heutigen Abend gelesen hätte, wäre Ihnen der lange korrigierte Fehler des RBB aufgefallen. Dabei überrascht es mich eh nicht, dass Sie nicht wissen, dass 70 ha der für Güterbahnhof, Logistik und Sozialräumen geplanten Flächen im bereits überplanten Industriegebiet liegen. Hätten Sie sich zudem die ausgelegten Pläne angeschaut, wüssten Sie, dass Teile des B-Planentwurfs 60 bereits im B.Plan 13 als GI überplant sind.

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