Berlin und Brandenburg - Zahl der Insolvenzen in der Gastronomie stark gestiegen
Deutlich mehr Gaststätten mussten im vergangenen Jahr Insolvenz anmelden. Die Stimmung in der Gastro-Branche zeigt nach unten. Vor allem, weil Verbraucher weniger essen und trinken gehen - besonders auf dem Land. Von Efthymis Angeloudis
Wer in den kommenden Frühlingswochen ins Restaurant in den Biergarten oder auch einfach nur in die Eckkneipe gehen möchte, muss sich vorher erkundigen, ob es die örtlichen Gastronomiebetriebe noch gibt.
Denn die Insolvenzen in der Branche sind 2023 im Vergleich zum Vorjahr rasant gestiegen. In Brandenburg um 16 Prozent in Berlin um 12 Prozent. Das berichtete die Wirtschaftsauskunftei Creditreform nach Anfrage des rbb.
Dabei sind Berlin und Brandenburg im Ländervergleich von dem drohenden Gaststättensterben verschont geblieben. In Schleswig-Holstein stiegen die Insolvenzen im Gastro-Bereich um 65 Prozent, in Sachsen um 53 Prozent und selbst in der Hansestadt Hamburg um ganze 38 Prozent.
Gastronomie leidet wegen der 19 Prozent MwSt
Seit 2020 haben bundesweit etwa 48.000 Betriebe geschlossen und 6.100 einen Insolvenzantrag gestellt. Allein 2023 hat jedes zehnte Unternehmen in der Gastronomie aufgegeben, wie eine Studie von Creditreform zeigt [tagesschau.de].
Die Folgen der Coronakrise, die Inflation und die Wiederanhebung der Mehrwertsteuer auf auf Speisen in Restaurants und Cafés auf 19 Prozent - seit 1. Januar 2024 gelten nun wieder die alten, höheren Steuersätze. "Die Gastronomie leidet unter den gegebenen Umständen überall in Deutschland. Es gibt jedoch große Unterschiede zwischen einem urbanen Milieu und ländlichen Regionen", sagt Patrik-Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform-Wirtschaftsforschung.
"Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind für das Gastgewerbe derzeit alles andere als günstig", betont Hantzsch. Dabei habe die Anhebung der Umsatzsteuer für Speisen Anfang des Jahres sicherlich nicht zur Entspannung beigetragen.
52 Prozent essen seltener im Restaurant
In Berlin merkt man die Zurückhaltung der Konsumenten. "Ich bewege mich ja viel in Charlottenburg und Schöneberg. Abseits der touristischen Hotspots merkt man, dass das Geschäft nicht so gut läuft", sagt Thomas Lengfelder, Hauptgeschäftsführer der Dehoga Berlin.
Besonders im High-End Bereich tun sich die Restaurants laut Lengfelder gerade schwer. "Unter der Woche ist vieles leer. Menschen essen nicht mehr so oft außerhalb."
Tatsächlich zeigen der Wegfall der Mehrwertsteuer und die daraus entstandenen Preiserhöhungen ihre Auswirkungen bei den Restaurantbesuchen deutschlandweit. Das bestätigt eine Umfrage der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung [bzt.bayern]. 52 Prozent der Befragten gehen wegen der erhöhten Preise seltener ins Restaurant.
Sechs Euro für ein Bier? Nicht in der Prignitz
Grundsätzlich seien Gastronomen von der Ausgabenbereitschaft des Endverbrauchers abhängig. "In der Stadt sind die Menschen im Allgemeinen eher bereit, die gestiegenen Preise zu zahlen und auch weiterhin die Lokale zu besuchen", sagt Creditreform-Experte Hantzsch. Hier würden auch Faktoren wie Geschäftsessen, Events und Tagestische für Büroarbeiter eine nicht zu unterschätzende Rolle spielen.
Diesen Unterschied sieht Olaf Schöpe, Präsident der Dehoga Brandenburg und Unternehmer besonders auf dem Land. "In Potsdam und Berlin sind die Leute vielleicht bereit, sechs Euro für ein Bier zu zahlen. Wenn ich mit so einem Preis in der Prignitz ankomme, kriege das Glas Bier auf dem Kopf gekippt."
Fahrradtourismus als Retter
"Auf dem Land erfüllt das Wirtshaus eine noch größere gesellschaftliche Funktion als Begegnungsort", sagt Hantzsch. Doch man könne schon seit Jahren beobachten, dass die Konsumenten weniger essen und trinken gehen. "Stichwort: die berühmte Eckkneipe im Dorf, die zwar von allen gewollt wird, wo es am Ende aber doch an Gästen fehlt." Gerade auf dem Land spiele auch der demographische Wandel eine Rolle, jüngere Menschen würden das Wirtshausangebot deutlich weniger nutzen als die älteren Generationen.
Die Folge: Immer mehr Gaststätten und Wirtschaften auf dem Land schließen und es fehlen dort Orte der Begegnung.
Laut Hantzsch haben Wirtshäuser einen klaren Vorteil, wenn sie in einem Tourismusgebiet eröffnet haben. Tatsächlich könnten Gaststätten und Wirtschaften in Brandenburg beliebte Ausflugsziele für den boomenden Fahrradtourismus werden.
Was aber wenn diese fehlen? "Wir hören von immer mehr Radtouristen, dass über die nächsten 50-60 Kilometer kein Rasthaus mehr angeboten wird", sagt Schöpe. Fehlt das Gasthaus, fehlt es auch an Touristen. "Das Gasthaussterben wird also auch Auswirkungen auf dem Tourismus haben."
Sendung: rbb24 Inforadio, 21.03.2024, 06:35 Uhr