Personalpolitik - Tesla verteidigt Kontrollbesuche bei kranken Mitarbeitenden

Do 26.09.24 | 15:14 Uhr
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Archivbild: Arbeiter gehen über das Werksgelände der Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg vom US-Elektroautobauer Tesla. (Quelle: dpa/Pleul)
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Audio: Antenne Brandenburg vom rbb | 26.09.2024 | Bild: dpa/Pleul

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall - das bedeutet eine Krankschreibung in Deutschland. Die Entscheidung darüber treffen Mediziner. Die Elektroautofirma Tesla in Grünheide allerdings scheint hier eine Schwachstelle zu wittern. Sie macht Kontrollbesuche bei den Kranken.

Der Tesla-Werksleiter in Grünheide (Oder-Spree) hat Kontrollbesuche bei kranken Mitarbeitern wegen häufiger Krankschreibungen als gängige Praxis verteidigt. Manager André Thierig nennt solche Hausbesuche "nichts Ungewöhnliches", berichtet die Deutsche Presseagentur.

Der Firmenchef sieht sich mit der Kontrollpraxis seiner Firma bestätigt, weil das nach seiner Einschätzung "viele Unternehmen machen". Laut dpa seien dies für Tesla auch keine Kontrollfahrten bei den Kranken sondern "Hausbesuche bei Krankgeschriebenen". Das große Ziel mit diesen Kontrollen sei ein Appell an die "Arbeitsmoral der Belegschaft".

Arbeitnehmervertreter aber widersprechen dieser Einordnung. Die IG Metall kritisiert die Hausbesuche als eine "abwegige Aktion" und wirft der Unternehmensführung vor, dass in dem Werk eine sehr hohe Arbeitsbelastung herrsche.

Krankenstand von 15 Prozent als Begründung für Kontrollen

Auslöser für die unangekündigten Kontrollen war laut Tesla ein überdurchschnittlich hoher Krankenstand in den Sommermonaten. "Phasenweise hat er 15 Prozent oder mehr erreicht", sagte Thierig. Zuvor berichtete das "Handelsblatt" [Bezahlinhalt] über die Kontrollen bei krank
geschriebenen Mitarbeitern. Die Zeitung bezog sich dabei auf eine ihr vorliegende Tonbandaufnahme von einer Betriebsversammlung in der vergangenen Woche.

In Grünheide in Brandenburg stellt Tesla seit mehr als zwei Jahren Elektroautos her. Dort arbeiten nach Unternehmensangaben knapp 12.000 Beschäftigte. Allerdings verzeichnet der Elektroautomarkt aktuell eine Flaute.

Manager sieht sich bestätigt und mach Zuspruch bei Belegschaft aus

Thierig sagte: "Wir haben die Belegschaft auf der Betriebsversammlung über die Hausbesuche informiert und unser Vorgehen dargelegt." Die Reaktion beschrieb er als "große Zustimmung der Belegschaft". Außerdem habe er bei Beschäftigten ausgemacht, dass sie wegen der Abwesenheiten ihrer Kolleginnen und Kollegen "frustriert" seien.

"Wir haben gut 200 Mitarbeiter festgestellt, die sich in der Lohnfortzahlung befinden, aber die in diesem Jahr noch gar nicht arbeiten waren. Sie bringen mindestens alle sechs Wochen neue Krankmeldungen", sagte Thierig. "Wir haben uns zwei Dutzend Fälle herausgesucht." Nicht er selber, aber der Fertigungs- und der Personalleiter hätten dann unangekündigt Hausbesuche bei den Beschäftigten gemacht. "Ein Großteil wurde nicht angetroffen, teils war sehr aggressives Verhalten zu spüren."

Manager Thierig widerspricht: Krankenstand kein Beleg für Arbeitsbedingungen

Aus Sicht des Tesla-Managers liegt der Grund für den Krankenstand nicht bei den Arbeitsbedingungen. "In unseren Analysen zur Anwesenheit sind Phänomene offensichtlich geworden: freitags und in Spätschichten sind circa 5 Prozent mehr Mitarbeiter krankgemeldet als an anderen Wochentagen", sagte Thierig.

"Das ist kein Indikator für schlechte Arbeitsbedingungen, denn die Arbeitsbedingungen sind an allen Arbeitstagen und in allen Schichten gleich. Es suggeriert, dass das deutsche Sozialsystem ein Stück weit ausgenutzt wird." Tesla habe mehr als 1.500 Leiharbeitnehmer, die unter den gleichen Bedingungen arbeiteten. Hier liege der Krankenstand bei zwei Prozent.

Thierig betonte, einen Generalverdacht gegen Kranke gebe es bei Tesla nicht. "Wir wollten den Dialog mit Mitarbeitern suchen und wissen, was bei ihnen los ist. Ein persönlicher Besuch hat dabei eine andere Wirkung als ein Anruf." Der Krankenstand sei auch zurückgegangen.

"Wir haben einen Effekt der Verbesserung festgestellt." Thierig: "Weitere Hausbesuche möchte ich nicht ausschließen.

Vorwurf der Gewerkschaft: Auto-Firma setzt Kranke unter Druck

Der Bezirksleiter der IG Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen, Dirk Schulze, kritisierte, Kranke würden unter Druck gesetzt. "Beschäftigte aus fast allen Bereichen des Werks berichteten von extrem hoher Arbeitsbelastung", sagte er. "Wenn Personal fehlt, werden die Kranken unter Druck gesetzt und die noch Gesunden mit zusätzlicher Arbeit überlastet. Wenn die Werkleitung den Krankenstand wirklich senken will, sollte sie diesen Teufelskreis durchbrechen."

Thierig sagte, das Unternehmen mache wirklich viel für Gesundheitsschutz und bessere Arbeitsbedingungen. Er verwies etwa auf ein Fitnessstudio im Werk, Betriebsärzte, Physiotherapeuten und ergonomische Verbesserungen der Arbeitsplätze.

Sendung: Antenne Brandenburg, 26.09.2024, 05:40 Uhr

 

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124 Kommentare

  1. 124.

    Lieber gleich kündigen anstatt der Ursache direkt auf den Grund zu gehen. Das finde ich eher fraglich als die Hausbesuche.

  2. 123.

    Bei uns war mal eine Büromitarbeiterin, die war krank geschrieben und gab aber mittags Gitarrenunterricht. Da wurde sie fristlos entlassen. Das fand ich folgerichtig.

  3. 122.

    VW mit Arbeitsplatzgarantie und Tesla mit Hauskontrollen.
    Wer kauft einen TESLA?

  4. 121.

    @Kommentar 108:

    Nun übertreiben Sie mal nicht - es werden doch nur die krassesten, auffälligsten Fälle (quasi "handverlesen") überprüft. Der Arbeitgeber könnte die betreffenden Mitarbeiter bei Verdacht des Missbrauchs auch direkt zum Amtsarzt schicken. Wäre Ihnen das lieber?

  5. 120.

    Wenn ich die Kommentare hier lese, kann ich jedem Arbeitgeber nur Recht geben, seine Blaumacher zu kontrollieren!

  6. 119.

    „ Ich frage mich, ob es aus Datenschutzsicht rechtens ist, dass der Werksleiter meine private Adresse erhält …“
    Geht ja garnicht, die Kontonummer sollte er auch nicht bekommen …

  7. 118.

    Solch ein Schwachsinn für das Schließen zu sein. Wieviel würden dann ihre Arbeit verlieren. Steuereinnahmen gleich Null. Gleich mal Bürgergeld beantragen. Wer komischerweise immer freitags krank wird und auch nur die Nachtschicht, da ist doch etwas sehr faul. Sie sind wohl ein Baumsitzer in Grünheide? Immer schön dagegen sein.

  8. 117.

    @ Kommentar 110:

    Niemand wird gezwungen, ausgerechnet bei Tesla zu arbeiten. Und Arbeitsbedingungen, die einem missfallen, sind noch lange kein Grund, sich den Lohn überwiegend ganz ohne Arbeit erschleichen zu wollen (darauf scheinen es offensichtlich einige der Tesla-Mitarbeiter anzulegen). Ein Industriebetrieb ist schließlich keine Wohlfahrtsbehörde. Wie heißt es so schön: "Love it, change it or leave it" ...

  9. 116.

    Als ehemaliger Personalleiter finde ich dieses Verhalten des Tesla-Managements höchst unseriös. Wenn einzelne Beschäftigte im Verdacht stehen, sich grundlos (häufig, freitags etc) krankschreiben zu lassen, gibt es legale Wege, damit umzugehen. Es gibt das BGM, das Eingliederungsmanagement, den MDK und wer zwei Jahre in Folge mehr als 42 Krankentage hat, die Möglichkeit der Kündigung. Das alles sollte konsequent angewendet werden, dann hätte auch Tesla keinen überdurchschnittlichen Krankenstand.

  10. 115.

    Früher haben wir doch zusammen vor dem Recht der Arbeit gestanden, alle miteinander und heute hier befremdliche Kommentare, die gar nicht Tesla hinterfragen, sondern sich nur auf einen nicht funktionierenden Menschen stürzen, der fachlich begründet arbeitsunfähig ist. Nun habe ich viele Menschen kennengelernt, die sehr krank sind oder waren und trotzdem arbeiten liefen, weil sie Angst hatten und einem großen Druck ausgesetzt waren. Aus Angst vor Entlassung. Aus existenzieller Angst.
    Für mich ist das der Anfang der Entsozialisierung, die Entwertung der Arbeit und die beliebige Ersetzbarkeit, der Betroffene ist eben nicht krank, sondern faul und dann passt das. So wird man wahrscheinlich gerade ältere AN los.

  11. 113.

    Ich bin etwas erschrocken, denn wer stellt sich denn auf die Seite Teslas, bekannt für Arbeitsbedingungen, die man weltweit nachverfolgen kann? Mein erster Gedanke ist doch beim Arbeiter, der da komplett ausgenutzt wird und ist er krank, noch verfolgt wird? Wir sind doch keine Rechtlosen Arbeitssklaven, die als faul gelten, wenn sie nicht funktionieren. Wenn sie funktionieren, müssen sie für 3 schuften und funktionieren sie nicht, werden sie so behandelt?

    Beine in die Hand, das muss sich in Deutschland niemand antun.

  12. 112.

    Es gibt Schichtarbeit, Rentner sowie Arbeitspausen, mal darüber nachgedacht

  13. 111.

    da diese Gruppen nicht zu unterscheiden sind, gilt die Unschuldsvermutung.
    Es gibt auch die Möglichkeit auf Kosten des AG eine Diagnose bestätigen zu lassen . War in unserer Fa. bisher immer erfolglos.

  14. 110.

    Haben Sie in Ihrem Leben in dieser Fabrik arbeiten müssen oder sind die anderen die Betroffenen? Kennen Sie die Arbeitsbedingungen bei Tesla? Einfach mal mit moderner Ausbeutung beschäftigen, es gibt hervorragende Artikel über dieses Thema bezüglich Tesla.

  15. 109.

    1. Was heißt bei Ihnen übermäßig lang krankheitsbedingt ausfallen?
    2.Jemand der längere Zeit (z.B. 10 Wochen am Stück) ausfällt,den kann man in großen Betrieben nicht kündigen. Müssten Sie aber wissen,wenn Sie selber arbeiten.

  16. 108.

    Soweit ist es also schon, dass Erkrankten per sé Faulheit unterstellt wird. Herzlich willkommen in der Welt der Deenunzianten. Und Ihr Belehrungsversuch ist sinnlos, bin ich bestens im Thema.
    Kein Arbeitgeber hat das Recht, Erkrankte an der Wohnungstür zur Rechtfertigung zu stellen. Was das Anrufen des MDK betrifft, ist es Arbeitgebern unbenommen, diesen einzuschalten.

  17. 107.

    Wieso ist die Arbeitsmoral bei Tesla Freienbrink so schlecht, wie Herr Thierig monierte?

  18. 106.

    "T***a mußte sofort geschlossen werden"!

    Wenn Herr Woidke dafür sorgt bekommt er auch 2029 meine Stimme!

  19. 105.

    Denken ist keine Stärke von Thierig: "freitags mehr Krankmeldungen" - man hat sch 4 Tage Maloche hinter sich; "Spätschicht gleiche Arbeitsbedingungen" - während eines Tages variiert die Fitness; "Leiharbeiter seltener" - die müssen ja auch mehr Angst um ihren Job haben; "nicht angetroffen" - man muss nicht bei jedem Klingeln die Tür öffnen; "aggressiv" - erwartbare Reaktion auf Misstrauen

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